Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der vorfaffungskonflikr in Norwegen.

lung des suspensiveu Vetos des Königs bei gewöhnliche" Gesetzesvorschlägen in
ein absolutes bezweckte, also bei einem Anlaß, welcher die Aufmerksamkeit des
Storthings ganz besonders auf die hohe Bedeutung einer derartigen Erklärung
lenken mußte. Auch später hat das Stvrthing offiziell nie eine andre als die
soeben erwähnte Ansicht ausgesprochen. Einzelne, die entgegengesetzte Auffassung
vertretende Stimmen im Storthing stieße" stets auf den entschiedensten Wider¬
spruch bis zum Jahre 1877; erst im Jahre 1880 gelang es dem Oppositions¬
führer, den oben aufgeführten, den gegenwärtigen Vcrfassungskonflikt veranlassen¬
den Beschluß durchzusetzen.

Weil nun der Minister seiner die die Rechte des Königs gegenüber den
Anmaßungen der Storthingsmajorität wahrende Ansicht ohne Furcht seiner Über¬
zeugung gemäß vertreten hat, ist er (samt seinen Kollegen) vor das Reichsgericht
gestellt und von diesem zur Amtsentsetzung und zu einer hohen Geldstrafe ver¬
urteilt worden, welche zum größten Teile (15000 Kronen) die Beute seiner,
aus der Storthingsmajoritüt genommenen Ankläger bildet, verurteilt von dem
Reichsgericht, einen: Gericht, welches zur großen Mehrzahl nicht aus unbeteiligten
staatlichen Richtern, sondern ans Mitgliedern gerade der Partei im Storthing
besteht, deren Ansprüche gegenüber den Rechten des Königs geprüft werden solle";
von einem Gericht, welches der Mehrzahl nach nicht aus gebildeten Juristen,
sondern aus Bauern, Kirchensängem und Lehensleuten zusammengesetzt worden ist;
von einem Gericht, welches auf diesen Namen gar keinen Anspruch hat, weil eine
Partei nicht zugleich Richter sein kann; verurteilt, nicht etwa weil ihm eine die
Rechte der Storthingsmajorität verletzende That nachgewiesen werden konnte,
sondern weil seine Ansicht eine andre als diejenige dieser Majorität war, weil
er seinem Könige den Rat erteilte, einen, -- seiner Überzeugung gemäß eine
Verfassuugsverletzung bildenden -- Ansinnen dieser Majorität nicht zu entsprechen,
weil er seine Pflicht gethan, weil er die Rechte seines Königs, die Verfassung
und gesetzliche Ordnung des Landes gewissenhaft und ehrenhaft gewahrt hat.
Wer mit diesem Urteile in Norwegen einverstanden ist, das ist nicht, wie die
demokratischen Blätter glauben machen möchten, die große Mehrzahl der ganzen
Bevölkerung, sondern es ist nur die radikale Storthiugspartei und ihr Anhang,
während die ganze gebildete Bevölkerung, wie aus den allseitigen Kundgebungen
hervorgeht, dieses Urteil aufs tiefste beklagt. Der König hat inzwischen, um
den Konflikt nicht zu verschärfen, den Minister seiner seines Amtes enthoben;
man wird aber zuversichtlich erwarte" dürfen, daß er eine Auslegung der Ver-
fassung durch einen solchen einseitigen Parteispuch nicht zuläßt, und daß er sich
durch eine derartige nichtswürdige Posse wie dieses Reichsgerichtsurteil nicht
zwingen lassen wird, seine Minister nach der Anweisung der Radikalen zu wählen.




Der vorfaffungskonflikr in Norwegen.

lung des suspensiveu Vetos des Königs bei gewöhnliche» Gesetzesvorschlägen in
ein absolutes bezweckte, also bei einem Anlaß, welcher die Aufmerksamkeit des
Storthings ganz besonders auf die hohe Bedeutung einer derartigen Erklärung
lenken mußte. Auch später hat das Stvrthing offiziell nie eine andre als die
soeben erwähnte Ansicht ausgesprochen. Einzelne, die entgegengesetzte Auffassung
vertretende Stimmen im Storthing stieße» stets auf den entschiedensten Wider¬
spruch bis zum Jahre 1877; erst im Jahre 1880 gelang es dem Oppositions¬
führer, den oben aufgeführten, den gegenwärtigen Vcrfassungskonflikt veranlassen¬
den Beschluß durchzusetzen.

Weil nun der Minister seiner die die Rechte des Königs gegenüber den
Anmaßungen der Storthingsmajorität wahrende Ansicht ohne Furcht seiner Über¬
zeugung gemäß vertreten hat, ist er (samt seinen Kollegen) vor das Reichsgericht
gestellt und von diesem zur Amtsentsetzung und zu einer hohen Geldstrafe ver¬
urteilt worden, welche zum größten Teile (15000 Kronen) die Beute seiner,
aus der Storthingsmajoritüt genommenen Ankläger bildet, verurteilt von dem
Reichsgericht, einen: Gericht, welches zur großen Mehrzahl nicht aus unbeteiligten
staatlichen Richtern, sondern ans Mitgliedern gerade der Partei im Storthing
besteht, deren Ansprüche gegenüber den Rechten des Königs geprüft werden solle»;
von einem Gericht, welches der Mehrzahl nach nicht aus gebildeten Juristen,
sondern aus Bauern, Kirchensängem und Lehensleuten zusammengesetzt worden ist;
von einem Gericht, welches auf diesen Namen gar keinen Anspruch hat, weil eine
Partei nicht zugleich Richter sein kann; verurteilt, nicht etwa weil ihm eine die
Rechte der Storthingsmajorität verletzende That nachgewiesen werden konnte,
sondern weil seine Ansicht eine andre als diejenige dieser Majorität war, weil
er seinem Könige den Rat erteilte, einen, — seiner Überzeugung gemäß eine
Verfassuugsverletzung bildenden — Ansinnen dieser Majorität nicht zu entsprechen,
weil er seine Pflicht gethan, weil er die Rechte seines Königs, die Verfassung
und gesetzliche Ordnung des Landes gewissenhaft und ehrenhaft gewahrt hat.
Wer mit diesem Urteile in Norwegen einverstanden ist, das ist nicht, wie die
demokratischen Blätter glauben machen möchten, die große Mehrzahl der ganzen
Bevölkerung, sondern es ist nur die radikale Storthiugspartei und ihr Anhang,
während die ganze gebildete Bevölkerung, wie aus den allseitigen Kundgebungen
hervorgeht, dieses Urteil aufs tiefste beklagt. Der König hat inzwischen, um
den Konflikt nicht zu verschärfen, den Minister seiner seines Amtes enthoben;
man wird aber zuversichtlich erwarte» dürfen, daß er eine Auslegung der Ver-
fassung durch einen solchen einseitigen Parteispuch nicht zuläßt, und daß er sich
durch eine derartige nichtswürdige Posse wie dieses Reichsgerichtsurteil nicht
zwingen lassen wird, seine Minister nach der Anweisung der Radikalen zu wählen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0648" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155531"/>
          <fw type="header" place="top"> Der vorfaffungskonflikr in Norwegen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2551" prev="#ID_2550"> lung des suspensiveu Vetos des Königs bei gewöhnliche» Gesetzesvorschlägen in<lb/>
ein absolutes bezweckte, also bei einem Anlaß, welcher die Aufmerksamkeit des<lb/>
Storthings ganz besonders auf die hohe Bedeutung einer derartigen Erklärung<lb/>
lenken mußte. Auch später hat das Stvrthing offiziell nie eine andre als die<lb/>
soeben erwähnte Ansicht ausgesprochen. Einzelne, die entgegengesetzte Auffassung<lb/>
vertretende Stimmen im Storthing stieße» stets auf den entschiedensten Wider¬<lb/>
spruch bis zum Jahre 1877; erst im Jahre 1880 gelang es dem Oppositions¬<lb/>
führer, den oben aufgeführten, den gegenwärtigen Vcrfassungskonflikt veranlassen¬<lb/>
den Beschluß durchzusetzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2552"> Weil nun der Minister seiner die die Rechte des Königs gegenüber den<lb/>
Anmaßungen der Storthingsmajorität wahrende Ansicht ohne Furcht seiner Über¬<lb/>
zeugung gemäß vertreten hat, ist er (samt seinen Kollegen) vor das Reichsgericht<lb/>
gestellt und von diesem zur Amtsentsetzung und zu einer hohen Geldstrafe ver¬<lb/>
urteilt worden, welche zum größten Teile (15000 Kronen) die Beute seiner,<lb/>
aus der Storthingsmajoritüt genommenen Ankläger bildet, verurteilt von dem<lb/>
Reichsgericht, einen: Gericht, welches zur großen Mehrzahl nicht aus unbeteiligten<lb/>
staatlichen Richtern, sondern ans Mitgliedern gerade der Partei im Storthing<lb/>
besteht, deren Ansprüche gegenüber den Rechten des Königs geprüft werden solle»;<lb/>
von einem Gericht, welches der Mehrzahl nach nicht aus gebildeten Juristen,<lb/>
sondern aus Bauern, Kirchensängem und Lehensleuten zusammengesetzt worden ist;<lb/>
von einem Gericht, welches auf diesen Namen gar keinen Anspruch hat, weil eine<lb/>
Partei nicht zugleich Richter sein kann; verurteilt, nicht etwa weil ihm eine die<lb/>
Rechte der Storthingsmajorität verletzende That nachgewiesen werden konnte,<lb/>
sondern weil seine Ansicht eine andre als diejenige dieser Majorität war, weil<lb/>
er seinem Könige den Rat erteilte, einen, &#x2014; seiner Überzeugung gemäß eine<lb/>
Verfassuugsverletzung bildenden &#x2014; Ansinnen dieser Majorität nicht zu entsprechen,<lb/>
weil er seine Pflicht gethan, weil er die Rechte seines Königs, die Verfassung<lb/>
und gesetzliche Ordnung des Landes gewissenhaft und ehrenhaft gewahrt hat.<lb/>
Wer mit diesem Urteile in Norwegen einverstanden ist, das ist nicht, wie die<lb/>
demokratischen Blätter glauben machen möchten, die große Mehrzahl der ganzen<lb/>
Bevölkerung, sondern es ist nur die radikale Storthiugspartei und ihr Anhang,<lb/>
während die ganze gebildete Bevölkerung, wie aus den allseitigen Kundgebungen<lb/>
hervorgeht, dieses Urteil aufs tiefste beklagt. Der König hat inzwischen, um<lb/>
den Konflikt nicht zu verschärfen, den Minister seiner seines Amtes enthoben;<lb/>
man wird aber zuversichtlich erwarte» dürfen, daß er eine Auslegung der Ver-<lb/>
fassung durch einen solchen einseitigen Parteispuch nicht zuläßt, und daß er sich<lb/>
durch eine derartige nichtswürdige Posse wie dieses Reichsgerichtsurteil nicht<lb/>
zwingen lassen wird, seine Minister nach der Anweisung der Radikalen zu wählen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0648] Der vorfaffungskonflikr in Norwegen. lung des suspensiveu Vetos des Königs bei gewöhnliche» Gesetzesvorschlägen in ein absolutes bezweckte, also bei einem Anlaß, welcher die Aufmerksamkeit des Storthings ganz besonders auf die hohe Bedeutung einer derartigen Erklärung lenken mußte. Auch später hat das Stvrthing offiziell nie eine andre als die soeben erwähnte Ansicht ausgesprochen. Einzelne, die entgegengesetzte Auffassung vertretende Stimmen im Storthing stieße» stets auf den entschiedensten Wider¬ spruch bis zum Jahre 1877; erst im Jahre 1880 gelang es dem Oppositions¬ führer, den oben aufgeführten, den gegenwärtigen Vcrfassungskonflikt veranlassen¬ den Beschluß durchzusetzen. Weil nun der Minister seiner die die Rechte des Königs gegenüber den Anmaßungen der Storthingsmajorität wahrende Ansicht ohne Furcht seiner Über¬ zeugung gemäß vertreten hat, ist er (samt seinen Kollegen) vor das Reichsgericht gestellt und von diesem zur Amtsentsetzung und zu einer hohen Geldstrafe ver¬ urteilt worden, welche zum größten Teile (15000 Kronen) die Beute seiner, aus der Storthingsmajoritüt genommenen Ankläger bildet, verurteilt von dem Reichsgericht, einen: Gericht, welches zur großen Mehrzahl nicht aus unbeteiligten staatlichen Richtern, sondern ans Mitgliedern gerade der Partei im Storthing besteht, deren Ansprüche gegenüber den Rechten des Königs geprüft werden solle»; von einem Gericht, welches der Mehrzahl nach nicht aus gebildeten Juristen, sondern aus Bauern, Kirchensängem und Lehensleuten zusammengesetzt worden ist; von einem Gericht, welches auf diesen Namen gar keinen Anspruch hat, weil eine Partei nicht zugleich Richter sein kann; verurteilt, nicht etwa weil ihm eine die Rechte der Storthingsmajorität verletzende That nachgewiesen werden konnte, sondern weil seine Ansicht eine andre als diejenige dieser Majorität war, weil er seinem Könige den Rat erteilte, einen, — seiner Überzeugung gemäß eine Verfassuugsverletzung bildenden — Ansinnen dieser Majorität nicht zu entsprechen, weil er seine Pflicht gethan, weil er die Rechte seines Königs, die Verfassung und gesetzliche Ordnung des Landes gewissenhaft und ehrenhaft gewahrt hat. Wer mit diesem Urteile in Norwegen einverstanden ist, das ist nicht, wie die demokratischen Blätter glauben machen möchten, die große Mehrzahl der ganzen Bevölkerung, sondern es ist nur die radikale Storthiugspartei und ihr Anhang, während die ganze gebildete Bevölkerung, wie aus den allseitigen Kundgebungen hervorgeht, dieses Urteil aufs tiefste beklagt. Der König hat inzwischen, um den Konflikt nicht zu verschärfen, den Minister seiner seines Amtes enthoben; man wird aber zuversichtlich erwarte» dürfen, daß er eine Auslegung der Ver- fassung durch einen solchen einseitigen Parteispuch nicht zuläßt, und daß er sich durch eine derartige nichtswürdige Posse wie dieses Reichsgerichtsurteil nicht zwingen lassen wird, seine Minister nach der Anweisung der Radikalen zu wählen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/648
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/648>, abgerufen am 25.07.2024.