Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Arabische Kriegführung. dem Tode wie Männer ins Gesicht zu blicken. Unter dem Einfluß mächtiger Arabische Kriegführung. dem Tode wie Männer ins Gesicht zu blicken. Unter dem Einfluß mächtiger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0630" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155513"/> <fw type="header" place="top"> Arabische Kriegführung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2499" prev="#ID_2498"> dem Tode wie Männer ins Gesicht zu blicken. Unter dem Einfluß mächtiger<lb/> Antriebe erheben sie sich leicht zu absolutem Heldensinn, namentlich unter der<lb/> Wirkung religiöser Motive. Ein gewisser ritterlicher Sinn gegenüber deu<lb/> Frauen läßt sie deren Meinung über ihre kriegerische Tüchtigkeit sehr hoch stellen,<lb/> und ihre Dichter regen zu Thaten an, wie sie die fahrenden Ritter der Sagen¬<lb/> welt verrichten, beides aber, das Urteil der Frauen und das der Dichter, macht<lb/> ein friedliches und harmloses Hinleben des Einzelnen zum Gegenstande des<lb/> Tadels und Spottes. „Der Name eines Harmni (Räuber) ist »och heute eine<lb/> Ehre unter ihnen." Bei einem Beutezug oder Überfall fallen, heißt als<lb/> Gandur sterben. Wer dagegen in seinem Bette stirbt, ist Falls (Aas), seine<lb/> weinende Mutter ruft klagend aus: „O daß doch mein Sohn als Räuber<lb/> gefallen wäre," und ihre Mägde äußern demütig die Vermutung, daß dieses<lb/> Unglück der Ratschluß Allahs gewesen sein möge. Wo solche Auffassung vor-<lb/> herrscht, muß der Zustand der Gesellschaft eine fast unaufhörliche Aufregung<lb/> und Verwirrung sein und der Pegel des persönlichen Mutes einen ungewöhnlich<lb/> hohen Grad anzeigen. Und in der That hält der asiatische und der afrikanische<lb/> Beduine nichts für manneswürdig als die Gewaltthat und nichts für so ehrenvoll<lb/> als den Krieg. Nur zu Rosse, den Speer in der Hand, erscheint er sich als<lb/> ganzer Mann, und die einzigen einem solchen ziemenden Beschäftigungen sind<lb/> Waffenübungen und Reiterkünste. In der Regel sind die Beduinen schlechte<lb/> Schützen, aber treffliche Reiter. Ihre Waffen sind die langläufige Luntenflinte,<lb/> die dem Jizail des Afghanen gleicht, ein sehr weit gebohrtes Pistol mit Stein¬<lb/> schloß, Wurfspieße, Lanzen, Schwerter und Dolche. Neuerdings haben sie sich<lb/> auch gezogene Gewehre verschafft, und die Araber, mit denen Grccham zu thun<lb/> hatte, waren teilweise mit Remingtons ausgerüstet, welche Bakers Ägypter bei<lb/> El Teb weggeworfen oder welche die Aufständischen in den Zeughäusern von<lb/> Sinkat und Tokar erbeutet hatten. Aber die Lieblingswaffe des Arabers, mit<lb/> der er sich jeden Tag übt, ist der Kant, eine zwölf Fuß lange Lanze, die oben<lb/> in eine sehr dünne und scharfe Stahlspitze ausläuft und mit Büscheln von<lb/> Straußenfedern oder Pferdehaaren verziert ist. Andre tragen eine kurze<lb/> Partisane mit breiter Klinge, und mit dieser thut der Uuberittene im Kampfe<lb/> die beste Arbeit. Der Schild gleicht dem der Beludschen, er besteht aus Leder,<lb/> das mit Messing eingefaßt ist. Ihr Schwert ist lang und nur leicht gekrümmt.<lb/> Manche führen auch das breite und völlig gerade zweischneidige Schlachtschwert<lb/> der Abessinier. Ihre Pferde sind klein, aber schnell. Wie die Orientalen überhaupt,<lb/> reiten sie mit sehr kurzgeschnallten Steigbügeln und auf ungewöhnlich hohen<lb/> Sätteln, sodaß sie ihre Tiere stark in der Gewalt haben und sie mit der größten<lb/> Plötzlichkeit zum Haltmachen nötigen können. „Fliehen macht bei ihnen keine<lb/> Schande." Im Gegenteil, es gehört zu ihren Hauptmanövern, und wenn sie<lb/> dann, wie das oft geschieht, nicht in dichter Masse, sondern in einem zerstreuten<lb/> Schwarm sich wieder auf ihre Verfolger werfen, endigt die Scheinslncht nicht<lb/> selten mit einem thatsächlichen Siege.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0630]
Arabische Kriegführung.
dem Tode wie Männer ins Gesicht zu blicken. Unter dem Einfluß mächtiger
Antriebe erheben sie sich leicht zu absolutem Heldensinn, namentlich unter der
Wirkung religiöser Motive. Ein gewisser ritterlicher Sinn gegenüber deu
Frauen läßt sie deren Meinung über ihre kriegerische Tüchtigkeit sehr hoch stellen,
und ihre Dichter regen zu Thaten an, wie sie die fahrenden Ritter der Sagen¬
welt verrichten, beides aber, das Urteil der Frauen und das der Dichter, macht
ein friedliches und harmloses Hinleben des Einzelnen zum Gegenstande des
Tadels und Spottes. „Der Name eines Harmni (Räuber) ist »och heute eine
Ehre unter ihnen." Bei einem Beutezug oder Überfall fallen, heißt als
Gandur sterben. Wer dagegen in seinem Bette stirbt, ist Falls (Aas), seine
weinende Mutter ruft klagend aus: „O daß doch mein Sohn als Räuber
gefallen wäre," und ihre Mägde äußern demütig die Vermutung, daß dieses
Unglück der Ratschluß Allahs gewesen sein möge. Wo solche Auffassung vor-
herrscht, muß der Zustand der Gesellschaft eine fast unaufhörliche Aufregung
und Verwirrung sein und der Pegel des persönlichen Mutes einen ungewöhnlich
hohen Grad anzeigen. Und in der That hält der asiatische und der afrikanische
Beduine nichts für manneswürdig als die Gewaltthat und nichts für so ehrenvoll
als den Krieg. Nur zu Rosse, den Speer in der Hand, erscheint er sich als
ganzer Mann, und die einzigen einem solchen ziemenden Beschäftigungen sind
Waffenübungen und Reiterkünste. In der Regel sind die Beduinen schlechte
Schützen, aber treffliche Reiter. Ihre Waffen sind die langläufige Luntenflinte,
die dem Jizail des Afghanen gleicht, ein sehr weit gebohrtes Pistol mit Stein¬
schloß, Wurfspieße, Lanzen, Schwerter und Dolche. Neuerdings haben sie sich
auch gezogene Gewehre verschafft, und die Araber, mit denen Grccham zu thun
hatte, waren teilweise mit Remingtons ausgerüstet, welche Bakers Ägypter bei
El Teb weggeworfen oder welche die Aufständischen in den Zeughäusern von
Sinkat und Tokar erbeutet hatten. Aber die Lieblingswaffe des Arabers, mit
der er sich jeden Tag übt, ist der Kant, eine zwölf Fuß lange Lanze, die oben
in eine sehr dünne und scharfe Stahlspitze ausläuft und mit Büscheln von
Straußenfedern oder Pferdehaaren verziert ist. Andre tragen eine kurze
Partisane mit breiter Klinge, und mit dieser thut der Uuberittene im Kampfe
die beste Arbeit. Der Schild gleicht dem der Beludschen, er besteht aus Leder,
das mit Messing eingefaßt ist. Ihr Schwert ist lang und nur leicht gekrümmt.
Manche führen auch das breite und völlig gerade zweischneidige Schlachtschwert
der Abessinier. Ihre Pferde sind klein, aber schnell. Wie die Orientalen überhaupt,
reiten sie mit sehr kurzgeschnallten Steigbügeln und auf ungewöhnlich hohen
Sätteln, sodaß sie ihre Tiere stark in der Gewalt haben und sie mit der größten
Plötzlichkeit zum Haltmachen nötigen können. „Fliehen macht bei ihnen keine
Schande." Im Gegenteil, es gehört zu ihren Hauptmanövern, und wenn sie
dann, wie das oft geschieht, nicht in dichter Masse, sondern in einem zerstreuten
Schwarm sich wieder auf ihre Verfolger werfen, endigt die Scheinslncht nicht
selten mit einem thatsächlichen Siege.
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