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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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schon -- vielleicht etwas vorschnell -- ein die Möglichkeit gedacht worden, daß
sich hier der erste Punkt, das Anfangsglied einer Kette nichtenglischer Gebiete
bilden könnte, zu welcher sich deutsche Besitzungen mit den Republiken der Boers
südlich und nördlich vom Vaal zusammenzuschließen bestimmt wären, und welche,
an der Lucia-Bucht beginnend, im Osten und Norden um das südafrikanische
Besitztum der Engländer herumreichend und an der Bucht von Angra Peauena
endigend, vom Indischen bis zum Atlantischen Meere gehen würde.

Wir sehen für jetzt von diesen Spekulationen ab und sprechen einfach von
den Thatsachen, soweit sie sich mitteilen oder andeuten lassen. Mit Recht ist
darauf hingewiesen worden, daß dem vaterländischen Interesse hier am besten
gedient wird, wenn man vorsichtig von der Sache spricht und sich des Ein¬
gehens auf gewisse Details enthält, bis es Zeit ist, sie zu veröffentlichen. In¬
folge dessen stellen wir vorläufig uur Bekanntgewordenes zusammen, was sich
in die Worte zusammenfaßt: Der ErWerber von Angra Peqnena und Zubehör
hat auch die Lucia-Bucht in seinen Besitz gebracht, und andrerseits ist später
auf Befehl des Gouverneurs von Natal, Herrn Bulwer, die englische Flagge
dort aufgehißt worden; die großbritannische Regierung aber wird diesen vor¬
eiligen Schritt nicht gutheißen können, wenn Recht bei ihr Recht ist, und so
wird jene Flagge vermutlich nicht lange mehr in den Winden der Lucia-Bucht
wehen, auch wenn ihre Entfernung in London mit einiger Verlegenheit ver¬
bunden sein sollte.

Die Zulus oder Amazulus sind ein von Norden her in ihre jetzigen Wohn¬
sitze eingezogenes Volk, das auch in dein benachbarten Natal in großer Zahl
vertreten ist. In manchen Beziehungen verschieden von den Betschuanen des
Kalaharilandes westlich von der "südafrikanischen Republik," sowie von den Hotten¬
totten im Hinterkante von Angra Pequeua, gehören sie ihrer Sprache nach
derselben Völkergruppe an, welcher die Dnalla am Kamerun und die Stämme
am untern Laufe des Kongo zugerechnet werden. Unter kriegerischen Königen
konzentrirten sie ihre Kraft, organisirten sie und überwanden mit ihr die nie¬
driger stehenden Nachbarn. Der Begründer ihrer Wehrverfasfung war der König
Tschcikci, welcher die Krieger der Nation zu Regimentern formirte, deren Sol¬
daten, um für Feldzüge geeigneter zu bleiben, nicht heiraten durften, und weite
Länderstrecken eroberte. Nach ihm herrschte über das Volk der König Dingcmn,
der mit den Boers jenseits des Vaal auf gutem Fuße stand und um geringen
Preis große Gebiete an sie verkaufte. Tschetwüjo, sein Sohn, war dagegen
andrer Meinung; er betrachtete die Boers als eine Gefahr und neigte sich an¬
fangs den Engländern zu, die gleichfalls die wachsende Macht der holländischen
Ansiedler mit argwöhnischen Augen ansahen und sie im Bunde mit den Zulus
zu bekriegen beabsichtigten, zu welchem Zwecke sie den Zulus Waffen lieferten.
Als das Transvaalland den britischen Besitzungen einverleibt worden war, sollte
Tschetwüjo diese Waffen, mit denen er jetzt selbst eine Gefahr bildete, wieder an


schon — vielleicht etwas vorschnell — ein die Möglichkeit gedacht worden, daß
sich hier der erste Punkt, das Anfangsglied einer Kette nichtenglischer Gebiete
bilden könnte, zu welcher sich deutsche Besitzungen mit den Republiken der Boers
südlich und nördlich vom Vaal zusammenzuschließen bestimmt wären, und welche,
an der Lucia-Bucht beginnend, im Osten und Norden um das südafrikanische
Besitztum der Engländer herumreichend und an der Bucht von Angra Peauena
endigend, vom Indischen bis zum Atlantischen Meere gehen würde.

Wir sehen für jetzt von diesen Spekulationen ab und sprechen einfach von
den Thatsachen, soweit sie sich mitteilen oder andeuten lassen. Mit Recht ist
darauf hingewiesen worden, daß dem vaterländischen Interesse hier am besten
gedient wird, wenn man vorsichtig von der Sache spricht und sich des Ein¬
gehens auf gewisse Details enthält, bis es Zeit ist, sie zu veröffentlichen. In¬
folge dessen stellen wir vorläufig uur Bekanntgewordenes zusammen, was sich
in die Worte zusammenfaßt: Der ErWerber von Angra Peqnena und Zubehör
hat auch die Lucia-Bucht in seinen Besitz gebracht, und andrerseits ist später
auf Befehl des Gouverneurs von Natal, Herrn Bulwer, die englische Flagge
dort aufgehißt worden; die großbritannische Regierung aber wird diesen vor¬
eiligen Schritt nicht gutheißen können, wenn Recht bei ihr Recht ist, und so
wird jene Flagge vermutlich nicht lange mehr in den Winden der Lucia-Bucht
wehen, auch wenn ihre Entfernung in London mit einiger Verlegenheit ver¬
bunden sein sollte.

Die Zulus oder Amazulus sind ein von Norden her in ihre jetzigen Wohn¬
sitze eingezogenes Volk, das auch in dein benachbarten Natal in großer Zahl
vertreten ist. In manchen Beziehungen verschieden von den Betschuanen des
Kalaharilandes westlich von der „südafrikanischen Republik," sowie von den Hotten¬
totten im Hinterkante von Angra Pequeua, gehören sie ihrer Sprache nach
derselben Völkergruppe an, welcher die Dnalla am Kamerun und die Stämme
am untern Laufe des Kongo zugerechnet werden. Unter kriegerischen Königen
konzentrirten sie ihre Kraft, organisirten sie und überwanden mit ihr die nie¬
driger stehenden Nachbarn. Der Begründer ihrer Wehrverfasfung war der König
Tschcikci, welcher die Krieger der Nation zu Regimentern formirte, deren Sol¬
daten, um für Feldzüge geeigneter zu bleiben, nicht heiraten durften, und weite
Länderstrecken eroberte. Nach ihm herrschte über das Volk der König Dingcmn,
der mit den Boers jenseits des Vaal auf gutem Fuße stand und um geringen
Preis große Gebiete an sie verkaufte. Tschetwüjo, sein Sohn, war dagegen
andrer Meinung; er betrachtete die Boers als eine Gefahr und neigte sich an¬
fangs den Engländern zu, die gleichfalls die wachsende Macht der holländischen
Ansiedler mit argwöhnischen Augen ansahen und sie im Bunde mit den Zulus
zu bekriegen beabsichtigten, zu welchem Zwecke sie den Zulus Waffen lieferten.
Als das Transvaalland den britischen Besitzungen einverleibt worden war, sollte
Tschetwüjo diese Waffen, mit denen er jetzt selbst eine Gefahr bildete, wieder an


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[0176] schon — vielleicht etwas vorschnell — ein die Möglichkeit gedacht worden, daß sich hier der erste Punkt, das Anfangsglied einer Kette nichtenglischer Gebiete bilden könnte, zu welcher sich deutsche Besitzungen mit den Republiken der Boers südlich und nördlich vom Vaal zusammenzuschließen bestimmt wären, und welche, an der Lucia-Bucht beginnend, im Osten und Norden um das südafrikanische Besitztum der Engländer herumreichend und an der Bucht von Angra Peauena endigend, vom Indischen bis zum Atlantischen Meere gehen würde. Wir sehen für jetzt von diesen Spekulationen ab und sprechen einfach von den Thatsachen, soweit sie sich mitteilen oder andeuten lassen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß dem vaterländischen Interesse hier am besten gedient wird, wenn man vorsichtig von der Sache spricht und sich des Ein¬ gehens auf gewisse Details enthält, bis es Zeit ist, sie zu veröffentlichen. In¬ folge dessen stellen wir vorläufig uur Bekanntgewordenes zusammen, was sich in die Worte zusammenfaßt: Der ErWerber von Angra Peqnena und Zubehör hat auch die Lucia-Bucht in seinen Besitz gebracht, und andrerseits ist später auf Befehl des Gouverneurs von Natal, Herrn Bulwer, die englische Flagge dort aufgehißt worden; die großbritannische Regierung aber wird diesen vor¬ eiligen Schritt nicht gutheißen können, wenn Recht bei ihr Recht ist, und so wird jene Flagge vermutlich nicht lange mehr in den Winden der Lucia-Bucht wehen, auch wenn ihre Entfernung in London mit einiger Verlegenheit ver¬ bunden sein sollte. Die Zulus oder Amazulus sind ein von Norden her in ihre jetzigen Wohn¬ sitze eingezogenes Volk, das auch in dein benachbarten Natal in großer Zahl vertreten ist. In manchen Beziehungen verschieden von den Betschuanen des Kalaharilandes westlich von der „südafrikanischen Republik," sowie von den Hotten¬ totten im Hinterkante von Angra Pequeua, gehören sie ihrer Sprache nach derselben Völkergruppe an, welcher die Dnalla am Kamerun und die Stämme am untern Laufe des Kongo zugerechnet werden. Unter kriegerischen Königen konzentrirten sie ihre Kraft, organisirten sie und überwanden mit ihr die nie¬ driger stehenden Nachbarn. Der Begründer ihrer Wehrverfasfung war der König Tschcikci, welcher die Krieger der Nation zu Regimentern formirte, deren Sol¬ daten, um für Feldzüge geeigneter zu bleiben, nicht heiraten durften, und weite Länderstrecken eroberte. Nach ihm herrschte über das Volk der König Dingcmn, der mit den Boers jenseits des Vaal auf gutem Fuße stand und um geringen Preis große Gebiete an sie verkaufte. Tschetwüjo, sein Sohn, war dagegen andrer Meinung; er betrachtete die Boers als eine Gefahr und neigte sich an¬ fangs den Engländern zu, die gleichfalls die wachsende Macht der holländischen Ansiedler mit argwöhnischen Augen ansahen und sie im Bunde mit den Zulus zu bekriegen beabsichtigten, zu welchem Zwecke sie den Zulus Waffen lieferten. Als das Transvaalland den britischen Besitzungen einverleibt worden war, sollte Tschetwüjo diese Waffen, mit denen er jetzt selbst eine Gefahr bildete, wieder an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/176>, abgerufen am 22.07.2024.