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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Eduard Laster.

mit sich riß, sodaß das Werk nur durch wenige ihm abfallende Stimmen ge¬
rettet wurde. Hierbei, sowie noch bei manchen andern Gelegenheiten, zeigte sich
i" der Thätigkeit Lasters ein gewisser Idealismus, der ja persönlich liebens¬
würdig ist, sür den praktischen Staatsmann aber leicht verhängnisvoll werden
kann. Auch als im Laufe der weitern Jahre sich fühlbar machte, daß man in
der Gewerbeordnung und dem Strafgesetzbuch mit den freiheitlichen und Huma¬
nitären Grundsätzen etwas zu weit gegangen sei, und die Reichsregierung deshalb
neue Vorlagen machte, war es Laster, der vor allen diesen Vorlagen sich
widersetzte und ihren Erfolg auf das geringste Maß zurückführte. Damit schuf
er die Grundlagen des endlichen Umschwungs.

Dieser Umschwung in den Geschicken der Partei und zugleich die Wen¬
dung in der öffentlichen Stellung Lasters erfolgte mit Beginn des Jahres 1878.
Der Reichskanzler wollte, um die Partei enger an sich zu ketten, Herrn von
Bennigsen ein Ministerium übertragen. Dieser stellte die bekannten Bedingungen
des Miteintritts zweier weitem Parteimitglieder und gewisser "konstitutioneller
Garantien." Man hat wohl Vennigsen getadelt, daß er nicht unbedingt an¬
genommen habe. Sicherlich handelte er aber nicht auf eigne Hand; die von
ihm gestellten Bedingungen waren die nämlichen, welche ihm von den zunächst
hinter ihm Stehenden für ihre fernere Gefolgschaft gestellt waren. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß hierbei Laster, wenn er auch nicht zu denen gehörte, deren
Mitcintritt verlangt wurde, eine hervorragende Rolle gespielt habe. Die Partei
hatte -- so war ungefähr die Anschauung -- seit langen Jahren die seltene
Resignation geübt, daß sie die Regierung stützte, ohne in ihr vertreten zu sei".
Jetzt, wo endlich das Eis zu brechen schien, glaubte man, auch mit vollen An¬
sprüchen hervortreten zu dürfen. Waren erst drei Männer der Partei in der
Regierung, dann fand sich leicht das übrige. Die Fraktion selbst wurde in
solchen Dingen nicht gefragt. Sie wurde Wohl nachträglich zusammenberufen;
es wurde ihr einiges mitgeteilt und von ihr ein "billigender Fraktionsbeschluß"
extrahirt -- eine leere Formalität. Der Reichskanzler ging auf die gestellten
Bedingungen nicht ein, wenn er auch anfangs die Sache dilatorisch behandelte.
Daraus erwuchs nun, wie dies in der Natur der Dinge liegt, eine gewisse Ver¬
stimmung, vielleicht auf beiden Seiten. Zunächst folgten im Februar 1878 die
Verhandlungen über das Tabakssteucrgesetz, bei welchen Fürst Bismarck zuerst
mit dem Gedanken des Tabaksmonopols hervortrat. Dabei wurde der früher
von den liberalen Parteien gestützte Minister Camphausen durch die Reden der
Abgeordneten Laster und Bamberger so zugerichtet, daß er seiue Entlassung
nahm. Und wenn Herr Camphausen, wie die Zeitungen berichtet haben, jüngst
bei der Leichenfeier Lasters sich beteiligte, so hat er damit jedenfalls dem Toten
mehr Pietät erwiesen, als sechs Jahre früher der Lebende ihm. Dann kam die
Verhandlung im Abgeordnetenhause vom März 1878, bei welcher Fürst Bis¬
marck mit der von ihm persönlich vertretenen, dringend geforderten Änderung


Eduard Laster.

mit sich riß, sodaß das Werk nur durch wenige ihm abfallende Stimmen ge¬
rettet wurde. Hierbei, sowie noch bei manchen andern Gelegenheiten, zeigte sich
i» der Thätigkeit Lasters ein gewisser Idealismus, der ja persönlich liebens¬
würdig ist, sür den praktischen Staatsmann aber leicht verhängnisvoll werden
kann. Auch als im Laufe der weitern Jahre sich fühlbar machte, daß man in
der Gewerbeordnung und dem Strafgesetzbuch mit den freiheitlichen und Huma¬
nitären Grundsätzen etwas zu weit gegangen sei, und die Reichsregierung deshalb
neue Vorlagen machte, war es Laster, der vor allen diesen Vorlagen sich
widersetzte und ihren Erfolg auf das geringste Maß zurückführte. Damit schuf
er die Grundlagen des endlichen Umschwungs.

Dieser Umschwung in den Geschicken der Partei und zugleich die Wen¬
dung in der öffentlichen Stellung Lasters erfolgte mit Beginn des Jahres 1878.
Der Reichskanzler wollte, um die Partei enger an sich zu ketten, Herrn von
Bennigsen ein Ministerium übertragen. Dieser stellte die bekannten Bedingungen
des Miteintritts zweier weitem Parteimitglieder und gewisser „konstitutioneller
Garantien." Man hat wohl Vennigsen getadelt, daß er nicht unbedingt an¬
genommen habe. Sicherlich handelte er aber nicht auf eigne Hand; die von
ihm gestellten Bedingungen waren die nämlichen, welche ihm von den zunächst
hinter ihm Stehenden für ihre fernere Gefolgschaft gestellt waren. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß hierbei Laster, wenn er auch nicht zu denen gehörte, deren
Mitcintritt verlangt wurde, eine hervorragende Rolle gespielt habe. Die Partei
hatte — so war ungefähr die Anschauung — seit langen Jahren die seltene
Resignation geübt, daß sie die Regierung stützte, ohne in ihr vertreten zu sei».
Jetzt, wo endlich das Eis zu brechen schien, glaubte man, auch mit vollen An¬
sprüchen hervortreten zu dürfen. Waren erst drei Männer der Partei in der
Regierung, dann fand sich leicht das übrige. Die Fraktion selbst wurde in
solchen Dingen nicht gefragt. Sie wurde Wohl nachträglich zusammenberufen;
es wurde ihr einiges mitgeteilt und von ihr ein „billigender Fraktionsbeschluß"
extrahirt — eine leere Formalität. Der Reichskanzler ging auf die gestellten
Bedingungen nicht ein, wenn er auch anfangs die Sache dilatorisch behandelte.
Daraus erwuchs nun, wie dies in der Natur der Dinge liegt, eine gewisse Ver¬
stimmung, vielleicht auf beiden Seiten. Zunächst folgten im Februar 1878 die
Verhandlungen über das Tabakssteucrgesetz, bei welchen Fürst Bismarck zuerst
mit dem Gedanken des Tabaksmonopols hervortrat. Dabei wurde der früher
von den liberalen Parteien gestützte Minister Camphausen durch die Reden der
Abgeordneten Laster und Bamberger so zugerichtet, daß er seiue Entlassung
nahm. Und wenn Herr Camphausen, wie die Zeitungen berichtet haben, jüngst
bei der Leichenfeier Lasters sich beteiligte, so hat er damit jedenfalls dem Toten
mehr Pietät erwiesen, als sechs Jahre früher der Lebende ihm. Dann kam die
Verhandlung im Abgeordnetenhause vom März 1878, bei welcher Fürst Bis¬
marck mit der von ihm persönlich vertretenen, dringend geforderten Änderung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/598>, abgerufen am 24.07.2024.