Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Wilhelm Roßmann. historische Erstlingsarbeiten "Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation" Wilhelm Roßmann. historische Erstlingsarbeiten „Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195219"/> <fw type="header" place="top"> Wilhelm Roßmann.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1996" prev="#ID_1995" next="#ID_1997"> historische Erstlingsarbeiten „Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation"<lb/> (Jena, 1858) und „Die malkabäische Erhebung" (Leipzig, 1860). Die poetischen<lb/> und künstlerischen Neigungen, welche der Student und der junge Dozent daneben<lb/> hegte, traten wohl nicht ganz zurück, wurden aber durch die ihm zunächst<lb/> obliegende Arbeit wesentlich eingeschränkt und wären, da ein starkes und<lb/> zwingendes Dichtcrtalent in Roßmann nicht lebte und wirkte, mit der Zeit<lb/> vielleicht erloschen, wenn nicht eine Wandlung seines äußern Lebens sie neu<lb/> angefacht hätte. 1860 ward Noßmann als Erzieher des Prinzen Bernhard<lb/> von Meiningen, des ältesten Sohnes des damaligen Erbprinzen und nachmaligen<lb/> Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen, berufen. Eine außerordentliche Pro¬<lb/> fessur in Halle, die sich gleichzeitig aufthat, lehnte er ab und entschied sich für<lb/> Meiningen. In seiner dortigen Stellung verblieb er neun Jahre hindurch, er¬<lb/> lebte in der kleinen Residenz an der Werra die großen Umwälzungen des<lb/> Jahres 1866, welche zur Abdankung des greisen Herzogs Bernhard Erich Freund<lb/> und zur Übernahme der Regierung durch den Herzog Georg führten, sah die<lb/> Vorbereitungen zu dem reichen und eigentümlichen Kunstleben, welches der<lb/> künstlerische Sinn des neuen Herzogs in Meiningen schuf, und ward gleichsam<lb/> »»merklich von seinen historischen zu kunsthistorischen Studien geleitet. An der<lb/> »eubeginnenden Ära des Meiningcr Theaters nahm er durch eine Bearbeitung<lb/> der „Choephoren" des Äschylos als „Orest" (Stuttgart, 1867) unmittelbaren<lb/> Anteil. Als sein fürstlicher Zögling, der inmittelst Erbprinz geworden war, im<lb/> Winter 1868 nach Italien ging, begleitete ihn Noßmann dahin, und dem längern<lb/> Aufenthalte in Sizilien und in Rom entstammten die Reisebilder „Vom Gestade<lb/> der Cyklopen und Sirenen" (Leipzig, 1869) und „Eine protestantische Oster-<lb/> andacht im Se. Peter zu Rom" (Oldenburg, 1871). Nach beendeter Erziehung<lb/> des Erbprinzen zog sich Roßmcmn mit dem Titel eines Herzvglich sächsischen<lb/> Hofrats und mit einer Penston nach Wolfenbüttel zurück, wo er bis 1872 lebte.<lb/> Seine Hauptarbeit während dieser Jahre galt der Sammlung von Materialien<lb/> Zu einer urkundlichen Geschichte der Hildesheimer Stiftsfchde, von der wir nicht<lb/> Riffen, wie weit sie gefördert worden ist. 1872 ward er als Sekretär der<lb/> großherzoglichen Kunstschule und als Professor der Kunstgeschichte an eben<lb/> dieser Anstalt nach Weimar berufen. Hier half er im gleichen Jahre die vier¬<lb/> hundertjährige Geburtsfeier Lukas Crcmachs festlich begehen und schrieb für<lb/> diese Gelegenheit ein Festspiel „Meister Lukas" (Oldenburg. 1872), das seinem<lb/> Zwecke vollständig entsprach. Der Winter von 1872 zu 1873 entführte ihn den<lb/> neuen Verhältnissen, in die er sich kaum eingelebt hatte. Er begleitete seinen<lb/> ehemaligen Zögling, den Erbprinzen von Meiningen, auf einer großen Orient¬<lb/> reise, welche derselbe unternahm. Er sah Athen, Konstantinopel, Kleinasien<lb/> unter günstigeren Verhältnissen, als sie vielen Gelehrten gegönnt sind, gewann<lb/> ^lebe Anschauungen und hätte nur der Ruhe bedurft, um dieselben literarisch<lb/> Zu verwerten. Aber kaum nach Weimar heimgekehrt, erreichte ihn eine Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Wilhelm Roßmann.
historische Erstlingsarbeiten „Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation"
(Jena, 1858) und „Die malkabäische Erhebung" (Leipzig, 1860). Die poetischen
und künstlerischen Neigungen, welche der Student und der junge Dozent daneben
hegte, traten wohl nicht ganz zurück, wurden aber durch die ihm zunächst
obliegende Arbeit wesentlich eingeschränkt und wären, da ein starkes und
zwingendes Dichtcrtalent in Roßmann nicht lebte und wirkte, mit der Zeit
vielleicht erloschen, wenn nicht eine Wandlung seines äußern Lebens sie neu
angefacht hätte. 1860 ward Noßmann als Erzieher des Prinzen Bernhard
von Meiningen, des ältesten Sohnes des damaligen Erbprinzen und nachmaligen
Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen, berufen. Eine außerordentliche Pro¬
fessur in Halle, die sich gleichzeitig aufthat, lehnte er ab und entschied sich für
Meiningen. In seiner dortigen Stellung verblieb er neun Jahre hindurch, er¬
lebte in der kleinen Residenz an der Werra die großen Umwälzungen des
Jahres 1866, welche zur Abdankung des greisen Herzogs Bernhard Erich Freund
und zur Übernahme der Regierung durch den Herzog Georg führten, sah die
Vorbereitungen zu dem reichen und eigentümlichen Kunstleben, welches der
künstlerische Sinn des neuen Herzogs in Meiningen schuf, und ward gleichsam
»»merklich von seinen historischen zu kunsthistorischen Studien geleitet. An der
»eubeginnenden Ära des Meiningcr Theaters nahm er durch eine Bearbeitung
der „Choephoren" des Äschylos als „Orest" (Stuttgart, 1867) unmittelbaren
Anteil. Als sein fürstlicher Zögling, der inmittelst Erbprinz geworden war, im
Winter 1868 nach Italien ging, begleitete ihn Noßmann dahin, und dem längern
Aufenthalte in Sizilien und in Rom entstammten die Reisebilder „Vom Gestade
der Cyklopen und Sirenen" (Leipzig, 1869) und „Eine protestantische Oster-
andacht im Se. Peter zu Rom" (Oldenburg, 1871). Nach beendeter Erziehung
des Erbprinzen zog sich Roßmcmn mit dem Titel eines Herzvglich sächsischen
Hofrats und mit einer Penston nach Wolfenbüttel zurück, wo er bis 1872 lebte.
Seine Hauptarbeit während dieser Jahre galt der Sammlung von Materialien
Zu einer urkundlichen Geschichte der Hildesheimer Stiftsfchde, von der wir nicht
Riffen, wie weit sie gefördert worden ist. 1872 ward er als Sekretär der
großherzoglichen Kunstschule und als Professor der Kunstgeschichte an eben
dieser Anstalt nach Weimar berufen. Hier half er im gleichen Jahre die vier¬
hundertjährige Geburtsfeier Lukas Crcmachs festlich begehen und schrieb für
diese Gelegenheit ein Festspiel „Meister Lukas" (Oldenburg. 1872), das seinem
Zwecke vollständig entsprach. Der Winter von 1872 zu 1873 entführte ihn den
neuen Verhältnissen, in die er sich kaum eingelebt hatte. Er begleitete seinen
ehemaligen Zögling, den Erbprinzen von Meiningen, auf einer großen Orient¬
reise, welche derselbe unternahm. Er sah Athen, Konstantinopel, Kleinasien
unter günstigeren Verhältnissen, als sie vielen Gelehrten gegönnt sind, gewann
^lebe Anschauungen und hätte nur der Ruhe bedurft, um dieselben literarisch
Zu verwerten. Aber kaum nach Weimar heimgekehrt, erreichte ihn eine Be-
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