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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschafrsmalerei.

Erde und Wusser, Luft und Feuer, Überfluß und Reichtum, Geruch und Gehör,
Gefühl und Geschmack, oder diejenigen Personen, die durch ihre Anwesenheit
den Titel für das Bild hingeben mußten, so z. B. Adam und Eva für die
ausführliche Darstellung einer Menagerie im Freien, welche das Paradies ge¬
nannt wurde, Diana und ihre Nymphen für eine malerische Gruppirung er¬
legten Wildes oder einer Koppel jagdlustiger Hunde und den heiligen Hubertus
für die Schilderung eines mit Hirschen und Neben belebten Waldes. Oft schob
Vrueghel auch die figürliche Staffage in den Mittel- oder Hintergrund, was
besonders auf Darstellungen des Paradieses vorkommt, wo sich die kleinen Fi¬
guren von Adam und Eva fast in der blaugrünen Ferne verlieren, während
sich im Vordergründe allerhand wildes und zahmes Getier breit macht.

Wie innig sich bei Vrueghel Allegorie und Realismus zu einem harmo¬
nischen Ganzen verbanden, zeigt am besten der Umstand, daß er auf die Figuren
einen großen Wert legte. Wem: er sie nicht selbst malte, ging er einen andern
hervorragenden Kunstgenossen darum um. Er selbst kam niemals in Verlegen¬
heit -- er verstand alles und er wußte alles geschickt und geistreich zu machen,
natürlich in dein Maßstabe, durch welchen seine malerischen und zeichnerische!?
Fähigkeiten von vornherein begrenzt waren. Nach der Malerei großen Stils,
nach Altarbildern und umfangreichen Historien strebte er nicht. Er hat, soviel
Nur wissen, niemals einen Versuch gemacht, sich über das ihm von der Natur
verliehene Körpermaß emporznrecken. Aber er hat die Genugthuung gehabt,
daß selbst Männer, denen eine so breite und gewaltige Pinselführung zu eigen
war wie Rubens, zu seiner feinen und überaus sorgsamen Durchführung herab¬
fliegen und sich dem Stile des fleißigen Miniaturenmalers anpaßten. Wir
dürfen diese Kvmpagniearbeiten, auf welche wir schon früher hingewiesen haben,
keineswegs in dein idealen Lichte eines uneigennützigen Zusammenwirkens etwa
zum Zwecke rein künstlerischer Befriedigung auffassen. Die Figurenmaler ließen
sich von den Landschaftsmalern ihre Arbeit nach der Stückzahl vergüten. Wir
wissen das ans mehreren Rechnungen, die uns aufbewahrt sind. Wir können
sogar eine zitiren, welche uns ganz besonders interessirt. Wie Vrueghel sich
seine Landschaften von andern Künstlern stafsiren ließ, so malte er auch selbst
Figuren in fremde Landschaften hinein. Am 9. August 1613 sandte er an
Ercole Biauchi, den schon erwähnten, dem Erzbischöfe nahestehenden Kunstfreund
und Kunsthändler in Mailand, eine Rechnung ein, in welcher es heißt:


Die Figuren in sechs Gemälden von Mvmper gemalt zu 25 Gulden das
Glück.......................ISO

Die vier Jahreszeiten, gemalt von Momper. . , die Figuren gemalt von
meiner Hand zu 40 Gulden dus Stück............160,

Nach unserm Gelde würden diese beiden Posten, ohne Berechnung der
snthcr erfolgten Steigerung des Münzwertes, 307 und 320 Mark betragen,
höchst ansehnliche Summen, wie denn Vrueghel stets auf den vorteilhaften


Die niederländische Genre- und Landschafrsmalerei.

Erde und Wusser, Luft und Feuer, Überfluß und Reichtum, Geruch und Gehör,
Gefühl und Geschmack, oder diejenigen Personen, die durch ihre Anwesenheit
den Titel für das Bild hingeben mußten, so z. B. Adam und Eva für die
ausführliche Darstellung einer Menagerie im Freien, welche das Paradies ge¬
nannt wurde, Diana und ihre Nymphen für eine malerische Gruppirung er¬
legten Wildes oder einer Koppel jagdlustiger Hunde und den heiligen Hubertus
für die Schilderung eines mit Hirschen und Neben belebten Waldes. Oft schob
Vrueghel auch die figürliche Staffage in den Mittel- oder Hintergrund, was
besonders auf Darstellungen des Paradieses vorkommt, wo sich die kleinen Fi¬
guren von Adam und Eva fast in der blaugrünen Ferne verlieren, während
sich im Vordergründe allerhand wildes und zahmes Getier breit macht.

Wie innig sich bei Vrueghel Allegorie und Realismus zu einem harmo¬
nischen Ganzen verbanden, zeigt am besten der Umstand, daß er auf die Figuren
einen großen Wert legte. Wem: er sie nicht selbst malte, ging er einen andern
hervorragenden Kunstgenossen darum um. Er selbst kam niemals in Verlegen¬
heit — er verstand alles und er wußte alles geschickt und geistreich zu machen,
natürlich in dein Maßstabe, durch welchen seine malerischen und zeichnerische!?
Fähigkeiten von vornherein begrenzt waren. Nach der Malerei großen Stils,
nach Altarbildern und umfangreichen Historien strebte er nicht. Er hat, soviel
Nur wissen, niemals einen Versuch gemacht, sich über das ihm von der Natur
verliehene Körpermaß emporznrecken. Aber er hat die Genugthuung gehabt,
daß selbst Männer, denen eine so breite und gewaltige Pinselführung zu eigen
war wie Rubens, zu seiner feinen und überaus sorgsamen Durchführung herab¬
fliegen und sich dem Stile des fleißigen Miniaturenmalers anpaßten. Wir
dürfen diese Kvmpagniearbeiten, auf welche wir schon früher hingewiesen haben,
keineswegs in dein idealen Lichte eines uneigennützigen Zusammenwirkens etwa
zum Zwecke rein künstlerischer Befriedigung auffassen. Die Figurenmaler ließen
sich von den Landschaftsmalern ihre Arbeit nach der Stückzahl vergüten. Wir
wissen das ans mehreren Rechnungen, die uns aufbewahrt sind. Wir können
sogar eine zitiren, welche uns ganz besonders interessirt. Wie Vrueghel sich
seine Landschaften von andern Künstlern stafsiren ließ, so malte er auch selbst
Figuren in fremde Landschaften hinein. Am 9. August 1613 sandte er an
Ercole Biauchi, den schon erwähnten, dem Erzbischöfe nahestehenden Kunstfreund
und Kunsthändler in Mailand, eine Rechnung ein, in welcher es heißt:


Die Figuren in sechs Gemälden von Mvmper gemalt zu 25 Gulden das
Glück.......................ISO

Die vier Jahreszeiten, gemalt von Momper. . , die Figuren gemalt von
meiner Hand zu 40 Gulden dus Stück............160,

Nach unserm Gelde würden diese beiden Posten, ohne Berechnung der
snthcr erfolgten Steigerung des Münzwertes, 307 und 320 Mark betragen,
höchst ansehnliche Summen, wie denn Vrueghel stets auf den vorteilhaften


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[0311] Die niederländische Genre- und Landschafrsmalerei. Erde und Wusser, Luft und Feuer, Überfluß und Reichtum, Geruch und Gehör, Gefühl und Geschmack, oder diejenigen Personen, die durch ihre Anwesenheit den Titel für das Bild hingeben mußten, so z. B. Adam und Eva für die ausführliche Darstellung einer Menagerie im Freien, welche das Paradies ge¬ nannt wurde, Diana und ihre Nymphen für eine malerische Gruppirung er¬ legten Wildes oder einer Koppel jagdlustiger Hunde und den heiligen Hubertus für die Schilderung eines mit Hirschen und Neben belebten Waldes. Oft schob Vrueghel auch die figürliche Staffage in den Mittel- oder Hintergrund, was besonders auf Darstellungen des Paradieses vorkommt, wo sich die kleinen Fi¬ guren von Adam und Eva fast in der blaugrünen Ferne verlieren, während sich im Vordergründe allerhand wildes und zahmes Getier breit macht. Wie innig sich bei Vrueghel Allegorie und Realismus zu einem harmo¬ nischen Ganzen verbanden, zeigt am besten der Umstand, daß er auf die Figuren einen großen Wert legte. Wem: er sie nicht selbst malte, ging er einen andern hervorragenden Kunstgenossen darum um. Er selbst kam niemals in Verlegen¬ heit — er verstand alles und er wußte alles geschickt und geistreich zu machen, natürlich in dein Maßstabe, durch welchen seine malerischen und zeichnerische!? Fähigkeiten von vornherein begrenzt waren. Nach der Malerei großen Stils, nach Altarbildern und umfangreichen Historien strebte er nicht. Er hat, soviel Nur wissen, niemals einen Versuch gemacht, sich über das ihm von der Natur verliehene Körpermaß emporznrecken. Aber er hat die Genugthuung gehabt, daß selbst Männer, denen eine so breite und gewaltige Pinselführung zu eigen war wie Rubens, zu seiner feinen und überaus sorgsamen Durchführung herab¬ fliegen und sich dem Stile des fleißigen Miniaturenmalers anpaßten. Wir dürfen diese Kvmpagniearbeiten, auf welche wir schon früher hingewiesen haben, keineswegs in dein idealen Lichte eines uneigennützigen Zusammenwirkens etwa zum Zwecke rein künstlerischer Befriedigung auffassen. Die Figurenmaler ließen sich von den Landschaftsmalern ihre Arbeit nach der Stückzahl vergüten. Wir wissen das ans mehreren Rechnungen, die uns aufbewahrt sind. Wir können sogar eine zitiren, welche uns ganz besonders interessirt. Wie Vrueghel sich seine Landschaften von andern Künstlern stafsiren ließ, so malte er auch selbst Figuren in fremde Landschaften hinein. Am 9. August 1613 sandte er an Ercole Biauchi, den schon erwähnten, dem Erzbischöfe nahestehenden Kunstfreund und Kunsthändler in Mailand, eine Rechnung ein, in welcher es heißt: Die Figuren in sechs Gemälden von Mvmper gemalt zu 25 Gulden das Glück.......................ISO Die vier Jahreszeiten, gemalt von Momper. . , die Figuren gemalt von meiner Hand zu 40 Gulden dus Stück............160, Nach unserm Gelde würden diese beiden Posten, ohne Berechnung der snthcr erfolgten Steigerung des Münzwertes, 307 und 320 Mark betragen, höchst ansehnliche Summen, wie denn Vrueghel stets auf den vorteilhaften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/311>, abgerufen am 29.06.2024.