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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Lucia-Lundt.

zurückweise", daß er sich auf das englische Blnubuch vom August berief, nach
welchem die Grenze Natals vom Tugclaflusse und die des anstoßenden "reser-
virten Gebietes" (roservocl törritar^v), welches die Engländer nach dem Kriege
mit Tschctwäjo für sich abzweigten, vom Umblatnziflnsse gebildet wird, an dessen
Nordufer das freie Zululand beginne. Auf dieses habe England keinen An¬
spruch, und folglich auch keinen auf die Lucia-Bucht, die in diesem Gebiete liege.
Die Aufhissung der britischen Flagge auf seinem Grund und Boden erklärte
Lüderitz vor jenem Korrespondenten als eine Übereilung des Gouverneurs
Bulwer, die ohne Wissen der englischen Regierung erfolgt fein müsse. Er schloß
mit der Hoffnung, daß er das deutsche Protektorat über seine Besitzung um der
Lucia-Bucht umso bestimmter erhalten werde, als hier die Aufpflanzung der
britischen Flagge erst geraume Zeit nach dein Abschlüsse seiner Kaufvertrage
stattgefunden habe.

Nußer der Unabhängigkeit und vollen Dispvsitionsfähigkeit kommen bei
der Sache aber much noch andre Momente in Rechnung. Einige Tage vor dem,
um welchem die Verträge des Herrn Liideritz mit dem Könige Diniznln im
Auswärtigen Amte zu Berlin eintrafen, schrieb die "Nordd. Allg. Zeitung"
offenbar offiziös: "Die in der Presse verbreiteten Nachrichten über die Er¬
werbungen des Herrn Lüdcritz an der Lnein-Bai entbehren bisher jeder Be¬
stätigung durch amtliche Berichte. Zur Giltigkeit einer solchen Erwerbung und
zur Übertragung von Hoheitsrechten würde übrigens ein Vertrag mit den ein-
gebornen Häuptlingen nicht genügen; ein solcher würde der Zustimmung der
Boeren-Republik bedürfen, welche das Protektorat über das Znland übt. Außer¬
dem wäre das Verhältnis der letzteren zu England in Rechnung zu ziehen,
welches sich ein Bcstätignngsrecht für die von der Republik abzuschließenden
Verträge vorbehalten hat."

Viele Zeitungen, namentlich englische, haben diese Erklärung so angesehen,
als ob die Sache damit entschieden sein sollte und zwar zu gunsten der An¬
sprüche Englands, als ob, mit andern Worten gesagt, ein Verzicht Deutschlands
angekündigt würde. Wir meinen, ohne zwischen den Zeilen zu lesen, daß dies
keineswegs der Fall sei, und daß die, welche in England den Artikel mit Ge-
nugthuung begrüßt haben, den Tag vor dem Abende gelobt haben. Um die
Notiz des offiziösen Blattes recht zu verstehen, muß mau sich zuvörderst des
Vertrages erinnern, der, am 27. Februar v. I. zu London zwischen den
Führern und Bevollmächtigten der Boers im Norden des Vaal und Sir Her-
cules Robinson, dem Beauftragten der großbritannischen Regierung, abgeschlossen,
die Stellung der "südafrikanischen Republik" zu England bestimmte. Die
hierher gehörigen Artikel dieser Übereinkunft siud von den Grenzboten in
Nummer 2 d. I. mitgeteilt worden. Artikel 1 setzte Gebiet und Grenzen der
"südafrikanischen Republik" fest; dann hieß es im zweiten weiter: Die Re¬
gierung der "südafrikanischen Republik" wird sich streng an die im ersten


Die Lucia-Lundt.

zurückweise», daß er sich auf das englische Blnubuch vom August berief, nach
welchem die Grenze Natals vom Tugclaflusse und die des anstoßenden „reser-
virten Gebietes" (roservocl törritar^v), welches die Engländer nach dem Kriege
mit Tschctwäjo für sich abzweigten, vom Umblatnziflnsse gebildet wird, an dessen
Nordufer das freie Zululand beginne. Auf dieses habe England keinen An¬
spruch, und folglich auch keinen auf die Lucia-Bucht, die in diesem Gebiete liege.
Die Aufhissung der britischen Flagge auf seinem Grund und Boden erklärte
Lüderitz vor jenem Korrespondenten als eine Übereilung des Gouverneurs
Bulwer, die ohne Wissen der englischen Regierung erfolgt fein müsse. Er schloß
mit der Hoffnung, daß er das deutsche Protektorat über seine Besitzung um der
Lucia-Bucht umso bestimmter erhalten werde, als hier die Aufpflanzung der
britischen Flagge erst geraume Zeit nach dein Abschlüsse seiner Kaufvertrage
stattgefunden habe.

Nußer der Unabhängigkeit und vollen Dispvsitionsfähigkeit kommen bei
der Sache aber much noch andre Momente in Rechnung. Einige Tage vor dem,
um welchem die Verträge des Herrn Liideritz mit dem Könige Diniznln im
Auswärtigen Amte zu Berlin eintrafen, schrieb die „Nordd. Allg. Zeitung"
offenbar offiziös: „Die in der Presse verbreiteten Nachrichten über die Er¬
werbungen des Herrn Lüdcritz an der Lnein-Bai entbehren bisher jeder Be¬
stätigung durch amtliche Berichte. Zur Giltigkeit einer solchen Erwerbung und
zur Übertragung von Hoheitsrechten würde übrigens ein Vertrag mit den ein-
gebornen Häuptlingen nicht genügen; ein solcher würde der Zustimmung der
Boeren-Republik bedürfen, welche das Protektorat über das Znland übt. Außer¬
dem wäre das Verhältnis der letzteren zu England in Rechnung zu ziehen,
welches sich ein Bcstätignngsrecht für die von der Republik abzuschließenden
Verträge vorbehalten hat."

Viele Zeitungen, namentlich englische, haben diese Erklärung so angesehen,
als ob die Sache damit entschieden sein sollte und zwar zu gunsten der An¬
sprüche Englands, als ob, mit andern Worten gesagt, ein Verzicht Deutschlands
angekündigt würde. Wir meinen, ohne zwischen den Zeilen zu lesen, daß dies
keineswegs der Fall sei, und daß die, welche in England den Artikel mit Ge-
nugthuung begrüßt haben, den Tag vor dem Abende gelobt haben. Um die
Notiz des offiziösen Blattes recht zu verstehen, muß mau sich zuvörderst des
Vertrages erinnern, der, am 27. Februar v. I. zu London zwischen den
Führern und Bevollmächtigten der Boers im Norden des Vaal und Sir Her-
cules Robinson, dem Beauftragten der großbritannischen Regierung, abgeschlossen,
die Stellung der „südafrikanischen Republik" zu England bestimmte. Die
hierher gehörigen Artikel dieser Übereinkunft siud von den Grenzboten in
Nummer 2 d. I. mitgeteilt worden. Artikel 1 setzte Gebiet und Grenzen der
„südafrikanischen Republik" fest; dann hieß es im zweiten weiter: Die Re¬
gierung der „südafrikanischen Republik" wird sich streng an die im ersten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/179>, abgerufen am 22.07.2024.