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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Wilhelm Roßmann,

rufung zum Professor der Kunstgeschichte an der Düsseldorfer Kunstakademie.
Da die dortigen Verhältnisse in jedem Betracht sicherer und aussichtsreicher
waren als die Weimarischen, so gebot die Rücksicht auf Weib und Kind -- Noß-
mcmn hatte sich inzwischen mit einem Fräulein von Roter verheiratet -- den
Ruf nicht auszuschlagen. Doch sollte er am Rhein noch viel weniger heimisch
werden als ein der Ilm: schon im Herbst 1873 erhielt er den Antrag, in
die durch Albert von Zahns Tod erledigte Stellung eines Referenten bei der
Generaldirektion der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu
Dresden einzutreten.

In dieser Stellung hat Noßmcmn die zwölf letzten Jahre seines Lebens
verbracht und in ihr eine vielseitige und unermüdliche Thätigkeit entwickelt.
Die Generaldirektivn der königlichen Sammlungen ist eine Behörde, welcher
die Oberaufsicht über die Gemüldegaleric, die königliche Bibliothek, das Antiken-
kabinet, das Museum der Gypsabgüsse, das historische Museum, die Porzellan-
und Gcfnßsammlung u, s. w. vertraut ist und der ein Verantwortlicher Staats-
mimster vorsteht. Roßmann war also nicht, wie hie und da angenommen
worden ist, Generaldirektor dieser verschiednen Sammlungen, er war den Mu¬
seumsdirektoren und andern Chefs lediglich koordinirt, und seine Mitwirkung
bei der Vermehrung und Verwaltung der Kunstschätze war in den meisten Fällen
eine beratende. Nur infolge speziellen Auftrags des Ministeriums übernahm
er einige größere Vilderankäufe für die Gemäldegalerie. Aber es lag in der
Natur seiner Stellung, daß es ihm leicht war, Vorschläge, die er nach seiner
Überzeugung für ersprießlich hielt, zu begründen und durchzusetzen, und es
konnte nicht ausbleiben, daß gegenüber solchem Einfluß manche reizbare Eifersucht
und mancher kleinliche Neid wach wurden. Noßmaun kam gerade in einem
Augenblicke uach Dresden, wo reiche Mittel zur Verfügung standen und große
Kunstunternehmungen geplant, langegeplante ausgeführt wurden. Da man an
maßgebender Stelle volles Vertrauen zu ihm hegte, so wurde ihm die Leitung
auch dieser Unternehmungen anvertraut. Die künstlerische Ausschmückung des
gerade im Bau besindlichen neuen Hoftheaters und die der restaurirten, aus
ihrer unwürdigen Verwendung als Porzellanmanufaktur zu neuer Herrlichkeit
auferstandenen Albrechtsburg in Meißen stellte ihm vielumfassende, weit aus¬
greifende Aufgaben, an die er mit mutigen Entschluß Hand anlegte und bei
deren Übernahme er schwerlich ahnte, welche Bitterkeiten sie ihm bereiten sollten.
Der Fehler, den Noßmcmn hierbei beging, lag unsers Trachtens nach nur darin,
daß er sich eine ungeheure Verantwortlichkeit aufbürden ließ, die ein Mann nur
dann übernehmen sollte, wenn er volle Freiheit in der Wahl der ausführenden
Kräfte und die tiefste Überzeugung hat, daß diese ausführenden Kräfte jeder
ihnen gestellten Aufgabe gewachsen sind. Daß dies bei den genannten großen
künstlerisch-dekorativen Arbeiten nur teilweise der Fall war, konnte jeder draußen
Stehende leicht wahrnehmen und jeder unbillig Urteilende dem beauftragten


Wilhelm Roßmann,

rufung zum Professor der Kunstgeschichte an der Düsseldorfer Kunstakademie.
Da die dortigen Verhältnisse in jedem Betracht sicherer und aussichtsreicher
waren als die Weimarischen, so gebot die Rücksicht auf Weib und Kind — Noß-
mcmn hatte sich inzwischen mit einem Fräulein von Roter verheiratet — den
Ruf nicht auszuschlagen. Doch sollte er am Rhein noch viel weniger heimisch
werden als ein der Ilm: schon im Herbst 1873 erhielt er den Antrag, in
die durch Albert von Zahns Tod erledigte Stellung eines Referenten bei der
Generaldirektion der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu
Dresden einzutreten.

In dieser Stellung hat Noßmcmn die zwölf letzten Jahre seines Lebens
verbracht und in ihr eine vielseitige und unermüdliche Thätigkeit entwickelt.
Die Generaldirektivn der königlichen Sammlungen ist eine Behörde, welcher
die Oberaufsicht über die Gemüldegaleric, die königliche Bibliothek, das Antiken-
kabinet, das Museum der Gypsabgüsse, das historische Museum, die Porzellan-
und Gcfnßsammlung u, s. w. vertraut ist und der ein Verantwortlicher Staats-
mimster vorsteht. Roßmann war also nicht, wie hie und da angenommen
worden ist, Generaldirektor dieser verschiednen Sammlungen, er war den Mu¬
seumsdirektoren und andern Chefs lediglich koordinirt, und seine Mitwirkung
bei der Vermehrung und Verwaltung der Kunstschätze war in den meisten Fällen
eine beratende. Nur infolge speziellen Auftrags des Ministeriums übernahm
er einige größere Vilderankäufe für die Gemäldegalerie. Aber es lag in der
Natur seiner Stellung, daß es ihm leicht war, Vorschläge, die er nach seiner
Überzeugung für ersprießlich hielt, zu begründen und durchzusetzen, und es
konnte nicht ausbleiben, daß gegenüber solchem Einfluß manche reizbare Eifersucht
und mancher kleinliche Neid wach wurden. Noßmaun kam gerade in einem
Augenblicke uach Dresden, wo reiche Mittel zur Verfügung standen und große
Kunstunternehmungen geplant, langegeplante ausgeführt wurden. Da man an
maßgebender Stelle volles Vertrauen zu ihm hegte, so wurde ihm die Leitung
auch dieser Unternehmungen anvertraut. Die künstlerische Ausschmückung des
gerade im Bau besindlichen neuen Hoftheaters und die der restaurirten, aus
ihrer unwürdigen Verwendung als Porzellanmanufaktur zu neuer Herrlichkeit
auferstandenen Albrechtsburg in Meißen stellte ihm vielumfassende, weit aus¬
greifende Aufgaben, an die er mit mutigen Entschluß Hand anlegte und bei
deren Übernahme er schwerlich ahnte, welche Bitterkeiten sie ihm bereiten sollten.
Der Fehler, den Noßmcmn hierbei beging, lag unsers Trachtens nach nur darin,
daß er sich eine ungeheure Verantwortlichkeit aufbürden ließ, die ein Mann nur
dann übernehmen sollte, wenn er volle Freiheit in der Wahl der ausführenden
Kräfte und die tiefste Überzeugung hat, daß diese ausführenden Kräfte jeder
ihnen gestellten Aufgabe gewachsen sind. Daß dies bei den genannten großen
künstlerisch-dekorativen Arbeiten nur teilweise der Fall war, konnte jeder draußen
Stehende leicht wahrnehmen und jeder unbillig Urteilende dem beauftragten


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[0544] Wilhelm Roßmann, rufung zum Professor der Kunstgeschichte an der Düsseldorfer Kunstakademie. Da die dortigen Verhältnisse in jedem Betracht sicherer und aussichtsreicher waren als die Weimarischen, so gebot die Rücksicht auf Weib und Kind — Noß- mcmn hatte sich inzwischen mit einem Fräulein von Roter verheiratet — den Ruf nicht auszuschlagen. Doch sollte er am Rhein noch viel weniger heimisch werden als ein der Ilm: schon im Herbst 1873 erhielt er den Antrag, in die durch Albert von Zahns Tod erledigte Stellung eines Referenten bei der Generaldirektion der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu Dresden einzutreten. In dieser Stellung hat Noßmcmn die zwölf letzten Jahre seines Lebens verbracht und in ihr eine vielseitige und unermüdliche Thätigkeit entwickelt. Die Generaldirektivn der königlichen Sammlungen ist eine Behörde, welcher die Oberaufsicht über die Gemüldegaleric, die königliche Bibliothek, das Antiken- kabinet, das Museum der Gypsabgüsse, das historische Museum, die Porzellan- und Gcfnßsammlung u, s. w. vertraut ist und der ein Verantwortlicher Staats- mimster vorsteht. Roßmann war also nicht, wie hie und da angenommen worden ist, Generaldirektor dieser verschiednen Sammlungen, er war den Mu¬ seumsdirektoren und andern Chefs lediglich koordinirt, und seine Mitwirkung bei der Vermehrung und Verwaltung der Kunstschätze war in den meisten Fällen eine beratende. Nur infolge speziellen Auftrags des Ministeriums übernahm er einige größere Vilderankäufe für die Gemäldegalerie. Aber es lag in der Natur seiner Stellung, daß es ihm leicht war, Vorschläge, die er nach seiner Überzeugung für ersprießlich hielt, zu begründen und durchzusetzen, und es konnte nicht ausbleiben, daß gegenüber solchem Einfluß manche reizbare Eifersucht und mancher kleinliche Neid wach wurden. Noßmaun kam gerade in einem Augenblicke uach Dresden, wo reiche Mittel zur Verfügung standen und große Kunstunternehmungen geplant, langegeplante ausgeführt wurden. Da man an maßgebender Stelle volles Vertrauen zu ihm hegte, so wurde ihm die Leitung auch dieser Unternehmungen anvertraut. Die künstlerische Ausschmückung des gerade im Bau besindlichen neuen Hoftheaters und die der restaurirten, aus ihrer unwürdigen Verwendung als Porzellanmanufaktur zu neuer Herrlichkeit auferstandenen Albrechtsburg in Meißen stellte ihm vielumfassende, weit aus¬ greifende Aufgaben, an die er mit mutigen Entschluß Hand anlegte und bei deren Übernahme er schwerlich ahnte, welche Bitterkeiten sie ihm bereiten sollten. Der Fehler, den Noßmcmn hierbei beging, lag unsers Trachtens nach nur darin, daß er sich eine ungeheure Verantwortlichkeit aufbürden ließ, die ein Mann nur dann übernehmen sollte, wenn er volle Freiheit in der Wahl der ausführenden Kräfte und die tiefste Überzeugung hat, daß diese ausführenden Kräfte jeder ihnen gestellten Aufgabe gewachsen sind. Daß dies bei den genannten großen künstlerisch-dekorativen Arbeiten nur teilweise der Fall war, konnte jeder draußen Stehende leicht wahrnehmen und jeder unbillig Urteilende dem beauftragten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/544>, abgerufen am 22.07.2024.