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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Im Herzogtum Fri>.'bläut.

auf den Gütern die Sorge für Züchtung von Kälbern und Ferkeln einzu¬
schärfen, wie er durch seine Brauereien auch für "einen Trunk guten Bieres"
sorgt. In der That muß das Herzogtum eine Reihe von Jahren hindurch
eine bedeutende Leistungsfähigkeit entwickelt haben, denn er ließ sich z, B, 1628
von dort 17 000 "Strich" Korn nach dem Halberstädtischen schicken und befahl
ebendmnals, in seinen Städten und Märkten 10 000 Paar Schuhe für das
Heer anfertigen zu lassen, auch für Tuchvorräte zu sorgen. Freilich fehlte es
nicht an Stcuerrückstäuden; sie beliefen sich im Jahre 1626 auf 250 000 Thaler
und vermehrten sich in den späteren Jahren unter dem Drucke des Krieges so,
daß Wallenstein nicht selten in peinliche Verlegenheit geriet und seine Beamten
zu scharfen Maßregeln antrieb, jn sie selbst wohl, heftig, wie er war, mit schweren
Strafen bedrohte. Sein Landeshauptmann Gerhard von Taxis hat sich diesen
dringenden Anforderungen sogar durch die Flucht zu entziehen gesucht, was er
mit Verlust seines im Herzogtum gelegenen Gutes bezahlte (November 1632).
Jedenfalls scheinen sich die Finanzen Wallensteins gegen das Ende seiner Lauf¬
bahn in vollständiger Verwirrung befunden zu haben, vielleicht ein Grund mehr
für ihn, nach einem Ausgleich mit den protestantischen Kurfürsten zu streben.

Wie Wallenstein innerlich zur Kirche stand, ist bekannt genug; als An¬
hänger der Astrologie war er Fatalist und hat der katholischen Lehre schwerlich
jemals anders als rein äußerlich gehuldigt. Doch kann von grundsätzlicher
Duldsamkeit andern Konfessionen gegenüber bei ihm ebensowenig die Rede sein.
Es bezeichnet ihn, daß er den Kalvinismus mit seiner durch und durch demo¬
kratisch-republikanischen Kirchenverfassung geradezu haßte. Die Kirche war ihm
ein Werkzeug zur Sicherung seiner Herrschaft, nichts weiter, und da für diesen
politischen Zweck die katholische bei weitem am meisten zu leisten schien, so hat
er sie auch in seinem Herzogtum zur alleinherrschenden gemacht. Seiner kon¬
fessionellen Gleichgiltigkeit lag fanatische Verfolgung Andersgläubiger allerdings
fern, er nahm bisweilen wohl auch persönliche Rücksicht, aber wenn er seine
Beamten zur Milde mahnte und sein Landeshauptmann gelegentlich einem über¬
eifriger Geistlichen die Verbrennung protestantischer Bücher verbot, so geschah
das nicht aus Duldsamkeit, sondern aus Vorsicht. Der Befehl: "Die Bürger
und Panem ungchütt ^ungchudelt^ zu lassen, bis der Adel aus dem Land sein
wird" (1628) charakterisier sein ganzes Verfahren am besten. Doch versuchte
er sein Ziel weniger durch rohe Gewaltmaßregeln zu erreichen, die doch nur
zu äußerlicher Unterwerfung führen konnten, als durch Ausbildung der kirchlichen
Institutionen, insbesondre durch Errichtung von Klöstern. So siedelte er die
Augustiner in Böhmisch-Leipa an, die Dominikaner und Kapuziner in Gitschin,
die Karthäuser in Walditz eine Stunde davon; den Jesuiten richtete er ein statt¬
liches Kolleg in Gitschin ein, ein zweites wollte er ihnen in Friedland gründen,
denn er legte den größten Wert auf ihre Wirksamkeit als Erzieher der Jugend
höherer Stände. In Gitschin machte er eine Stiftung für zwanzig junge Edel-


Im Herzogtum Fri>.'bläut.

auf den Gütern die Sorge für Züchtung von Kälbern und Ferkeln einzu¬
schärfen, wie er durch seine Brauereien auch für „einen Trunk guten Bieres"
sorgt. In der That muß das Herzogtum eine Reihe von Jahren hindurch
eine bedeutende Leistungsfähigkeit entwickelt haben, denn er ließ sich z, B, 1628
von dort 17 000 „Strich" Korn nach dem Halberstädtischen schicken und befahl
ebendmnals, in seinen Städten und Märkten 10 000 Paar Schuhe für das
Heer anfertigen zu lassen, auch für Tuchvorräte zu sorgen. Freilich fehlte es
nicht an Stcuerrückstäuden; sie beliefen sich im Jahre 1626 auf 250 000 Thaler
und vermehrten sich in den späteren Jahren unter dem Drucke des Krieges so,
daß Wallenstein nicht selten in peinliche Verlegenheit geriet und seine Beamten
zu scharfen Maßregeln antrieb, jn sie selbst wohl, heftig, wie er war, mit schweren
Strafen bedrohte. Sein Landeshauptmann Gerhard von Taxis hat sich diesen
dringenden Anforderungen sogar durch die Flucht zu entziehen gesucht, was er
mit Verlust seines im Herzogtum gelegenen Gutes bezahlte (November 1632).
Jedenfalls scheinen sich die Finanzen Wallensteins gegen das Ende seiner Lauf¬
bahn in vollständiger Verwirrung befunden zu haben, vielleicht ein Grund mehr
für ihn, nach einem Ausgleich mit den protestantischen Kurfürsten zu streben.

Wie Wallenstein innerlich zur Kirche stand, ist bekannt genug; als An¬
hänger der Astrologie war er Fatalist und hat der katholischen Lehre schwerlich
jemals anders als rein äußerlich gehuldigt. Doch kann von grundsätzlicher
Duldsamkeit andern Konfessionen gegenüber bei ihm ebensowenig die Rede sein.
Es bezeichnet ihn, daß er den Kalvinismus mit seiner durch und durch demo¬
kratisch-republikanischen Kirchenverfassung geradezu haßte. Die Kirche war ihm
ein Werkzeug zur Sicherung seiner Herrschaft, nichts weiter, und da für diesen
politischen Zweck die katholische bei weitem am meisten zu leisten schien, so hat
er sie auch in seinem Herzogtum zur alleinherrschenden gemacht. Seiner kon¬
fessionellen Gleichgiltigkeit lag fanatische Verfolgung Andersgläubiger allerdings
fern, er nahm bisweilen wohl auch persönliche Rücksicht, aber wenn er seine
Beamten zur Milde mahnte und sein Landeshauptmann gelegentlich einem über¬
eifriger Geistlichen die Verbrennung protestantischer Bücher verbot, so geschah
das nicht aus Duldsamkeit, sondern aus Vorsicht. Der Befehl: „Die Bürger
und Panem ungchütt ^ungchudelt^ zu lassen, bis der Adel aus dem Land sein
wird" (1628) charakterisier sein ganzes Verfahren am besten. Doch versuchte
er sein Ziel weniger durch rohe Gewaltmaßregeln zu erreichen, die doch nur
zu äußerlicher Unterwerfung führen konnten, als durch Ausbildung der kirchlichen
Institutionen, insbesondre durch Errichtung von Klöstern. So siedelte er die
Augustiner in Böhmisch-Leipa an, die Dominikaner und Kapuziner in Gitschin,
die Karthäuser in Walditz eine Stunde davon; den Jesuiten richtete er ein statt¬
liches Kolleg in Gitschin ein, ein zweites wollte er ihnen in Friedland gründen,
denn er legte den größten Wert auf ihre Wirksamkeit als Erzieher der Jugend
höherer Stände. In Gitschin machte er eine Stiftung für zwanzig junge Edel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/233>, abgerufen am 22.07.2024.