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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Natal herausgeben, und als er sich weigerte, kam es zum Kriege, in welchem
er zuerst siegreich war, aber zuletzt von Wolseley geschlagen und zum Gefangenen
gemacht wurde. Man brachte ihn nach England, ließ ihn aber nach einiger
Zeit frei. Er kehrte dann in das Znluland zurück, welches man in der Zwischen¬
zeit zwar nicht in britischen Besitz umgewandelt, aber nach dem Grundsatze
ckivickv se, irnxvr-r dadurch ungefährlich zu machen versucht hatte, daß man es
bis auf eine kleine reservirte Strecke in zwölf Stücke geteilt und an ebensoviele
Häuptlinge vergeben hatte. Dabei waren die Brüder Tschetwäjos bis auf den
mit England befreundeten Ohain, der bei seinen Landsleuten dieser Hinneigung
halber verhaßt war, unberücksichtigt geblieben, und ein an die "Südafrikanische
Republik" stoßendes Stück Gebiet war dem Häuptlinge Usipepu zugesprochen
worden. Tschetwäjo erkannte nach seiner Rückkehr diese neue Ordnung der Dinge
nicht an, und es kam zu einem Kampfe, der damit endigte, daß der Zulnkönig
in der Schlacht bei Ulnndi überwunden und so schwer verwundet wurde, daß
er bald unchher auf der Flucht starb. Zuvor aber legte er im Beisein seiner
vornehmsten Häuptlinge die Negierung des Landes in die Hände seines Sohnes
Dinizulu nieder, der sie übernahm und bis jetzt geführt hat, nachdem er Usipepn
mit Hilfe von Boers besiegt und zur Flucht genötigt hatte. Dinizulu machte
den Anführer der Boers, einen Deutschen namens Adolf Schiel, der vorher als
Farmer in der "südafrikanischen Republik" gelebt und dort einen Beamten¬
posten bekleidet hatte, zu seinem obersten Rate, trat den Boers eine Strecke
Landes ab, welche die eingerückten Hilfstruppen in eine neue Republik ver¬
wandelten, und erkannte im Einvernehmen mit seinem Kronrate die Schntzherr-
schnft der "südafrikanischen Republik" über Zulnland um. Zu gleicher Zeit
schloß er mit Herrn Lüderitz durch einen deutschen Vermittler einen Vertrag
ab, durch den er die ihm gehörige Lucia-Bucht und ein daran gelegenes Stück
Land dem Bremer Kaufmann zum Eigentum überließ. Auch dieser Vertrag
wurde dem Kronrate des Königs vorgelegt und von diesem genehmigt. Das
betreffende Dokument befindet sich gegenwärtig im Auswärtigen Amte zu Berlin,
über seine Bestimmungen ist noch nichts in die Öffentlichkeit gelangt, es wird
indes versichert, daß seine Giltigkeit rechtlich nicht anzufechten sei. Die Fahne,
welche Bulwer, der Gouverneur von Natal, an der Lucia-Bucht aufgepflanzt
hat, würde in diesem Falle auf Befehl der Neichöregierung in London als
oberster Behörde zu entfernen sein.

Die englische Presse will davon allerdings nichts wissen. Sie behauptet
ein Recht Englands auf die Oberherrlichkeit über alle Küstengebiete Südafrikas
vom Orcmjeflusse bis zur Delagoa-Bau, also auch über Zululand, und zwar
soll dieses Recht schon seit langer Zeit, man sagt, seit mehr als vierzig
Jahren, bestehen. Dabei kommen jedoch zunächst folgende Fragen in Betracht.
Weshalb pflanzte man jene Flagge erst nach dem Lüdcritzschcn Vertrage mit
Dinizulu auf? Warum fand man nötig, erst vor einigen Wochen Pondolcmd


Natal herausgeben, und als er sich weigerte, kam es zum Kriege, in welchem
er zuerst siegreich war, aber zuletzt von Wolseley geschlagen und zum Gefangenen
gemacht wurde. Man brachte ihn nach England, ließ ihn aber nach einiger
Zeit frei. Er kehrte dann in das Znluland zurück, welches man in der Zwischen¬
zeit zwar nicht in britischen Besitz umgewandelt, aber nach dem Grundsatze
ckivickv se, irnxvr-r dadurch ungefährlich zu machen versucht hatte, daß man es
bis auf eine kleine reservirte Strecke in zwölf Stücke geteilt und an ebensoviele
Häuptlinge vergeben hatte. Dabei waren die Brüder Tschetwäjos bis auf den
mit England befreundeten Ohain, der bei seinen Landsleuten dieser Hinneigung
halber verhaßt war, unberücksichtigt geblieben, und ein an die „Südafrikanische
Republik" stoßendes Stück Gebiet war dem Häuptlinge Usipepu zugesprochen
worden. Tschetwäjo erkannte nach seiner Rückkehr diese neue Ordnung der Dinge
nicht an, und es kam zu einem Kampfe, der damit endigte, daß der Zulnkönig
in der Schlacht bei Ulnndi überwunden und so schwer verwundet wurde, daß
er bald unchher auf der Flucht starb. Zuvor aber legte er im Beisein seiner
vornehmsten Häuptlinge die Negierung des Landes in die Hände seines Sohnes
Dinizulu nieder, der sie übernahm und bis jetzt geführt hat, nachdem er Usipepn
mit Hilfe von Boers besiegt und zur Flucht genötigt hatte. Dinizulu machte
den Anführer der Boers, einen Deutschen namens Adolf Schiel, der vorher als
Farmer in der „südafrikanischen Republik" gelebt und dort einen Beamten¬
posten bekleidet hatte, zu seinem obersten Rate, trat den Boers eine Strecke
Landes ab, welche die eingerückten Hilfstruppen in eine neue Republik ver¬
wandelten, und erkannte im Einvernehmen mit seinem Kronrate die Schntzherr-
schnft der „südafrikanischen Republik" über Zulnland um. Zu gleicher Zeit
schloß er mit Herrn Lüderitz durch einen deutschen Vermittler einen Vertrag
ab, durch den er die ihm gehörige Lucia-Bucht und ein daran gelegenes Stück
Land dem Bremer Kaufmann zum Eigentum überließ. Auch dieser Vertrag
wurde dem Kronrate des Königs vorgelegt und von diesem genehmigt. Das
betreffende Dokument befindet sich gegenwärtig im Auswärtigen Amte zu Berlin,
über seine Bestimmungen ist noch nichts in die Öffentlichkeit gelangt, es wird
indes versichert, daß seine Giltigkeit rechtlich nicht anzufechten sei. Die Fahne,
welche Bulwer, der Gouverneur von Natal, an der Lucia-Bucht aufgepflanzt
hat, würde in diesem Falle auf Befehl der Neichöregierung in London als
oberster Behörde zu entfernen sein.

Die englische Presse will davon allerdings nichts wissen. Sie behauptet
ein Recht Englands auf die Oberherrlichkeit über alle Küstengebiete Südafrikas
vom Orcmjeflusse bis zur Delagoa-Bau, also auch über Zululand, und zwar
soll dieses Recht schon seit langer Zeit, man sagt, seit mehr als vierzig
Jahren, bestehen. Dabei kommen jedoch zunächst folgende Fragen in Betracht.
Weshalb pflanzte man jene Flagge erst nach dem Lüdcritzschcn Vertrage mit
Dinizulu auf? Warum fand man nötig, erst vor einigen Wochen Pondolcmd


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/177>, abgerufen am 22.07.2024.