Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Herzogtum Friedland.

Strebungen gehört sowohl die Stiftung des Gymnasiums als die des Augustiucr-
klosters. Schon in jenem Erlaß vom Jahre 1624 hatte Wallenstein der Stadt
zugesichert, die Augustiner würden eine höhere Schule aufrichten, vornehmlich,
um den Besuch fremder protestantischer Schulen zu verhindern, der in derselben
Zuschrift auch ausdrücklich verboten wurde. Gleichzeitig -- im Jahre 1627 --
erfolgte nun die Stiftung der Schule und des Klosters. Diesem wies der
Herzog eine jährliche Summe von 2000 Gulden als Beitrag zum Ban zu,
aber er verfügte auch zu seinen Gunsten über drei der Gemeinde gehörige
Dörfer und zwei ihrer Güter, ohne sie für diesen empfindlichen Verlust irgend¬
wie zu entschädigen.

So entstand das noch jetzt vorhandene und bis heute im Besitz des Ordens
verbliebene Augustinerkloster. Es steht am westlichen Ausgange der innern
Stadt, ein ansehnlicher Gebäudekomplex, an der Westseite die Kirche, daran
westwärts sich anschließend die lange einstöckige Front der Klostergebäude, nur
durch dorische Pfeiler zwischen je zwei Fenstern gegliedert. Die Kirche, ein
einschiffiger Bau, unter einem Tonnengewölbe, das von der Umfassungsmauer
etwas zurückspringt, auf jeder Langseite drei Bogen über korinthisch prvsilirten
Pfeilern, über ihnen und den Bogenfenstern, die sie einrahmen, drei kleinere
Bogenfenster, die mit Zwickeln in das Tonnengewölbe eingreifen, der Hochaltar
in halbrunder Apsis, das Ganze schlicht, aber würdig gehalten, ohne den bunten,
überladenen Aufputz des Jesuitenstils. An die innere Langseite der Kirche schließt
sich dann ein Hof, von einstöckigen Gebäuden umgeben, und jenseits von einem
zweiten schmälern Hofe, der sich nach hinten in den Klostergarten öffnet, betritt man
den Kreuzgang mit seinen Stationen und der heiligen Stiege aus höhnischem
Marmor, die zur Lorettokapelle führt. Zahlreiche Weihgeschenke zeugen von
der fortdauernden Verehrung, welche diese Stätte genießt, insbesondre ein ur¬
altes, wohl byzantinisches Marienbild, nud eine Marmortafel erinnert an einen
erst vor wenigen Jahren verstorbenen Augustiner als einen "unvergeßlichen
Lehrer." Deun erst seit dem Neubau des Gymnasiums hat die Gemeinde die
Anstalt aus der Verwaltung der Augustiner übernommen.

Sie hat im übrigen wenig Ursache, auf die Herrschaft des Wallensteinischen
Geschlechts mit Freuden zurückzublicken, denn der Herzog entzog ihr nicht nur ihren
Grundbesitz, sondern er bestätigte ihr auch ihre Privilegien uur zum Teil (1628)
und nahm ihr das einträglichste, die Braugerechtigkeit. Aber eben diese Stadt
verblieb allein von allen Orten des Herzogtums Friedland als Zubehör der
Herrschaft Neuschlvß der Witwe Wallensteins, der Gräfin Elisabeth Harrach, und
kam dann durch die Tochter derselben, Maria Elisabeth (das sehr unähnliche
Urbild zu Schillers Thekla!), an das gräfliche Halts Kaunitz, mit dem sie dann
lange und hartnäckige Kämpfe um ihre Gemeindefreiheit gefochten hat. Der
trotzige Bürgersinn, der sich darin entwickelte, ist, wie es scheint, wieder zum
Ausdruck gekommen bei der Errichtung des Kaiser-Josef-Denkmals (1882), das


Im Herzogtum Friedland.

Strebungen gehört sowohl die Stiftung des Gymnasiums als die des Augustiucr-
klosters. Schon in jenem Erlaß vom Jahre 1624 hatte Wallenstein der Stadt
zugesichert, die Augustiner würden eine höhere Schule aufrichten, vornehmlich,
um den Besuch fremder protestantischer Schulen zu verhindern, der in derselben
Zuschrift auch ausdrücklich verboten wurde. Gleichzeitig — im Jahre 1627 —
erfolgte nun die Stiftung der Schule und des Klosters. Diesem wies der
Herzog eine jährliche Summe von 2000 Gulden als Beitrag zum Ban zu,
aber er verfügte auch zu seinen Gunsten über drei der Gemeinde gehörige
Dörfer und zwei ihrer Güter, ohne sie für diesen empfindlichen Verlust irgend¬
wie zu entschädigen.

So entstand das noch jetzt vorhandene und bis heute im Besitz des Ordens
verbliebene Augustinerkloster. Es steht am westlichen Ausgange der innern
Stadt, ein ansehnlicher Gebäudekomplex, an der Westseite die Kirche, daran
westwärts sich anschließend die lange einstöckige Front der Klostergebäude, nur
durch dorische Pfeiler zwischen je zwei Fenstern gegliedert. Die Kirche, ein
einschiffiger Bau, unter einem Tonnengewölbe, das von der Umfassungsmauer
etwas zurückspringt, auf jeder Langseite drei Bogen über korinthisch prvsilirten
Pfeilern, über ihnen und den Bogenfenstern, die sie einrahmen, drei kleinere
Bogenfenster, die mit Zwickeln in das Tonnengewölbe eingreifen, der Hochaltar
in halbrunder Apsis, das Ganze schlicht, aber würdig gehalten, ohne den bunten,
überladenen Aufputz des Jesuitenstils. An die innere Langseite der Kirche schließt
sich dann ein Hof, von einstöckigen Gebäuden umgeben, und jenseits von einem
zweiten schmälern Hofe, der sich nach hinten in den Klostergarten öffnet, betritt man
den Kreuzgang mit seinen Stationen und der heiligen Stiege aus höhnischem
Marmor, die zur Lorettokapelle führt. Zahlreiche Weihgeschenke zeugen von
der fortdauernden Verehrung, welche diese Stätte genießt, insbesondre ein ur¬
altes, wohl byzantinisches Marienbild, nud eine Marmortafel erinnert an einen
erst vor wenigen Jahren verstorbenen Augustiner als einen „unvergeßlichen
Lehrer." Deun erst seit dem Neubau des Gymnasiums hat die Gemeinde die
Anstalt aus der Verwaltung der Augustiner übernommen.

Sie hat im übrigen wenig Ursache, auf die Herrschaft des Wallensteinischen
Geschlechts mit Freuden zurückzublicken, denn der Herzog entzog ihr nicht nur ihren
Grundbesitz, sondern er bestätigte ihr auch ihre Privilegien uur zum Teil (1628)
und nahm ihr das einträglichste, die Braugerechtigkeit. Aber eben diese Stadt
verblieb allein von allen Orten des Herzogtums Friedland als Zubehör der
Herrschaft Neuschlvß der Witwe Wallensteins, der Gräfin Elisabeth Harrach, und
kam dann durch die Tochter derselben, Maria Elisabeth (das sehr unähnliche
Urbild zu Schillers Thekla!), an das gräfliche Halts Kaunitz, mit dem sie dann
lange und hartnäckige Kämpfe um ihre Gemeindefreiheit gefochten hat. Der
trotzige Bürgersinn, der sich darin entwickelte, ist, wie es scheint, wieder zum
Ausdruck gekommen bei der Errichtung des Kaiser-Josef-Denkmals (1882), das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194916"/>
          <fw type="header" place="top"> Im Herzogtum Friedland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_783" prev="#ID_782"> Strebungen gehört sowohl die Stiftung des Gymnasiums als die des Augustiucr-<lb/>
klosters. Schon in jenem Erlaß vom Jahre 1624 hatte Wallenstein der Stadt<lb/>
zugesichert, die Augustiner würden eine höhere Schule aufrichten, vornehmlich,<lb/>
um den Besuch fremder protestantischer Schulen zu verhindern, der in derselben<lb/>
Zuschrift auch ausdrücklich verboten wurde. Gleichzeitig &#x2014; im Jahre 1627 &#x2014;<lb/>
erfolgte nun die Stiftung der Schule und des Klosters. Diesem wies der<lb/>
Herzog eine jährliche Summe von 2000 Gulden als Beitrag zum Ban zu,<lb/>
aber er verfügte auch zu seinen Gunsten über drei der Gemeinde gehörige<lb/>
Dörfer und zwei ihrer Güter, ohne sie für diesen empfindlichen Verlust irgend¬<lb/>
wie zu entschädigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_784"> So entstand das noch jetzt vorhandene und bis heute im Besitz des Ordens<lb/>
verbliebene Augustinerkloster. Es steht am westlichen Ausgange der innern<lb/>
Stadt, ein ansehnlicher Gebäudekomplex, an der Westseite die Kirche, daran<lb/>
westwärts sich anschließend die lange einstöckige Front der Klostergebäude, nur<lb/>
durch dorische Pfeiler zwischen je zwei Fenstern gegliedert. Die Kirche, ein<lb/>
einschiffiger Bau, unter einem Tonnengewölbe, das von der Umfassungsmauer<lb/>
etwas zurückspringt, auf jeder Langseite drei Bogen über korinthisch prvsilirten<lb/>
Pfeilern, über ihnen und den Bogenfenstern, die sie einrahmen, drei kleinere<lb/>
Bogenfenster, die mit Zwickeln in das Tonnengewölbe eingreifen, der Hochaltar<lb/>
in halbrunder Apsis, das Ganze schlicht, aber würdig gehalten, ohne den bunten,<lb/>
überladenen Aufputz des Jesuitenstils. An die innere Langseite der Kirche schließt<lb/>
sich dann ein Hof, von einstöckigen Gebäuden umgeben, und jenseits von einem<lb/>
zweiten schmälern Hofe, der sich nach hinten in den Klostergarten öffnet, betritt man<lb/>
den Kreuzgang mit seinen Stationen und der heiligen Stiege aus höhnischem<lb/>
Marmor, die zur Lorettokapelle führt. Zahlreiche Weihgeschenke zeugen von<lb/>
der fortdauernden Verehrung, welche diese Stätte genießt, insbesondre ein ur¬<lb/>
altes, wohl byzantinisches Marienbild, nud eine Marmortafel erinnert an einen<lb/>
erst vor wenigen Jahren verstorbenen Augustiner als einen &#x201E;unvergeßlichen<lb/>
Lehrer." Deun erst seit dem Neubau des Gymnasiums hat die Gemeinde die<lb/>
Anstalt aus der Verwaltung der Augustiner übernommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_785" next="#ID_786"> Sie hat im übrigen wenig Ursache, auf die Herrschaft des Wallensteinischen<lb/>
Geschlechts mit Freuden zurückzublicken, denn der Herzog entzog ihr nicht nur ihren<lb/>
Grundbesitz, sondern er bestätigte ihr auch ihre Privilegien uur zum Teil (1628)<lb/>
und nahm ihr das einträglichste, die Braugerechtigkeit. Aber eben diese Stadt<lb/>
verblieb allein von allen Orten des Herzogtums Friedland als Zubehör der<lb/>
Herrschaft Neuschlvß der Witwe Wallensteins, der Gräfin Elisabeth Harrach, und<lb/>
kam dann durch die Tochter derselben, Maria Elisabeth (das sehr unähnliche<lb/>
Urbild zu Schillers Thekla!), an das gräfliche Halts Kaunitz, mit dem sie dann<lb/>
lange und hartnäckige Kämpfe um ihre Gemeindefreiheit gefochten hat. Der<lb/>
trotzige Bürgersinn, der sich darin entwickelte, ist, wie es scheint, wieder zum<lb/>
Ausdruck gekommen bei der Errichtung des Kaiser-Josef-Denkmals (1882), das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] Im Herzogtum Friedland. Strebungen gehört sowohl die Stiftung des Gymnasiums als die des Augustiucr- klosters. Schon in jenem Erlaß vom Jahre 1624 hatte Wallenstein der Stadt zugesichert, die Augustiner würden eine höhere Schule aufrichten, vornehmlich, um den Besuch fremder protestantischer Schulen zu verhindern, der in derselben Zuschrift auch ausdrücklich verboten wurde. Gleichzeitig — im Jahre 1627 — erfolgte nun die Stiftung der Schule und des Klosters. Diesem wies der Herzog eine jährliche Summe von 2000 Gulden als Beitrag zum Ban zu, aber er verfügte auch zu seinen Gunsten über drei der Gemeinde gehörige Dörfer und zwei ihrer Güter, ohne sie für diesen empfindlichen Verlust irgend¬ wie zu entschädigen. So entstand das noch jetzt vorhandene und bis heute im Besitz des Ordens verbliebene Augustinerkloster. Es steht am westlichen Ausgange der innern Stadt, ein ansehnlicher Gebäudekomplex, an der Westseite die Kirche, daran westwärts sich anschließend die lange einstöckige Front der Klostergebäude, nur durch dorische Pfeiler zwischen je zwei Fenstern gegliedert. Die Kirche, ein einschiffiger Bau, unter einem Tonnengewölbe, das von der Umfassungsmauer etwas zurückspringt, auf jeder Langseite drei Bogen über korinthisch prvsilirten Pfeilern, über ihnen und den Bogenfenstern, die sie einrahmen, drei kleinere Bogenfenster, die mit Zwickeln in das Tonnengewölbe eingreifen, der Hochaltar in halbrunder Apsis, das Ganze schlicht, aber würdig gehalten, ohne den bunten, überladenen Aufputz des Jesuitenstils. An die innere Langseite der Kirche schließt sich dann ein Hof, von einstöckigen Gebäuden umgeben, und jenseits von einem zweiten schmälern Hofe, der sich nach hinten in den Klostergarten öffnet, betritt man den Kreuzgang mit seinen Stationen und der heiligen Stiege aus höhnischem Marmor, die zur Lorettokapelle führt. Zahlreiche Weihgeschenke zeugen von der fortdauernden Verehrung, welche diese Stätte genießt, insbesondre ein ur¬ altes, wohl byzantinisches Marienbild, nud eine Marmortafel erinnert an einen erst vor wenigen Jahren verstorbenen Augustiner als einen „unvergeßlichen Lehrer." Deun erst seit dem Neubau des Gymnasiums hat die Gemeinde die Anstalt aus der Verwaltung der Augustiner übernommen. Sie hat im übrigen wenig Ursache, auf die Herrschaft des Wallensteinischen Geschlechts mit Freuden zurückzublicken, denn der Herzog entzog ihr nicht nur ihren Grundbesitz, sondern er bestätigte ihr auch ihre Privilegien uur zum Teil (1628) und nahm ihr das einträglichste, die Braugerechtigkeit. Aber eben diese Stadt verblieb allein von allen Orten des Herzogtums Friedland als Zubehör der Herrschaft Neuschlvß der Witwe Wallensteins, der Gräfin Elisabeth Harrach, und kam dann durch die Tochter derselben, Maria Elisabeth (das sehr unähnliche Urbild zu Schillers Thekla!), an das gräfliche Halts Kaunitz, mit dem sie dann lange und hartnäckige Kämpfe um ihre Gemeindefreiheit gefochten hat. Der trotzige Bürgersinn, der sich darin entwickelte, ist, wie es scheint, wieder zum Ausdruck gekommen bei der Errichtung des Kaiser-Josef-Denkmals (1882), das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/240>, abgerufen am 28.06.2024.