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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Im Herzogtum Friedland.

jetzt keine deutsch-böhmische Stadt entbehren mag: das Bild des großen Kloster¬
zerstörers steht dem Augustinerkloster gerade gegenüber, jedenfalls ein nicht eben
rücksichtsvoll gewählter Platz.

Das Augustinerkloster hat von allen Wallensteinischen Stiftungen dieser
Art allein Bestand gehabt; wie sein Jcsuitenkollegium in Gitschin und seine
Walditzer Karthause längst aufgehoben wurden, so ist sein Kloster auf dem
Bösig, drei Meilen südöstlich von Leipa, seit einem Jahrhundert in Trümmer
gesunken. Wer jemals auf einem beherrschenden Punkte der nordböhmischen
Grenzgebirge gestanden hat, der hat auch die malerische Doppelphrcnnide des
Bösig (tschechisch ZZe^äW) gesehen. Die ganze Umgebung weit überragend und
auf Meilen beherrschend, ist der höhere, östliche Kegel, den eine tiefe, waldige
Schlucht von dem nur in der Wurzel mit ihm zusammenhängenden westlichen,
dem Teufelsberge, trennt, frühzeitig befestigt worden und erscheint als Burg
bereits 1185, gewöhnlich im Besitz der böhmischen Könige, von denen Karl IV.
oft hier geweilt hat. Die Hussiten zerstörten die Burg 1421, und nachdem sie
dann wiederhergestellt und nach mehrfachem Wechsel um die Berta übergegangen
war, erlitt sie noch einmal dasselbe Schicksal durch die siegreichen Ligisten im
Jahre 1621. Ein Jahr später kam der Berg an Wallenstein, der nun an die
Burg ein Augustinerkloster baute.

Man ersteigt die gewaltige Phonolithmasse auf gewundenem, rauhem Fels¬
wege an vielen Kalvarienstationen vorbei von dem südlich gelegenen Dorfe
Schloß-Bösig aus, dessen Gasthof "Zur Wallensteinshöhe" noch an seinen größten
Besitzer erinnert. Drei mächtige, im Spitzbogen aufgemauerte Thore führen
ins Innere der umfänglichen Ruinen. Aus Phonolith ausgemauert, scheinen
die finstern Massen wie mit dem Gesteine des Berges verwachsen. In tiefer
Einsamkeit liegen sie da, nur Mauerschwalben flattern aufgescheucht in den zer¬
fallenen Gewölben. Nur den südwestlichen Teil der Trümmer, halb auf dem
Abfalle hängend, bildet die Burg. Der Hof und das alte Zugangsthor zu
demselben ist halb verschüttet, aber auf der vollen Höhe ragt, an den Pallos
gelehnt, der uach Süden schaut, mächtig der Berchfrit auf, ein riesiger Rund¬
turm mit fünf Meter dicken Mauern. Zwischen ihn und die weiter östlich
liegende Burgkapelle stellte Wallenstein sein Kloster hinein, als einen lang¬
gestreckten, zweistöckigen Bau, mit der Außenfront nach Südosten, auf der Innen¬
seite nach dem Hofe zu anschließend den Kreuzgang, jenseits des Hofes die Kirche
und das Refektorium. Von diesen beiden stehen nur noch die Umfassungs¬
mauern, und auch die Wohngebäude sind längst dachlos geworden, doch ist die
Anlage noch deutlich zu erkennen. Die Zimmer des obern Stockes, alle ein-
fcnstrig, waren gewölbt, die des untern hatten nur eine Balkendecke. Noch
haftet hie und da der Mörtel an den Mauern, und vermorschte Balkenköpfe
stecken in der Wand, im Zimmer des Priors bemerkt man sogar noch Reste
von Malerei. Am besten erhalten und noch unter Dach ist die Burgkapelle,


Im Herzogtum Friedland.

jetzt keine deutsch-böhmische Stadt entbehren mag: das Bild des großen Kloster¬
zerstörers steht dem Augustinerkloster gerade gegenüber, jedenfalls ein nicht eben
rücksichtsvoll gewählter Platz.

Das Augustinerkloster hat von allen Wallensteinischen Stiftungen dieser
Art allein Bestand gehabt; wie sein Jcsuitenkollegium in Gitschin und seine
Walditzer Karthause längst aufgehoben wurden, so ist sein Kloster auf dem
Bösig, drei Meilen südöstlich von Leipa, seit einem Jahrhundert in Trümmer
gesunken. Wer jemals auf einem beherrschenden Punkte der nordböhmischen
Grenzgebirge gestanden hat, der hat auch die malerische Doppelphrcnnide des
Bösig (tschechisch ZZe^äW) gesehen. Die ganze Umgebung weit überragend und
auf Meilen beherrschend, ist der höhere, östliche Kegel, den eine tiefe, waldige
Schlucht von dem nur in der Wurzel mit ihm zusammenhängenden westlichen,
dem Teufelsberge, trennt, frühzeitig befestigt worden und erscheint als Burg
bereits 1185, gewöhnlich im Besitz der böhmischen Könige, von denen Karl IV.
oft hier geweilt hat. Die Hussiten zerstörten die Burg 1421, und nachdem sie
dann wiederhergestellt und nach mehrfachem Wechsel um die Berta übergegangen
war, erlitt sie noch einmal dasselbe Schicksal durch die siegreichen Ligisten im
Jahre 1621. Ein Jahr später kam der Berg an Wallenstein, der nun an die
Burg ein Augustinerkloster baute.

Man ersteigt die gewaltige Phonolithmasse auf gewundenem, rauhem Fels¬
wege an vielen Kalvarienstationen vorbei von dem südlich gelegenen Dorfe
Schloß-Bösig aus, dessen Gasthof „Zur Wallensteinshöhe" noch an seinen größten
Besitzer erinnert. Drei mächtige, im Spitzbogen aufgemauerte Thore führen
ins Innere der umfänglichen Ruinen. Aus Phonolith ausgemauert, scheinen
die finstern Massen wie mit dem Gesteine des Berges verwachsen. In tiefer
Einsamkeit liegen sie da, nur Mauerschwalben flattern aufgescheucht in den zer¬
fallenen Gewölben. Nur den südwestlichen Teil der Trümmer, halb auf dem
Abfalle hängend, bildet die Burg. Der Hof und das alte Zugangsthor zu
demselben ist halb verschüttet, aber auf der vollen Höhe ragt, an den Pallos
gelehnt, der uach Süden schaut, mächtig der Berchfrit auf, ein riesiger Rund¬
turm mit fünf Meter dicken Mauern. Zwischen ihn und die weiter östlich
liegende Burgkapelle stellte Wallenstein sein Kloster hinein, als einen lang¬
gestreckten, zweistöckigen Bau, mit der Außenfront nach Südosten, auf der Innen¬
seite nach dem Hofe zu anschließend den Kreuzgang, jenseits des Hofes die Kirche
und das Refektorium. Von diesen beiden stehen nur noch die Umfassungs¬
mauern, und auch die Wohngebäude sind längst dachlos geworden, doch ist die
Anlage noch deutlich zu erkennen. Die Zimmer des obern Stockes, alle ein-
fcnstrig, waren gewölbt, die des untern hatten nur eine Balkendecke. Noch
haftet hie und da der Mörtel an den Mauern, und vermorschte Balkenköpfe
stecken in der Wand, im Zimmer des Priors bemerkt man sogar noch Reste
von Malerei. Am besten erhalten und noch unter Dach ist die Burgkapelle,


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[0241] Im Herzogtum Friedland. jetzt keine deutsch-böhmische Stadt entbehren mag: das Bild des großen Kloster¬ zerstörers steht dem Augustinerkloster gerade gegenüber, jedenfalls ein nicht eben rücksichtsvoll gewählter Platz. Das Augustinerkloster hat von allen Wallensteinischen Stiftungen dieser Art allein Bestand gehabt; wie sein Jcsuitenkollegium in Gitschin und seine Walditzer Karthause längst aufgehoben wurden, so ist sein Kloster auf dem Bösig, drei Meilen südöstlich von Leipa, seit einem Jahrhundert in Trümmer gesunken. Wer jemals auf einem beherrschenden Punkte der nordböhmischen Grenzgebirge gestanden hat, der hat auch die malerische Doppelphrcnnide des Bösig (tschechisch ZZe^äW) gesehen. Die ganze Umgebung weit überragend und auf Meilen beherrschend, ist der höhere, östliche Kegel, den eine tiefe, waldige Schlucht von dem nur in der Wurzel mit ihm zusammenhängenden westlichen, dem Teufelsberge, trennt, frühzeitig befestigt worden und erscheint als Burg bereits 1185, gewöhnlich im Besitz der böhmischen Könige, von denen Karl IV. oft hier geweilt hat. Die Hussiten zerstörten die Burg 1421, und nachdem sie dann wiederhergestellt und nach mehrfachem Wechsel um die Berta übergegangen war, erlitt sie noch einmal dasselbe Schicksal durch die siegreichen Ligisten im Jahre 1621. Ein Jahr später kam der Berg an Wallenstein, der nun an die Burg ein Augustinerkloster baute. Man ersteigt die gewaltige Phonolithmasse auf gewundenem, rauhem Fels¬ wege an vielen Kalvarienstationen vorbei von dem südlich gelegenen Dorfe Schloß-Bösig aus, dessen Gasthof „Zur Wallensteinshöhe" noch an seinen größten Besitzer erinnert. Drei mächtige, im Spitzbogen aufgemauerte Thore führen ins Innere der umfänglichen Ruinen. Aus Phonolith ausgemauert, scheinen die finstern Massen wie mit dem Gesteine des Berges verwachsen. In tiefer Einsamkeit liegen sie da, nur Mauerschwalben flattern aufgescheucht in den zer¬ fallenen Gewölben. Nur den südwestlichen Teil der Trümmer, halb auf dem Abfalle hängend, bildet die Burg. Der Hof und das alte Zugangsthor zu demselben ist halb verschüttet, aber auf der vollen Höhe ragt, an den Pallos gelehnt, der uach Süden schaut, mächtig der Berchfrit auf, ein riesiger Rund¬ turm mit fünf Meter dicken Mauern. Zwischen ihn und die weiter östlich liegende Burgkapelle stellte Wallenstein sein Kloster hinein, als einen lang¬ gestreckten, zweistöckigen Bau, mit der Außenfront nach Südosten, auf der Innen¬ seite nach dem Hofe zu anschließend den Kreuzgang, jenseits des Hofes die Kirche und das Refektorium. Von diesen beiden stehen nur noch die Umfassungs¬ mauern, und auch die Wohngebäude sind längst dachlos geworden, doch ist die Anlage noch deutlich zu erkennen. Die Zimmer des obern Stockes, alle ein- fcnstrig, waren gewölbt, die des untern hatten nur eine Balkendecke. Noch haftet hie und da der Mörtel an den Mauern, und vermorschte Balkenköpfe stecken in der Wand, im Zimmer des Priors bemerkt man sogar noch Reste von Malerei. Am besten erhalten und noch unter Dach ist die Burgkapelle,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/241>, abgerufen am 23.06.2024.