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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Eduard Casker,

ständigung und ihm suchte. Er hat in diesem Sinne lange Jahre hindurch im
großen Ganzen wohlthätig gewirkt. Er hat namentlich keine Scheu getragen,
mit der Schärfe seiner Zunge auch seine frühern Freunde, die Fortschritts¬
männer, in ihrer hohlen Priuzipienreitcrei zu geißeln. Ihnen gegenüber war er
namentlich bemüht, die Bundesverfassung zum endgiltigen Abschluß zu bringen.
Als der Abgeordnete Virchow im November 1869 seinen vielgenannten Antrag
auf "Abrüstung" stellte, war es Laster, der in vortrefflicher Rede ihm entgegen¬
trat. Auch bei der deutschen Gewerbeordnung und dem Strafgesetzbuch entfaltete
Laster die eifrigste Thätigkeit und hat in vielen Beziehungen Nützliches geschaffen.
Überhaupt müssen wir hervorheben, daß Laster nicht bloß, wie wohl andre
hochstehende Parlamentarier, für große Fragen Interesse hatte, sondern auch
dem, was man den kleinen Dienst bei der Gesetzgebung nennen kann, seine volle
Aufmerksamkeit widmete. Sein rastloser Fleiß und seine vorzügliche Gestaltungs¬
kraft setzten ihn dazu in den Stand.

Auf der Höhe seiner Wirksamkeit stand Laster, als er am 7. Februar 1873
im Abgeordnetenhaus" seine berühmte Rede gegen das Gründertum hielt, auf
die dann im Reichstage am 4. April 1873 seine große Rede über die not¬
wendige Reform des Akticnwesens folgte. Nicht ohne Grund hat man bemerkt,
daß mit diesen Reden Laster -- freilich ohne es zu ahnen -- den ersten An¬
stoß zu der rückläufigen Bewegung unsrer Wirtschaftspolitik gegeben habe. Und
jedenfalls ist es fast komisch, daß jetzt, wo die Reform des Aktienwesens endlich
in Angriff genommen werden soll, die Gesinnungsgenossen Lasters ihn gänzlich
verleugnen und von der Reform nichts wissen wollen. Wir glauben auch nicht,
daß Laster, wie man wohl behauptet hat, jene Schritte nur gethan habe, um
einen verhaßten politischen Gegner zu stürzen. Es war ihm aufrichtig um die
Sache zu thun. Hatte er doch schou vorher vergeblich versucht, den preußischen
Justizminister zu einem Einschreiten gegen den Unfug der Gründerei zu veran¬
lassen. Auch müssen wir noch hervorheben, daß damals bereits, und zwar so
viel wir wissen zu allererst, Laster den Gedanken aussprach, es sei eine Not¬
wendigkeit, daß das Eisenbahnwesen im Laufe der Zeit in die Hemd des Staates
übergehe. Ohne Zweifel hat er durch diese seiner Partei angewiesene Richtung
dazu beigetragen, daß die spätere Verstaatlichung der Eisenbahnen im Abge¬
ordnetenhause eine Mehrheit fand.

Aber schon damals war die Wirksamkeit Lasters auch nicht ohne Fehler.
Hatte Virchow im Herbst 1869 einen thörichten Antrag auf Abrüstung gestellt,
so stellte Laster im Frühjahr 1870 einen Antrag auf "Aufnahme Badens in
den norddeutschen Bund," einen Antrag, welcher kaum minder unzeitgemäß war,
den Kanzler in große Verlegenheit brachte und der Partei eine arge Schlappe
eintrug. Und ferner: wenn das Strafgesetzbuch zustande kam, so war es nicht
das Verdienst Lasters, da dieser dasselbe an der Frage der Todesstrafe scheitern
lassen wollte, auch die Mehrzahl seiner Partei, einschließlich sämtlicher Führer,


Eduard Casker,

ständigung und ihm suchte. Er hat in diesem Sinne lange Jahre hindurch im
großen Ganzen wohlthätig gewirkt. Er hat namentlich keine Scheu getragen,
mit der Schärfe seiner Zunge auch seine frühern Freunde, die Fortschritts¬
männer, in ihrer hohlen Priuzipienreitcrei zu geißeln. Ihnen gegenüber war er
namentlich bemüht, die Bundesverfassung zum endgiltigen Abschluß zu bringen.
Als der Abgeordnete Virchow im November 1869 seinen vielgenannten Antrag
auf „Abrüstung" stellte, war es Laster, der in vortrefflicher Rede ihm entgegen¬
trat. Auch bei der deutschen Gewerbeordnung und dem Strafgesetzbuch entfaltete
Laster die eifrigste Thätigkeit und hat in vielen Beziehungen Nützliches geschaffen.
Überhaupt müssen wir hervorheben, daß Laster nicht bloß, wie wohl andre
hochstehende Parlamentarier, für große Fragen Interesse hatte, sondern auch
dem, was man den kleinen Dienst bei der Gesetzgebung nennen kann, seine volle
Aufmerksamkeit widmete. Sein rastloser Fleiß und seine vorzügliche Gestaltungs¬
kraft setzten ihn dazu in den Stand.

Auf der Höhe seiner Wirksamkeit stand Laster, als er am 7. Februar 1873
im Abgeordnetenhaus« seine berühmte Rede gegen das Gründertum hielt, auf
die dann im Reichstage am 4. April 1873 seine große Rede über die not¬
wendige Reform des Akticnwesens folgte. Nicht ohne Grund hat man bemerkt,
daß mit diesen Reden Laster — freilich ohne es zu ahnen — den ersten An¬
stoß zu der rückläufigen Bewegung unsrer Wirtschaftspolitik gegeben habe. Und
jedenfalls ist es fast komisch, daß jetzt, wo die Reform des Aktienwesens endlich
in Angriff genommen werden soll, die Gesinnungsgenossen Lasters ihn gänzlich
verleugnen und von der Reform nichts wissen wollen. Wir glauben auch nicht,
daß Laster, wie man wohl behauptet hat, jene Schritte nur gethan habe, um
einen verhaßten politischen Gegner zu stürzen. Es war ihm aufrichtig um die
Sache zu thun. Hatte er doch schou vorher vergeblich versucht, den preußischen
Justizminister zu einem Einschreiten gegen den Unfug der Gründerei zu veran¬
lassen. Auch müssen wir noch hervorheben, daß damals bereits, und zwar so
viel wir wissen zu allererst, Laster den Gedanken aussprach, es sei eine Not¬
wendigkeit, daß das Eisenbahnwesen im Laufe der Zeit in die Hemd des Staates
übergehe. Ohne Zweifel hat er durch diese seiner Partei angewiesene Richtung
dazu beigetragen, daß die spätere Verstaatlichung der Eisenbahnen im Abge¬
ordnetenhause eine Mehrheit fand.

Aber schon damals war die Wirksamkeit Lasters auch nicht ohne Fehler.
Hatte Virchow im Herbst 1869 einen thörichten Antrag auf Abrüstung gestellt,
so stellte Laster im Frühjahr 1870 einen Antrag auf „Aufnahme Badens in
den norddeutschen Bund," einen Antrag, welcher kaum minder unzeitgemäß war,
den Kanzler in große Verlegenheit brachte und der Partei eine arge Schlappe
eintrug. Und ferner: wenn das Strafgesetzbuch zustande kam, so war es nicht
das Verdienst Lasters, da dieser dasselbe an der Frage der Todesstrafe scheitern
lassen wollte, auch die Mehrzahl seiner Partei, einschließlich sämtlicher Führer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/597>, abgerufen am 24.07.2024.