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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Eduard Laster.

am schärfsten hervor, wenn wir uns folgenden Vorgangs erinnern, bei welchem
ebenfalls Laster die Hauptrolle spielte. Im Mai 1878 hatte die Reichsregierung
dem Reichstage einen mit Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrag vorgelegt.
Nach diesem Vertrage sollten die Deutschen in Rumänien "für ihre Person und
ihr Vermögen denselben Schutz und dieselbe Sicherheit genießen wie die In¬
länder." Nun ist Rumänien ein Land, welches unter seiner Bevölkerung 7^/z Pro¬
zent (nach einer neuern Nachricht sogar 13 Prozent) Juden besitzt und von
diesen fast aufgefressen wird. Man konnte es deswegen den Rumänen wohl
kaum verargen, daß sie diesen Teil ihrer Bevölkerung noch nicht emanzipirt,
vielmehr manchen Rechtsbeschränkungen unterworfen hatten. Die obengedachte
Klausel des Vertrags würde hiernach die Folge gehabt haben, daß auch die
deutschen Juden in Rumänien nicht die vollen Rechte der übrigen deutschen
Staatsbürger erlangt hätten. Da trat Laster gegen diesen Vertrag auf und
erklärte es für unwürdig, daß Deutschland einen solchen Vertrag abschließe.
Und in der That setzte er es durch, daß der Vertrag an eine Kommission ver¬
wiesen und dort begraben wurde. Deutschland verzichtete noch jahrelang auf
alle die Vorteile, die seinen Angehörigen aus dem Vertrage erwachsen wären,
weil seine Juden nach den rumänischen Gesetzen dieser Vorteile nicht in vollem
Maße teilhaftig geworden sein würden. In der That ein großer Edelmut! Erst
im Jahre 1881 wurde der Vertrag von neuem dem Reichstage vorgelegt, und
nun konnte Laster konstatiren, daß der Abschließung desselben nichts mehr im
Wege stehe, da inzwischen der europäische Areopag, der 1878 in Berlin getagt,
die Rumänen verurteilt hatte, ihre Juden zu emanzipiren. Die Übertreibung,
mit welcher bei dieser und andern Gelegenheiten die Ansprüche der Juden in
Deutschland auftraten, mußten naturgemäß im deutschen Volke endlich zu einer
Reaktion führen, welche in der antisemitischen Bewegung sich Luft machte. Aber
gerade Laster in seiner ideal angelegten Natur wird diese Reaktion besonders
schwer empfunden haben. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er in den
letzten Jahren weit seltener als Redner auftrat.

Die Gesundheit Lasters war nicht die festeste. Er war schon im Jahre
1875 in eine schwere Krankheit verfallen, die ihn fast ein Halbjahr hindurch
von den Geschäften fernhielt. Er schien sich indessen völlig davon erholt zu
haben. "Um neue Eindrücke zu gewinnen," unternahm er eine Reise nach
Amerika. Ob die große kontinentale Tour, der er sich dort anschloß, für seinen
Gesundheitszustand förderlich war, läßt sich wohl fragen. Nach deren Vollen¬
dung, kurz vor seiner geplanten Rückkehr, ereilte ihn ein jäher Tod.

Wer das Leben Lasters im ganzen betrachtet, wird sich eines gewissen
tragischen Eindrucks kaum erwehren können. Freilich war es kein einzelnes
tragisches Moment, welches die Peripetie in diesem Leben gebildet hätte. Laster
ist im Gange seiner Wirksamkeit ziemlich derselbe geblieben. Aber der natürliche
Lauf der Dinge steigerte anfangs seine Bedeutung bis zu einer gewissen Höhe,


Eduard Laster.

am schärfsten hervor, wenn wir uns folgenden Vorgangs erinnern, bei welchem
ebenfalls Laster die Hauptrolle spielte. Im Mai 1878 hatte die Reichsregierung
dem Reichstage einen mit Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrag vorgelegt.
Nach diesem Vertrage sollten die Deutschen in Rumänien „für ihre Person und
ihr Vermögen denselben Schutz und dieselbe Sicherheit genießen wie die In¬
länder." Nun ist Rumänien ein Land, welches unter seiner Bevölkerung 7^/z Pro¬
zent (nach einer neuern Nachricht sogar 13 Prozent) Juden besitzt und von
diesen fast aufgefressen wird. Man konnte es deswegen den Rumänen wohl
kaum verargen, daß sie diesen Teil ihrer Bevölkerung noch nicht emanzipirt,
vielmehr manchen Rechtsbeschränkungen unterworfen hatten. Die obengedachte
Klausel des Vertrags würde hiernach die Folge gehabt haben, daß auch die
deutschen Juden in Rumänien nicht die vollen Rechte der übrigen deutschen
Staatsbürger erlangt hätten. Da trat Laster gegen diesen Vertrag auf und
erklärte es für unwürdig, daß Deutschland einen solchen Vertrag abschließe.
Und in der That setzte er es durch, daß der Vertrag an eine Kommission ver¬
wiesen und dort begraben wurde. Deutschland verzichtete noch jahrelang auf
alle die Vorteile, die seinen Angehörigen aus dem Vertrage erwachsen wären,
weil seine Juden nach den rumänischen Gesetzen dieser Vorteile nicht in vollem
Maße teilhaftig geworden sein würden. In der That ein großer Edelmut! Erst
im Jahre 1881 wurde der Vertrag von neuem dem Reichstage vorgelegt, und
nun konnte Laster konstatiren, daß der Abschließung desselben nichts mehr im
Wege stehe, da inzwischen der europäische Areopag, der 1878 in Berlin getagt,
die Rumänen verurteilt hatte, ihre Juden zu emanzipiren. Die Übertreibung,
mit welcher bei dieser und andern Gelegenheiten die Ansprüche der Juden in
Deutschland auftraten, mußten naturgemäß im deutschen Volke endlich zu einer
Reaktion führen, welche in der antisemitischen Bewegung sich Luft machte. Aber
gerade Laster in seiner ideal angelegten Natur wird diese Reaktion besonders
schwer empfunden haben. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er in den
letzten Jahren weit seltener als Redner auftrat.

Die Gesundheit Lasters war nicht die festeste. Er war schon im Jahre
1875 in eine schwere Krankheit verfallen, die ihn fast ein Halbjahr hindurch
von den Geschäften fernhielt. Er schien sich indessen völlig davon erholt zu
haben. „Um neue Eindrücke zu gewinnen," unternahm er eine Reise nach
Amerika. Ob die große kontinentale Tour, der er sich dort anschloß, für seinen
Gesundheitszustand förderlich war, läßt sich wohl fragen. Nach deren Vollen¬
dung, kurz vor seiner geplanten Rückkehr, ereilte ihn ein jäher Tod.

Wer das Leben Lasters im ganzen betrachtet, wird sich eines gewissen
tragischen Eindrucks kaum erwehren können. Freilich war es kein einzelnes
tragisches Moment, welches die Peripetie in diesem Leben gebildet hätte. Laster
ist im Gange seiner Wirksamkeit ziemlich derselbe geblieben. Aber der natürliche
Lauf der Dinge steigerte anfangs seine Bedeutung bis zu einer gewissen Höhe,


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[0600] Eduard Laster. am schärfsten hervor, wenn wir uns folgenden Vorgangs erinnern, bei welchem ebenfalls Laster die Hauptrolle spielte. Im Mai 1878 hatte die Reichsregierung dem Reichstage einen mit Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrag vorgelegt. Nach diesem Vertrage sollten die Deutschen in Rumänien „für ihre Person und ihr Vermögen denselben Schutz und dieselbe Sicherheit genießen wie die In¬ länder." Nun ist Rumänien ein Land, welches unter seiner Bevölkerung 7^/z Pro¬ zent (nach einer neuern Nachricht sogar 13 Prozent) Juden besitzt und von diesen fast aufgefressen wird. Man konnte es deswegen den Rumänen wohl kaum verargen, daß sie diesen Teil ihrer Bevölkerung noch nicht emanzipirt, vielmehr manchen Rechtsbeschränkungen unterworfen hatten. Die obengedachte Klausel des Vertrags würde hiernach die Folge gehabt haben, daß auch die deutschen Juden in Rumänien nicht die vollen Rechte der übrigen deutschen Staatsbürger erlangt hätten. Da trat Laster gegen diesen Vertrag auf und erklärte es für unwürdig, daß Deutschland einen solchen Vertrag abschließe. Und in der That setzte er es durch, daß der Vertrag an eine Kommission ver¬ wiesen und dort begraben wurde. Deutschland verzichtete noch jahrelang auf alle die Vorteile, die seinen Angehörigen aus dem Vertrage erwachsen wären, weil seine Juden nach den rumänischen Gesetzen dieser Vorteile nicht in vollem Maße teilhaftig geworden sein würden. In der That ein großer Edelmut! Erst im Jahre 1881 wurde der Vertrag von neuem dem Reichstage vorgelegt, und nun konnte Laster konstatiren, daß der Abschließung desselben nichts mehr im Wege stehe, da inzwischen der europäische Areopag, der 1878 in Berlin getagt, die Rumänen verurteilt hatte, ihre Juden zu emanzipiren. Die Übertreibung, mit welcher bei dieser und andern Gelegenheiten die Ansprüche der Juden in Deutschland auftraten, mußten naturgemäß im deutschen Volke endlich zu einer Reaktion führen, welche in der antisemitischen Bewegung sich Luft machte. Aber gerade Laster in seiner ideal angelegten Natur wird diese Reaktion besonders schwer empfunden haben. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er in den letzten Jahren weit seltener als Redner auftrat. Die Gesundheit Lasters war nicht die festeste. Er war schon im Jahre 1875 in eine schwere Krankheit verfallen, die ihn fast ein Halbjahr hindurch von den Geschäften fernhielt. Er schien sich indessen völlig davon erholt zu haben. „Um neue Eindrücke zu gewinnen," unternahm er eine Reise nach Amerika. Ob die große kontinentale Tour, der er sich dort anschloß, für seinen Gesundheitszustand förderlich war, läßt sich wohl fragen. Nach deren Vollen¬ dung, kurz vor seiner geplanten Rückkehr, ereilte ihn ein jäher Tod. Wer das Leben Lasters im ganzen betrachtet, wird sich eines gewissen tragischen Eindrucks kaum erwehren können. Freilich war es kein einzelnes tragisches Moment, welches die Peripetie in diesem Leben gebildet hätte. Laster ist im Gange seiner Wirksamkeit ziemlich derselbe geblieben. Aber der natürliche Lauf der Dinge steigerte anfangs seine Bedeutung bis zu einer gewissen Höhe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/600>, abgerufen am 04.07.2024.