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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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einzuverleiben? Wie verhält sich England zum Lande der Zulus, wie verhielt
es sich zu ihm nach dem Kriege mit Tschetwäjo? Zululand ist offenbar seit
dieser Zeit als selbständig und von England unabhängig, mithin als disposi¬
tionsfähig betrachtet worden. Vier volle Jahre hindurch haben die Engländer
jenes weite Gebiet sich selbst überlassen, Sie haben den Krieg zwischen dem
heimgekehrten Tschetwäjo und dem von ihnen eingesetzten Usipevn gestattet, des¬
gleichen deu gegen die Usntos, sie haben nichts gegen die Krönung Dinizulus
gethan und keinen Einspruch erhoben, als dieselbe erfolgt war, sie haben den
Missionären im Zulnlande keinerlei Schutz gewährt, als sie angegriffen und
geplündert wurden. Ihre angebliche Autorität war also, wenn irgend etwas,
nur ein wesenloser Schatten, der ihnen keinerlei Recht verleihen konnte; denn
ein Recht ohne Pflicht und deren Erfüllung ist in Kolonialsachen undenkbar
oder mindestens höchst streitig. Das von Lüderitz erworbene Recht aber scheint
schon nach dem, was allgemein bekannt ist, unanfechtbar zu sein. Auch in Eng¬
land scheint das im stillen anerkannt und nur von der Presse, besonders der
oppositionellen, noch mit Emphase in Abrede gestellt zu werden. Bezeichnend
war, daß Lüderitz in der zweiten Woche des Januar dieses Jahres in Berlin
ein Telegramm mit der Anfrage erhielt, um welchen Preis er ein bedeutendes
Stück des ihm gehörigen Gebietes an der Lucia-Bucht verkaufen würde. Es
seien Engländer zur Stelle, "die nicht feilschen wollten." Da er den Hinter¬
mann dieser Kauflustige", gewiß nicht mit Unrecht, in London vermutete, tele-
graphirte er als guter Patriot rasch entschlossen lind bündig zurück: Vor n">
priov!

Die "Frankfurter Zeitung" ließ sich vor kurzem aus Berlin schreiben, die
englische Regierung habe der deutschen mitgeteilt, gegen die Erwerbung des
Landes an der Lucia-Bucht durch Herrn Lüderitz sei nichts einzuwenden, da¬
gegen könne sie nicht zugeben, daß diese Erwerbung uuter das Protektorat des
deutschen Reiches gestellt werde; denn dieser Landstrich stehe nnter dem Schlitze
Englands, "welches seit einundvierzig Jahren einen unbestrittenen Vesitztitel und
unbestrittene Hoheitsrechte in den dortigen Gegenden ausübe." Wir wissen
nicht, ob diese Erklärung Thatsache ist, müssen sie aber schon ans den oben
angeführten Gründen und sodann schon auf Grund der Darlegung bezweifeln,
die Herr Lüderitz einem Korrespondenten des LtÄmKM entwickelt hat. Die Herren
Lüderitz und Schiel haben nämlich, wie angedeutet, vor etwa zehn Tagen dem
deutschen Auswärtigen Amte die Originale sowie die Kopien der mit dem Kö¬
nige der Zulus abgeschlossenen Kaufvertrage hinsichtlich der Lucia-Bucht über¬
geben, und in diesen wird sie mit Einschluß eines beträchtlichen Landkomplexcs
i" der Weise an Lüderitz abgetreten, daß die betreffende Erwerbung alle Hoheits¬
rechte einschließt, das dem Herrn Luderitz überlassene Territorium also als fortan
außerhalb des Zulnlandes liegend betrachtet wird. Ferner aber konnte der
jetzige Besitzer der Bucht die obenerwähnten englischen Einwendungen damit


einzuverleiben? Wie verhält sich England zum Lande der Zulus, wie verhielt
es sich zu ihm nach dem Kriege mit Tschetwäjo? Zululand ist offenbar seit
dieser Zeit als selbständig und von England unabhängig, mithin als disposi¬
tionsfähig betrachtet worden. Vier volle Jahre hindurch haben die Engländer
jenes weite Gebiet sich selbst überlassen, Sie haben den Krieg zwischen dem
heimgekehrten Tschetwäjo und dem von ihnen eingesetzten Usipevn gestattet, des¬
gleichen deu gegen die Usntos, sie haben nichts gegen die Krönung Dinizulus
gethan und keinen Einspruch erhoben, als dieselbe erfolgt war, sie haben den
Missionären im Zulnlande keinerlei Schutz gewährt, als sie angegriffen und
geplündert wurden. Ihre angebliche Autorität war also, wenn irgend etwas,
nur ein wesenloser Schatten, der ihnen keinerlei Recht verleihen konnte; denn
ein Recht ohne Pflicht und deren Erfüllung ist in Kolonialsachen undenkbar
oder mindestens höchst streitig. Das von Lüderitz erworbene Recht aber scheint
schon nach dem, was allgemein bekannt ist, unanfechtbar zu sein. Auch in Eng¬
land scheint das im stillen anerkannt und nur von der Presse, besonders der
oppositionellen, noch mit Emphase in Abrede gestellt zu werden. Bezeichnend
war, daß Lüderitz in der zweiten Woche des Januar dieses Jahres in Berlin
ein Telegramm mit der Anfrage erhielt, um welchen Preis er ein bedeutendes
Stück des ihm gehörigen Gebietes an der Lucia-Bucht verkaufen würde. Es
seien Engländer zur Stelle, „die nicht feilschen wollten." Da er den Hinter¬
mann dieser Kauflustige», gewiß nicht mit Unrecht, in London vermutete, tele-
graphirte er als guter Patriot rasch entschlossen lind bündig zurück: Vor n«>
priov!

Die „Frankfurter Zeitung" ließ sich vor kurzem aus Berlin schreiben, die
englische Regierung habe der deutschen mitgeteilt, gegen die Erwerbung des
Landes an der Lucia-Bucht durch Herrn Lüderitz sei nichts einzuwenden, da¬
gegen könne sie nicht zugeben, daß diese Erwerbung uuter das Protektorat des
deutschen Reiches gestellt werde; denn dieser Landstrich stehe nnter dem Schlitze
Englands, „welches seit einundvierzig Jahren einen unbestrittenen Vesitztitel und
unbestrittene Hoheitsrechte in den dortigen Gegenden ausübe." Wir wissen
nicht, ob diese Erklärung Thatsache ist, müssen sie aber schon ans den oben
angeführten Gründen und sodann schon auf Grund der Darlegung bezweifeln,
die Herr Lüderitz einem Korrespondenten des LtÄmKM entwickelt hat. Die Herren
Lüderitz und Schiel haben nämlich, wie angedeutet, vor etwa zehn Tagen dem
deutschen Auswärtigen Amte die Originale sowie die Kopien der mit dem Kö¬
nige der Zulus abgeschlossenen Kaufvertrage hinsichtlich der Lucia-Bucht über¬
geben, und in diesen wird sie mit Einschluß eines beträchtlichen Landkomplexcs
i» der Weise an Lüderitz abgetreten, daß die betreffende Erwerbung alle Hoheits¬
rechte einschließt, das dem Herrn Luderitz überlassene Territorium also als fortan
außerhalb des Zulnlandes liegend betrachtet wird. Ferner aber konnte der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/178>, abgerufen am 22.07.2024.