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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Wilhelm Roßmann.

Kunstgelehrten allein zur Last legen. Wer die Dinge etwas besser kannte,
wußte wohl, daß hier mannichfache Umstände zusammenwirkten, das volle Ge¬
lingen zu erschweren, Lokalpatriotismus, welcher nie zugestanden hätte, Mangel
an starken, frischen und poetischen Knustlerkräften zu haben, der berechtigte
Wunsch, den heimischen Talenten möglichsten Spielraum zu verschaffen,
gelegentlich auch ein falsches Sparst)Stein, obschon im allgemeinen reiche, ja
überreiche Mittel aufgewendet wurden. Wie dem immer sei, der Leiter des
Ganzen mußte die Verantwortung, die er nicht auf die Schultern eines Kollegiums
abgewälzt hatte, voll einlösen; neben der berechtigten Kritik trafen ihn hämische
Persönliche Schmähungen und jene uuqualifizirbaren Anschuldigungen, die unser
gesamtes öffentliches Leben vergiften. Es würde zu weit führen, wenn wir
auf die unerquicklichen Einzelheiten zurückkommen wollten, sie haben jedenfalls
Noßmann ein gutes Teil Lebenskraft und Lebensmut gekostet. Indessen ließ
er sich durch bittere Erfahrungen niemals seine Thätigkeit und kaum den
frischen Eifer beeinträchtigen, mit dem er in diese Thätigkeit eingetreten war.
Regen Anteil widmete er vor allen Dingen der Herausgabe des großen
Kupferstichwerkes nach neueren Gemälden der Dresdner Galerie, durch welche
die Kupferstecherschule Dresdens recht eigentlich wieder belebt wurde. Der Text,
den Roßmann dazu schrieb, ist ein schönes Zeugnis seiner Wärme sür die Be¬
strebungen und Schöpfungen der neuesten deutschen Kunst; er hegte ehrlich den
Glauben, daß diese Kunst mit der Herrschaft des Realismus und Naturalismus
in eine neue vielverheißende Periode getreten sei. Auch wer andrer Überzeugung
war, konnte der Hingabe und Konsequenz, mit welcher Noßmann für die seine
eintrat, die Achtung nicht versagen. Daß ihm sein Einstehen gerade sür die
Künstler der Gegenwart wenig Dank brachte, lag in der Natur der Dinge, das
Verhältnis zwischen Künstlern und "Kunstschrcibern" ist ja nur so lange und
so weit ein gutes, als die letzteren imstande sind, die wahren und noch mehr
die vermeintlichen Interessen der Künstler zu fördern.

Literarisch konnte Noßmann während seiner Dresdner Jahre minder thätig
sein als in früheren Lebensperioden. Er hatte die Freude, eine zweite Auflage
seiner Reisebilder "Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" (Leipzig, Grunow,
1882) erscheinen zu sehen, und veröffentlichte unter dem Titel "Gastfahrten" Bilder
und Studien, welche sämtlich der Orientreise von 1872 und 1873 ihre Ent¬
stehung verdankten. Einige derselben, wie z. B. "Ein Besuch auf dem Berge
Athos" und "Von Smyrna nach Beirut," waren früher in Zeitschriften veröffent¬
licht worden, das ganze Werk erfreute sich einer günstigen Aufnahme und bestä¬
tigte, daß der Verfasser die reichen Eindrücke, welche ihm durch eine besondre Gunst
des Glückes gewährt worden waren, zu fruchtbarer Nachwirkung in sich aufgenommen
hatte. Die "Gastfahrten" fanden nicht so rasch ein größeres Publikum wie die
früheren Reiseskizzen, und doch waren sie literarisch ein Fortschritt. Der Stil
in dem Buche "Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" war wohl fesselnd


Wilhelm Roßmann.

Kunstgelehrten allein zur Last legen. Wer die Dinge etwas besser kannte,
wußte wohl, daß hier mannichfache Umstände zusammenwirkten, das volle Ge¬
lingen zu erschweren, Lokalpatriotismus, welcher nie zugestanden hätte, Mangel
an starken, frischen und poetischen Knustlerkräften zu haben, der berechtigte
Wunsch, den heimischen Talenten möglichsten Spielraum zu verschaffen,
gelegentlich auch ein falsches Sparst)Stein, obschon im allgemeinen reiche, ja
überreiche Mittel aufgewendet wurden. Wie dem immer sei, der Leiter des
Ganzen mußte die Verantwortung, die er nicht auf die Schultern eines Kollegiums
abgewälzt hatte, voll einlösen; neben der berechtigten Kritik trafen ihn hämische
Persönliche Schmähungen und jene uuqualifizirbaren Anschuldigungen, die unser
gesamtes öffentliches Leben vergiften. Es würde zu weit führen, wenn wir
auf die unerquicklichen Einzelheiten zurückkommen wollten, sie haben jedenfalls
Noßmann ein gutes Teil Lebenskraft und Lebensmut gekostet. Indessen ließ
er sich durch bittere Erfahrungen niemals seine Thätigkeit und kaum den
frischen Eifer beeinträchtigen, mit dem er in diese Thätigkeit eingetreten war.
Regen Anteil widmete er vor allen Dingen der Herausgabe des großen
Kupferstichwerkes nach neueren Gemälden der Dresdner Galerie, durch welche
die Kupferstecherschule Dresdens recht eigentlich wieder belebt wurde. Der Text,
den Roßmann dazu schrieb, ist ein schönes Zeugnis seiner Wärme sür die Be¬
strebungen und Schöpfungen der neuesten deutschen Kunst; er hegte ehrlich den
Glauben, daß diese Kunst mit der Herrschaft des Realismus und Naturalismus
in eine neue vielverheißende Periode getreten sei. Auch wer andrer Überzeugung
war, konnte der Hingabe und Konsequenz, mit welcher Noßmann für die seine
eintrat, die Achtung nicht versagen. Daß ihm sein Einstehen gerade sür die
Künstler der Gegenwart wenig Dank brachte, lag in der Natur der Dinge, das
Verhältnis zwischen Künstlern und „Kunstschrcibern" ist ja nur so lange und
so weit ein gutes, als die letzteren imstande sind, die wahren und noch mehr
die vermeintlichen Interessen der Künstler zu fördern.

Literarisch konnte Noßmann während seiner Dresdner Jahre minder thätig
sein als in früheren Lebensperioden. Er hatte die Freude, eine zweite Auflage
seiner Reisebilder „Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" (Leipzig, Grunow,
1882) erscheinen zu sehen, und veröffentlichte unter dem Titel „Gastfahrten" Bilder
und Studien, welche sämtlich der Orientreise von 1872 und 1873 ihre Ent¬
stehung verdankten. Einige derselben, wie z. B. „Ein Besuch auf dem Berge
Athos" und „Von Smyrna nach Beirut," waren früher in Zeitschriften veröffent¬
licht worden, das ganze Werk erfreute sich einer günstigen Aufnahme und bestä¬
tigte, daß der Verfasser die reichen Eindrücke, welche ihm durch eine besondre Gunst
des Glückes gewährt worden waren, zu fruchtbarer Nachwirkung in sich aufgenommen
hatte. Die „Gastfahrten" fanden nicht so rasch ein größeres Publikum wie die
früheren Reiseskizzen, und doch waren sie literarisch ein Fortschritt. Der Stil
in dem Buche „Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" war wohl fesselnd


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[0545] Wilhelm Roßmann. Kunstgelehrten allein zur Last legen. Wer die Dinge etwas besser kannte, wußte wohl, daß hier mannichfache Umstände zusammenwirkten, das volle Ge¬ lingen zu erschweren, Lokalpatriotismus, welcher nie zugestanden hätte, Mangel an starken, frischen und poetischen Knustlerkräften zu haben, der berechtigte Wunsch, den heimischen Talenten möglichsten Spielraum zu verschaffen, gelegentlich auch ein falsches Sparst)Stein, obschon im allgemeinen reiche, ja überreiche Mittel aufgewendet wurden. Wie dem immer sei, der Leiter des Ganzen mußte die Verantwortung, die er nicht auf die Schultern eines Kollegiums abgewälzt hatte, voll einlösen; neben der berechtigten Kritik trafen ihn hämische Persönliche Schmähungen und jene uuqualifizirbaren Anschuldigungen, die unser gesamtes öffentliches Leben vergiften. Es würde zu weit führen, wenn wir auf die unerquicklichen Einzelheiten zurückkommen wollten, sie haben jedenfalls Noßmann ein gutes Teil Lebenskraft und Lebensmut gekostet. Indessen ließ er sich durch bittere Erfahrungen niemals seine Thätigkeit und kaum den frischen Eifer beeinträchtigen, mit dem er in diese Thätigkeit eingetreten war. Regen Anteil widmete er vor allen Dingen der Herausgabe des großen Kupferstichwerkes nach neueren Gemälden der Dresdner Galerie, durch welche die Kupferstecherschule Dresdens recht eigentlich wieder belebt wurde. Der Text, den Roßmann dazu schrieb, ist ein schönes Zeugnis seiner Wärme sür die Be¬ strebungen und Schöpfungen der neuesten deutschen Kunst; er hegte ehrlich den Glauben, daß diese Kunst mit der Herrschaft des Realismus und Naturalismus in eine neue vielverheißende Periode getreten sei. Auch wer andrer Überzeugung war, konnte der Hingabe und Konsequenz, mit welcher Noßmann für die seine eintrat, die Achtung nicht versagen. Daß ihm sein Einstehen gerade sür die Künstler der Gegenwart wenig Dank brachte, lag in der Natur der Dinge, das Verhältnis zwischen Künstlern und „Kunstschrcibern" ist ja nur so lange und so weit ein gutes, als die letzteren imstande sind, die wahren und noch mehr die vermeintlichen Interessen der Künstler zu fördern. Literarisch konnte Noßmann während seiner Dresdner Jahre minder thätig sein als in früheren Lebensperioden. Er hatte die Freude, eine zweite Auflage seiner Reisebilder „Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" (Leipzig, Grunow, 1882) erscheinen zu sehen, und veröffentlichte unter dem Titel „Gastfahrten" Bilder und Studien, welche sämtlich der Orientreise von 1872 und 1873 ihre Ent¬ stehung verdankten. Einige derselben, wie z. B. „Ein Besuch auf dem Berge Athos" und „Von Smyrna nach Beirut," waren früher in Zeitschriften veröffent¬ licht worden, das ganze Werk erfreute sich einer günstigen Aufnahme und bestä¬ tigte, daß der Verfasser die reichen Eindrücke, welche ihm durch eine besondre Gunst des Glückes gewährt worden waren, zu fruchtbarer Nachwirkung in sich aufgenommen hatte. Die „Gastfahrten" fanden nicht so rasch ein größeres Publikum wie die früheren Reiseskizzen, und doch waren sie literarisch ein Fortschritt. Der Stil in dem Buche „Vom Gestade der Cyklopen und Sirenen" war wohl fesselnd

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/545>, abgerufen am 22.07.2024.