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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Der Buchdruck vor Gutenberg.

er seine Boten zu den Königen von Ägypten, Libyen und Morgenland, zu der
Königin von Amason und läßt überall predigen, der wahre Messias sei ge¬
kommen. Alle, die an ihn glauben, ziehen zu ihm, zuerst die roten Juden, die
Alexander in den kaspischen Bergen eingeschlossen hatte, dann die verschiednen
Könige, welchen die Boten gepredigt hatten. Er giebt allen Anhängern Gold
und Silber und bekehrt die Zweifelnden durch Wunder. Als der König von
Mohrenland zaudert, bewirkt der Antichrist, daß eine Säule Rede und Ant¬
wort giebt; als der Herrscher von Libyen nicht an ihn glauben will, läßt er
ihm den Vater und die Mutter vom Tode auferstehen. Allmählich strömt allerlei
Volks, aus Pfaffen, Mönchen, Rittern und Knechten bestehend, bei ihm zusammen.
Alle, die nicht kommen, werden gefangen genommen und verbergen sich vergeb¬
lich in Höhlen, ans denen der Hunger sie wieder heraustreibt. Der Antichrist
läßt sich anbeten, läßt Henoch und Elias töten, die dann freilich ein Engel
wieder auferweckt, stellt sich tot und steht, um zu beweisen, daß er der wahre
Gott sei, am dritten Tage wieder auf, läßt Feuer vom Himmel fallen und be¬
ruft schließlich alle Fürsten, die an ihn glauben, ans den Berg Oliveto, mit
dem Versprechen, gen Himmel zu fahren. Da aber, als er dieses versucht, läßt
ihn Gott durch Teufel wieder hinabstoßen, die dann mit ihm in die Hölle fahren.
Henoch und Elias predigen von neuem den Völkern die wahre Lehre, worauf
Reue und bange Erwartung des jüngsten Tages folgt. In der That läßt das
jüngste Gericht nicht lange auf sich warten und kündigt sich in fünfzehn Zeichen
an. Das Meer erhebt sich vierzig Ellen hoch und steht aufgerichtet wie eine
Mauer, darauf senkt es sich und die Erde wird dürr, die Meerwunder und
Fische schreien und blicken jammernd gen Himmel. Die Flüsse mit allen Tieren
verbrennen. Die Vögel versammeln sich auf dem Felde, die Bäume und Ge¬
bäude stürzen nieder, die Steine springen in die Höhe, die Bergbewohner
kommen aus ihren Höhlen hervor, die Gräber thun sich auf, die Sterne fallen
vom Himmel herab, die Menschen sterben, das Firmament und alles Erdreich
verbrennt. Da endlich lassen die Engel ihre Trompeten ertönen, und Christus
ruft mit Donnerstimme den Seligen zu: Vsnits, den Verdammten: Ils.

Eine dritte Legende war die des heiligen Kreuzes, dessen mannichfache
Schicksale von Adam bis auf Kaiser Heraklins der dem fünfzehnten Jahrhundert
eignen Sehnsucht nach dem Fabelhaften und Wunderbaren besondre Nahrung
boten.

An diese der Bibel und der heiligen Legende entnommenen Stoffe schließen
sich solche, welche die Dogmengeschichte behandeln. Das aus sieben Quart-
blcitteru bestehende Lyinboluni axostolitzum enthält zwölf Holzschnitte, von denen
jeder durch einen kurzen Text erläutert wird. Ein zweites Buch ist das v<z-
tsusorwrn innig-oulAtg-s viiZiQitMs Kg-rias, das den Zweck hat, durch verschiedne
aus der Geschichte des Heidentums entlehnte Beispiele den Beweis zu führen,
daß Maria ohne Verletzung ihrer Jungfräulichkeit den Heiland habe empfangen


Der Buchdruck vor Gutenberg.

er seine Boten zu den Königen von Ägypten, Libyen und Morgenland, zu der
Königin von Amason und läßt überall predigen, der wahre Messias sei ge¬
kommen. Alle, die an ihn glauben, ziehen zu ihm, zuerst die roten Juden, die
Alexander in den kaspischen Bergen eingeschlossen hatte, dann die verschiednen
Könige, welchen die Boten gepredigt hatten. Er giebt allen Anhängern Gold
und Silber und bekehrt die Zweifelnden durch Wunder. Als der König von
Mohrenland zaudert, bewirkt der Antichrist, daß eine Säule Rede und Ant¬
wort giebt; als der Herrscher von Libyen nicht an ihn glauben will, läßt er
ihm den Vater und die Mutter vom Tode auferstehen. Allmählich strömt allerlei
Volks, aus Pfaffen, Mönchen, Rittern und Knechten bestehend, bei ihm zusammen.
Alle, die nicht kommen, werden gefangen genommen und verbergen sich vergeb¬
lich in Höhlen, ans denen der Hunger sie wieder heraustreibt. Der Antichrist
läßt sich anbeten, läßt Henoch und Elias töten, die dann freilich ein Engel
wieder auferweckt, stellt sich tot und steht, um zu beweisen, daß er der wahre
Gott sei, am dritten Tage wieder auf, läßt Feuer vom Himmel fallen und be¬
ruft schließlich alle Fürsten, die an ihn glauben, ans den Berg Oliveto, mit
dem Versprechen, gen Himmel zu fahren. Da aber, als er dieses versucht, läßt
ihn Gott durch Teufel wieder hinabstoßen, die dann mit ihm in die Hölle fahren.
Henoch und Elias predigen von neuem den Völkern die wahre Lehre, worauf
Reue und bange Erwartung des jüngsten Tages folgt. In der That läßt das
jüngste Gericht nicht lange auf sich warten und kündigt sich in fünfzehn Zeichen
an. Das Meer erhebt sich vierzig Ellen hoch und steht aufgerichtet wie eine
Mauer, darauf senkt es sich und die Erde wird dürr, die Meerwunder und
Fische schreien und blicken jammernd gen Himmel. Die Flüsse mit allen Tieren
verbrennen. Die Vögel versammeln sich auf dem Felde, die Bäume und Ge¬
bäude stürzen nieder, die Steine springen in die Höhe, die Bergbewohner
kommen aus ihren Höhlen hervor, die Gräber thun sich auf, die Sterne fallen
vom Himmel herab, die Menschen sterben, das Firmament und alles Erdreich
verbrennt. Da endlich lassen die Engel ihre Trompeten ertönen, und Christus
ruft mit Donnerstimme den Seligen zu: Vsnits, den Verdammten: Ils.

Eine dritte Legende war die des heiligen Kreuzes, dessen mannichfache
Schicksale von Adam bis auf Kaiser Heraklins der dem fünfzehnten Jahrhundert
eignen Sehnsucht nach dem Fabelhaften und Wunderbaren besondre Nahrung
boten.

An diese der Bibel und der heiligen Legende entnommenen Stoffe schließen
sich solche, welche die Dogmengeschichte behandeln. Das aus sieben Quart-
blcitteru bestehende Lyinboluni axostolitzum enthält zwölf Holzschnitte, von denen
jeder durch einen kurzen Text erläutert wird. Ein zweites Buch ist das v<z-
tsusorwrn innig-oulAtg-s viiZiQitMs Kg-rias, das den Zweck hat, durch verschiedne
aus der Geschichte des Heidentums entlehnte Beispiele den Beweis zu führen,
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[0145] Der Buchdruck vor Gutenberg. er seine Boten zu den Königen von Ägypten, Libyen und Morgenland, zu der Königin von Amason und läßt überall predigen, der wahre Messias sei ge¬ kommen. Alle, die an ihn glauben, ziehen zu ihm, zuerst die roten Juden, die Alexander in den kaspischen Bergen eingeschlossen hatte, dann die verschiednen Könige, welchen die Boten gepredigt hatten. Er giebt allen Anhängern Gold und Silber und bekehrt die Zweifelnden durch Wunder. Als der König von Mohrenland zaudert, bewirkt der Antichrist, daß eine Säule Rede und Ant¬ wort giebt; als der Herrscher von Libyen nicht an ihn glauben will, läßt er ihm den Vater und die Mutter vom Tode auferstehen. Allmählich strömt allerlei Volks, aus Pfaffen, Mönchen, Rittern und Knechten bestehend, bei ihm zusammen. Alle, die nicht kommen, werden gefangen genommen und verbergen sich vergeb¬ lich in Höhlen, ans denen der Hunger sie wieder heraustreibt. Der Antichrist läßt sich anbeten, läßt Henoch und Elias töten, die dann freilich ein Engel wieder auferweckt, stellt sich tot und steht, um zu beweisen, daß er der wahre Gott sei, am dritten Tage wieder auf, läßt Feuer vom Himmel fallen und be¬ ruft schließlich alle Fürsten, die an ihn glauben, ans den Berg Oliveto, mit dem Versprechen, gen Himmel zu fahren. Da aber, als er dieses versucht, läßt ihn Gott durch Teufel wieder hinabstoßen, die dann mit ihm in die Hölle fahren. Henoch und Elias predigen von neuem den Völkern die wahre Lehre, worauf Reue und bange Erwartung des jüngsten Tages folgt. In der That läßt das jüngste Gericht nicht lange auf sich warten und kündigt sich in fünfzehn Zeichen an. Das Meer erhebt sich vierzig Ellen hoch und steht aufgerichtet wie eine Mauer, darauf senkt es sich und die Erde wird dürr, die Meerwunder und Fische schreien und blicken jammernd gen Himmel. Die Flüsse mit allen Tieren verbrennen. Die Vögel versammeln sich auf dem Felde, die Bäume und Ge¬ bäude stürzen nieder, die Steine springen in die Höhe, die Bergbewohner kommen aus ihren Höhlen hervor, die Gräber thun sich auf, die Sterne fallen vom Himmel herab, die Menschen sterben, das Firmament und alles Erdreich verbrennt. Da endlich lassen die Engel ihre Trompeten ertönen, und Christus ruft mit Donnerstimme den Seligen zu: Vsnits, den Verdammten: Ils. Eine dritte Legende war die des heiligen Kreuzes, dessen mannichfache Schicksale von Adam bis auf Kaiser Heraklins der dem fünfzehnten Jahrhundert eignen Sehnsucht nach dem Fabelhaften und Wunderbaren besondre Nahrung boten. An diese der Bibel und der heiligen Legende entnommenen Stoffe schließen sich solche, welche die Dogmengeschichte behandeln. Das aus sieben Quart- blcitteru bestehende Lyinboluni axostolitzum enthält zwölf Holzschnitte, von denen jeder durch einen kurzen Text erläutert wird. Ein zweites Buch ist das v<z- tsusorwrn innig-oulAtg-s viiZiQitMs Kg-rias, das den Zweck hat, durch verschiedne aus der Geschichte des Heidentums entlehnte Beispiele den Beweis zu führen, daß Maria ohne Verletzung ihrer Jungfräulichkeit den Heiland habe empfangen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/145>, abgerufen am 22.07.2024.