Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.dies in der Art, daß man die erstern den letztern gegenüber zu erschweren sucht Diese Ansicht hat übrigens nicht erst neuerdings die Juristenfakultät zu dies in der Art, daß man die erstern den letztern gegenüber zu erschweren sucht Diese Ansicht hat übrigens nicht erst neuerdings die Juristenfakultät zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0647" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155530"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2549" prev="#ID_2548"> dies in der Art, daß man die erstern den letztern gegenüber zu erschweren sucht<lb/> und zwar mit vollem Recht und aus dem guten Grunde, weil die Staats¬<lb/> verfassung eines erhöhten Schutzes gegen unbedachte Neuerungsvorschläge bedarf.<lb/> Der Paragraph 112 des Grundgesetzes, welcher die betreffende Bestimmung<lb/> enthält, setzt fest, daß ein etwaiger VemnderuugSvorschlag einem ordentlichen<lb/> Storthing vorgelegt und zugleich durch den Druck veröffentlicht werden soll.<lb/> Doch soll erst das nächste ordentliche Storthing bestimmen, ob die vorgeschlagene<lb/> Veränderung einzutreten habe oder nicht, und die Annahme setzt einen von<lb/> mindestens zwei Dritteln der Stimmen vom Storthing gefaßten Beschluß voraus.<lb/> Endlich darf die Veränderung niemals den Prinzipien des Grundgesetzes wider¬<lb/> sprechen, vielmehr lediglich Modifikationen betreffen, welche den Geist der Ver¬<lb/> fassung nicht verändern. Von dem Sanktionsrechte des Königs ist hier nicht<lb/> besonders oder wiederholt die Rede, es ist aber ganz selbstverständlich, daß diese<lb/> Bestimmung nicht aus allem Zusammenhange mit den übrigen Bestimmungen<lb/> des Grundgesetzes gerissen werden darf, sondern daß diese mit zur Auslegung<lb/> des den Schluß des Gesetzes bildenden Paragraphen 112 herangezogen werden<lb/> müssen, und ans diesen ergiebt sich die Existenz eines Sanktionsrcchts des Königs<lb/> gegenüber beantragten Verfassungsänderungen. Wäre das Gegenteil der Fall,<lb/> so würde eine Verfassungsänderung, wie die obigen Darlegungen nachweisen,<lb/> ungleich leichter als die Erlassung eines gewöhnlichen Gesetzes vom Storthing<lb/> durchzusetzen und auf dem Wege der erstern die Erzwingung eines vom Könige<lb/> verweigerten Gesetzes viel rascher und sicherer zu bewirken sein. Aus den Ver¬<lb/> handlungen der Reichsversammlung ergiebt sich, daß man die Paragraphen<lb/> 76 und 79 (über die Behandlung der Gesetzesvorschlüge) nicht auf die Vor¬<lb/> schläge von Verfassungsänderungen bezogen wissen wollte. Hat eine solche<lb/> Absicht aber nicht bestanden, so ist man auch nicht berechtigt, das in diesen<lb/> Paragraphen behandelte suspensive Veto auf die letzteren zu beziehen; es kann<lb/> vielmehr nur auf die im Paragraph 80 ausgesprochene und im Paragraph 82<lb/> vorausgesetzte Regel zurückgegriffen werden, daß alle vom König nicht längstens<lb/> bis zum Schlüsse des betreffenden Storthings sanktivnirten Beschlüsse des letztern<lb/> als von ihm verworfen zu gelten haben, daß also dem Könige hinsichtlich der<lb/> Verfassungsänderungen so gut wie hinsichtlich aller andern nicht legislativen<lb/> Beschlüsse im engern Sinne ein absolutes Veto zusteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2550" next="#ID_2551"> Diese Ansicht hat übrigens nicht erst neuerdings die Juristenfakultät zu<lb/> Christiania aufgestellt, sondern dieselbe ist mehrfach in Kundgebungen der Volks¬<lb/> vertretung zu unumwundenem Ausdrucke gelangt; so hat insbesondre das Storthing<lb/> in einer Adresse vom 29. Mai 1824 ausdrücklich mit allen gegen zwei Stimmen<lb/> anerkannt, daß der König „zufolge der Natur der Sache bereits im Besitze des<lb/> absoluten Vetos sei, soviel die Änderungen des Grundgesetzes anlange," und<lb/> zwar erfolgte dieses Anerkenntnis aus Anlaß einer königlichen Prvposition, welche<lb/> die Aufhebung des Paragraphen 79 des Grundgesetzes und somit die Verwand-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0647]
dies in der Art, daß man die erstern den letztern gegenüber zu erschweren sucht
und zwar mit vollem Recht und aus dem guten Grunde, weil die Staats¬
verfassung eines erhöhten Schutzes gegen unbedachte Neuerungsvorschläge bedarf.
Der Paragraph 112 des Grundgesetzes, welcher die betreffende Bestimmung
enthält, setzt fest, daß ein etwaiger VemnderuugSvorschlag einem ordentlichen
Storthing vorgelegt und zugleich durch den Druck veröffentlicht werden soll.
Doch soll erst das nächste ordentliche Storthing bestimmen, ob die vorgeschlagene
Veränderung einzutreten habe oder nicht, und die Annahme setzt einen von
mindestens zwei Dritteln der Stimmen vom Storthing gefaßten Beschluß voraus.
Endlich darf die Veränderung niemals den Prinzipien des Grundgesetzes wider¬
sprechen, vielmehr lediglich Modifikationen betreffen, welche den Geist der Ver¬
fassung nicht verändern. Von dem Sanktionsrechte des Königs ist hier nicht
besonders oder wiederholt die Rede, es ist aber ganz selbstverständlich, daß diese
Bestimmung nicht aus allem Zusammenhange mit den übrigen Bestimmungen
des Grundgesetzes gerissen werden darf, sondern daß diese mit zur Auslegung
des den Schluß des Gesetzes bildenden Paragraphen 112 herangezogen werden
müssen, und ans diesen ergiebt sich die Existenz eines Sanktionsrcchts des Königs
gegenüber beantragten Verfassungsänderungen. Wäre das Gegenteil der Fall,
so würde eine Verfassungsänderung, wie die obigen Darlegungen nachweisen,
ungleich leichter als die Erlassung eines gewöhnlichen Gesetzes vom Storthing
durchzusetzen und auf dem Wege der erstern die Erzwingung eines vom Könige
verweigerten Gesetzes viel rascher und sicherer zu bewirken sein. Aus den Ver¬
handlungen der Reichsversammlung ergiebt sich, daß man die Paragraphen
76 und 79 (über die Behandlung der Gesetzesvorschlüge) nicht auf die Vor¬
schläge von Verfassungsänderungen bezogen wissen wollte. Hat eine solche
Absicht aber nicht bestanden, so ist man auch nicht berechtigt, das in diesen
Paragraphen behandelte suspensive Veto auf die letzteren zu beziehen; es kann
vielmehr nur auf die im Paragraph 80 ausgesprochene und im Paragraph 82
vorausgesetzte Regel zurückgegriffen werden, daß alle vom König nicht längstens
bis zum Schlüsse des betreffenden Storthings sanktivnirten Beschlüsse des letztern
als von ihm verworfen zu gelten haben, daß also dem Könige hinsichtlich der
Verfassungsänderungen so gut wie hinsichtlich aller andern nicht legislativen
Beschlüsse im engern Sinne ein absolutes Veto zusteht.
Diese Ansicht hat übrigens nicht erst neuerdings die Juristenfakultät zu
Christiania aufgestellt, sondern dieselbe ist mehrfach in Kundgebungen der Volks¬
vertretung zu unumwundenem Ausdrucke gelangt; so hat insbesondre das Storthing
in einer Adresse vom 29. Mai 1824 ausdrücklich mit allen gegen zwei Stimmen
anerkannt, daß der König „zufolge der Natur der Sache bereits im Besitze des
absoluten Vetos sei, soviel die Änderungen des Grundgesetzes anlange," und
zwar erfolgte dieses Anerkenntnis aus Anlaß einer königlichen Prvposition, welche
die Aufhebung des Paragraphen 79 des Grundgesetzes und somit die Verwand-
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