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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Der Buchdruck vor Gntmiberg.

können. Die Gründe, welche angeführt werden, sind von rührender Einfalt.
Diomedes' Gesellen wurden Vögel, Circe konnte die Gefährten des Odysseus
in Tiere verwandeln, Claudia ein ganzes Schiff ans Land ziehen. Tnllia trug
in einem Siebe dus Wasser. Das Geicrweibchen gebiert Junge, ohne Eier zu
legen. Der Jspisvogcl, der sich getötet hat, bekommt neues Gefieder. Der
Phönix verjüngt sich im Feuer. Eine Eiche in Avernia trägt Trauben. In
Spanien gehen aus den Blüten eines Baumes Vögel hervor. Der Magnet¬
berg zieht Menschen an sich. Die Tauben empfangen in reinem und keuschem
Kusse. Danae wurde durch den Goldregen befruchtet. Ein Hirt wurde durch
einen Windstoß drei Meilen weit getragen. Der Pelikan erquickt mit seinem
Blute seine Jungen. Die Stuten in Kappadocien werden vom Winde befruchtet.
Das Einhorn paart sich mit Jungfrauen. Der Sonnenschein allein brütet Eier
aus. Ebenso wie alle diese Wunder möglich sind, meint der Verfasser, kounte
auch die Mutter Christi als Jungfrau gebären.

Daran schließen sich die freieren moralischen Werke, als deren wichtigstes
uns die ^rs inciritmell, die "Kunst zu Sterben," entgegentritt. Von den vier¬
undzwanzig Blättern derselben sind elf mit Bildern, elf mit Text, zwei mit dem
Vorwort bedruckt. Das Ganze stellt die fünf Versuchungen zur Ungeduld, zum
Unglauben, zur Verzweiflung, zur Eitelkeit und zum Geiz dar, durch welche der
Teufel sich um die Seele des Sterbenden bewirbt. Der Schutzengel hält dem
Bösen seine guten Eingebungen entgegen, die gleich den Einflüsterungen des
Satans auf bandartigen Sprnchzetteln im Bilde selbst angebracht sind. Der
Teufel rät dem Kranken, welcher im Todeskampfe verzweifelt: siorit xg-Mru,
intorlioms to ix8v,in, aber der Engel entgegnet: 8is ürmus in lläg. Und so
schließt das Buch mit der Niederlage des Teufels und dem Siege des Ster¬
benden. Die Teufel fliehen hinweg und rufen aus: () vioti sunrus, trnstrn,
l-idoiAvimus.

Ein zweites Buch dieser Klasse ist der aus acht Quartblättern bestehende
Beichtspiegel, das ^oirtössionalö, eine Anleitung, sich nach Maßgabe der zehn
Gebote gehörig zur Beichte vorzubereiten. Ein drittes aus acht Kleinoktav¬
blättern bestehendes Buch behandelt die sieben Todsünden Üppigkeit, Völlerei,
Hoffart, Zorn, Geiz, Trägheit und Neid. Den Abschluß macht das Lpöoulum
nnirmns.<z sg-los-tioins, der "Heilsspiegcl," eine Geschichte der Erlösung des Men¬
schengeschlechtes, die ihren Stoff der griechischen und römischen Literatur, dem
alten und neuen Testament, wie den Legenden und Volkstraditionen entlehnt.
Das Werk ähnelt der Armcnbibel, nur mit dem Unterschiede, daß der Text hier
nicht die Nebensache, sondern die Hauptsache ist. und gehört nur teilweise hierher,
weil es nur in einer Ausgabe zum Teil mit Holztafeln, in den andern schon
mit beweglichen Lettern gedruckt ist.

Wie sich aber die Kirche die neue Kunst dienstbar machte, so bemächtigte
sich ihrer auch das profane Leben. Eine besondre Gruppe unter den pro-


Der Buchdruck vor Gntmiberg.

können. Die Gründe, welche angeführt werden, sind von rührender Einfalt.
Diomedes' Gesellen wurden Vögel, Circe konnte die Gefährten des Odysseus
in Tiere verwandeln, Claudia ein ganzes Schiff ans Land ziehen. Tnllia trug
in einem Siebe dus Wasser. Das Geicrweibchen gebiert Junge, ohne Eier zu
legen. Der Jspisvogcl, der sich getötet hat, bekommt neues Gefieder. Der
Phönix verjüngt sich im Feuer. Eine Eiche in Avernia trägt Trauben. In
Spanien gehen aus den Blüten eines Baumes Vögel hervor. Der Magnet¬
berg zieht Menschen an sich. Die Tauben empfangen in reinem und keuschem
Kusse. Danae wurde durch den Goldregen befruchtet. Ein Hirt wurde durch
einen Windstoß drei Meilen weit getragen. Der Pelikan erquickt mit seinem
Blute seine Jungen. Die Stuten in Kappadocien werden vom Winde befruchtet.
Das Einhorn paart sich mit Jungfrauen. Der Sonnenschein allein brütet Eier
aus. Ebenso wie alle diese Wunder möglich sind, meint der Verfasser, kounte
auch die Mutter Christi als Jungfrau gebären.

Daran schließen sich die freieren moralischen Werke, als deren wichtigstes
uns die ^rs inciritmell, die „Kunst zu Sterben," entgegentritt. Von den vier¬
undzwanzig Blättern derselben sind elf mit Bildern, elf mit Text, zwei mit dem
Vorwort bedruckt. Das Ganze stellt die fünf Versuchungen zur Ungeduld, zum
Unglauben, zur Verzweiflung, zur Eitelkeit und zum Geiz dar, durch welche der
Teufel sich um die Seele des Sterbenden bewirbt. Der Schutzengel hält dem
Bösen seine guten Eingebungen entgegen, die gleich den Einflüsterungen des
Satans auf bandartigen Sprnchzetteln im Bilde selbst angebracht sind. Der
Teufel rät dem Kranken, welcher im Todeskampfe verzweifelt: siorit xg-Mru,
intorlioms to ix8v,in, aber der Engel entgegnet: 8is ürmus in lläg. Und so
schließt das Buch mit der Niederlage des Teufels und dem Siege des Ster¬
benden. Die Teufel fliehen hinweg und rufen aus: () vioti sunrus, trnstrn,
l-idoiAvimus.

Ein zweites Buch dieser Klasse ist der aus acht Quartblättern bestehende
Beichtspiegel, das ^oirtössionalö, eine Anleitung, sich nach Maßgabe der zehn
Gebote gehörig zur Beichte vorzubereiten. Ein drittes aus acht Kleinoktav¬
blättern bestehendes Buch behandelt die sieben Todsünden Üppigkeit, Völlerei,
Hoffart, Zorn, Geiz, Trägheit und Neid. Den Abschluß macht das Lpöoulum
nnirmns.<z sg-los-tioins, der „Heilsspiegcl," eine Geschichte der Erlösung des Men¬
schengeschlechtes, die ihren Stoff der griechischen und römischen Literatur, dem
alten und neuen Testament, wie den Legenden und Volkstraditionen entlehnt.
Das Werk ähnelt der Armcnbibel, nur mit dem Unterschiede, daß der Text hier
nicht die Nebensache, sondern die Hauptsache ist. und gehört nur teilweise hierher,
weil es nur in einer Ausgabe zum Teil mit Holztafeln, in den andern schon
mit beweglichen Lettern gedruckt ist.

Wie sich aber die Kirche die neue Kunst dienstbar machte, so bemächtigte
sich ihrer auch das profane Leben. Eine besondre Gruppe unter den pro-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/146>, abgerufen am 22.07.2024.