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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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sauer Werken bilden die Kalender, deren wir bis jetzt fünf nachweisen rönnen.
Der erste wurde von dem Wiener Mathematiker und Professor Johann von
Gmünden verfaßt und enthält als figürlichen Schmuck sogenannte Monatsbilder,
worin die verschiednen Beschäftigungen vorgeführt werden, wie sie jedem einzelnen
Monat eigentümlich sind. Den ersten Januar feiert mau durch festliches Mahl,
im Februar wärmt man sich am Feuer, im März wird der Boden gehackt, im
April das Getreide gesäet, im Mai sitzen die Liebespärchen unter den blühenden
Linden, im Juni wird geankert, im Juli gemäht, im August das Getreide ge¬
schnitten, im September der Wein gekeltert, im Oktober das Obst abgenommen,
im November Holz gehackt, im Dezember das Schwein geschlachtet. Der zweite
Kalender ist der des Magisters Johannes Regiomontanus; er enthält einund-
dreißig ganz in Holz geschnittene Tafeln, während ein dritter unter dem Namen
"Folge der sieben Planeten" bekannt ist und außer einem Kalender auch die
Abbildungen der Planeten Sol, Luna, Saturnus, Juppiter, Mars, Venus und
Mereurius giebt.

Zu deu Kalendern kommen verschiedne andre kleinere profane Werkchen.
Das erste ist ein Totentanz, welcher in der im Mittelalter beliebten Weise den
Tod vorführt, wie er unter allerlei Gestalt mit den Menschen ans allen Ständen
und Lebensaltern tanzt und sie zum Grabe leitet. Ein zweites aus zwölf
Folioblättern bestehendes und mit neun Holzschnitten geschmücktes Buch behan¬
delt die Fabel vom kranken Löwen, einen dem Fabelkreise des Reineke Fuchs
entnommenen Stoff. Ferner gehören hierher die "Acht Schalkheiten," worin
auf acht Blättern der Unterhändler, der Lügner, der Betrüger, der falsche Gold¬
schmied, der betrügerische Kaufmann, der Kirchendieb, der betrügerische Seiler
und der Eisen für Stahl verlaufende Grobschmied vom Dichter vorgeführt
werden. Auch kleine Neisebücher erschienen schon. Ein solches ist das zwei-
uudneunzig Blätter enthaltende, zum Gebrauche der deutschen nach Rom wall¬
fahrenden Pilger verfaßte "Geistliche und weltliche Rom." Zuerst wird darin
das alte Rom behandelt. Ein Holzschnitt zeigt Rhea Silvia, wie sie vor einem
kleinen Tempel betet, davor die Wölfin mit den Zwillingen Romulus und Remus.
Dann kommen andre Erzählungen aus der antiken Geschichte, die mit rührender
Naivetät vorgetragen werden. Besonders breit wird die Geschichte von Marcus
Curtius, hier Martin genannt, behandelt, der sich erbietet, in den Abgrund zu
springen, aber nur, wenn man ihm "sein muthwillen wollt lassen esu jar mit
welcher frawen er wolt zu slaffen." Darauf folgt die Schilderung des geist¬
lichen Roms, die Angabe des Ablasses, den man durch das Gebet bei den sieben
Hauptkirchen Roms erhalten kann, ein Verzeichnis der kleinern Kirchen u. a.
Von der Kapelle Sancta Sanctorum wird erzählt, daß in ihr einstens die
Engel Gottes den Altar ausgeschmückt, Sankt Peter in päpstlichen Ornate die
Messe gelesen und Christus dieser in seiner ganzen Majestät beigewohnt habe.
Dort befinde sich auch das vom heiligen Lukas auf Bitten der Jungfrau


sauer Werken bilden die Kalender, deren wir bis jetzt fünf nachweisen rönnen.
Der erste wurde von dem Wiener Mathematiker und Professor Johann von
Gmünden verfaßt und enthält als figürlichen Schmuck sogenannte Monatsbilder,
worin die verschiednen Beschäftigungen vorgeführt werden, wie sie jedem einzelnen
Monat eigentümlich sind. Den ersten Januar feiert mau durch festliches Mahl,
im Februar wärmt man sich am Feuer, im März wird der Boden gehackt, im
April das Getreide gesäet, im Mai sitzen die Liebespärchen unter den blühenden
Linden, im Juni wird geankert, im Juli gemäht, im August das Getreide ge¬
schnitten, im September der Wein gekeltert, im Oktober das Obst abgenommen,
im November Holz gehackt, im Dezember das Schwein geschlachtet. Der zweite
Kalender ist der des Magisters Johannes Regiomontanus; er enthält einund-
dreißig ganz in Holz geschnittene Tafeln, während ein dritter unter dem Namen
„Folge der sieben Planeten" bekannt ist und außer einem Kalender auch die
Abbildungen der Planeten Sol, Luna, Saturnus, Juppiter, Mars, Venus und
Mereurius giebt.

Zu deu Kalendern kommen verschiedne andre kleinere profane Werkchen.
Das erste ist ein Totentanz, welcher in der im Mittelalter beliebten Weise den
Tod vorführt, wie er unter allerlei Gestalt mit den Menschen ans allen Ständen
und Lebensaltern tanzt und sie zum Grabe leitet. Ein zweites aus zwölf
Folioblättern bestehendes und mit neun Holzschnitten geschmücktes Buch behan¬
delt die Fabel vom kranken Löwen, einen dem Fabelkreise des Reineke Fuchs
entnommenen Stoff. Ferner gehören hierher die „Acht Schalkheiten," worin
auf acht Blättern der Unterhändler, der Lügner, der Betrüger, der falsche Gold¬
schmied, der betrügerische Kaufmann, der Kirchendieb, der betrügerische Seiler
und der Eisen für Stahl verlaufende Grobschmied vom Dichter vorgeführt
werden. Auch kleine Neisebücher erschienen schon. Ein solches ist das zwei-
uudneunzig Blätter enthaltende, zum Gebrauche der deutschen nach Rom wall¬
fahrenden Pilger verfaßte „Geistliche und weltliche Rom." Zuerst wird darin
das alte Rom behandelt. Ein Holzschnitt zeigt Rhea Silvia, wie sie vor einem
kleinen Tempel betet, davor die Wölfin mit den Zwillingen Romulus und Remus.
Dann kommen andre Erzählungen aus der antiken Geschichte, die mit rührender
Naivetät vorgetragen werden. Besonders breit wird die Geschichte von Marcus
Curtius, hier Martin genannt, behandelt, der sich erbietet, in den Abgrund zu
springen, aber nur, wenn man ihm „sein muthwillen wollt lassen esu jar mit
welcher frawen er wolt zu slaffen." Darauf folgt die Schilderung des geist¬
lichen Roms, die Angabe des Ablasses, den man durch das Gebet bei den sieben
Hauptkirchen Roms erhalten kann, ein Verzeichnis der kleinern Kirchen u. a.
Von der Kapelle Sancta Sanctorum wird erzählt, daß in ihr einstens die
Engel Gottes den Altar ausgeschmückt, Sankt Peter in päpstlichen Ornate die
Messe gelesen und Christus dieser in seiner ganzen Majestät beigewohnt habe.
Dort befinde sich auch das vom heiligen Lukas auf Bitten der Jungfrau


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/147>, abgerufen am 22.07.2024.