Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Eduard Laster, mäßig. Nie sah man ihn auf der Fraktionskneipe. Er rauchte auch nicht und Fragen wir, wodurch Laster seinen bedeutenden Einfluß gewonnen und Kam eine wichtige Frage zuerst in der Fraktion zur Beratung, so trat in Unbestreitbar hat Laster im Laufe seiner parlamentarischen Thätigkeit sich Eduard Laster, mäßig. Nie sah man ihn auf der Fraktionskneipe. Er rauchte auch nicht und Fragen wir, wodurch Laster seinen bedeutenden Einfluß gewonnen und Kam eine wichtige Frage zuerst in der Fraktion zur Beratung, so trat in Unbestreitbar hat Laster im Laufe seiner parlamentarischen Thätigkeit sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0596" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155479"/> <fw type="header" place="top"> Eduard Laster,</fw><lb/> <p xml:id="ID_2408" prev="#ID_2407"> mäßig. Nie sah man ihn auf der Fraktionskneipe. Er rauchte auch nicht und<lb/> war stets bemüht, das übertriebene Rauchen in den Fraktionsversammlungen<lb/> zu beschränke». Er war über die Maßen fleißig und betriebsam. Er hatte stets<lb/> alles gelesen und studirt. Er fehlte nie in einer Sitzung, weder des Plenums,<lb/> uoch der Fraktion oder einer Kommission. Er war stets auf seinem Platze und<lb/> lieh der Sache unausgesetzt sein Ohr. So stand er gewissermaßen auf der<lb/> Warte der Partei, stets auslugeud, ob nicht Veranlassung gegeben sei, in die<lb/> Verhandlung einzugreifen. Er war längere Zeit hindurch der häufigste Redner.<lb/> Kam es zur Abstimmung, so gab er durch sein Aufstehen oder Sitzenbleiben<lb/> den Unschlüssigen der Fraktion das Zeichen, wie sie stimmen sollten. Neben<lb/> diesen vorzüglichen Eigenschaften besaß er aber auch die Schwächen, die mau<lb/> gewöhnlich mit dem jüdischen Naturell verbunden findet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2409"> Fragen wir, wodurch Laster seinen bedeutenden Einfluß gewonnen und<lb/> lange Zeit hindurch bewahrt habe, so war es, neben den bereits hervorgehobnen<lb/> Eigenschaften, vor allem eine außerordentliche Beweglichkeit des Geistes, die<lb/> ihm zu Gebote stand. Laster war weder ein tiefer Denker, noch ein bedeutender<lb/> Jurist. Er nahm auch garnicht in Anspruch, die Gedanken, die er vertrat,<lb/> durchweg selbst zu erzeugen. Er hörte gern andre und assimilirte sich deren<lb/> Gedanken. Seine Kunst bestand in der unglaublichen Geschicklichkeit, jeden<lb/> Gedanken sofort in Worte einzukleiden und mit großer dialektischer Schürfe zu<lb/> vertreten. Seine Begabung zur Improvisation war so groß, daß meist seine<lb/> Repliken uoch besser ausfielen als seine ersten Augriffsreden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2410"> Kam eine wichtige Frage zuerst in der Fraktion zur Beratung, so trat in<lb/> der Regel Laster als erster Redner auf und sprach mit der größten Ent¬<lb/> schiedenheit seine Ansicht aus. Damit war die Fraktion präokkupirt. Es gab<lb/> ja oft manche darin, welche gegen die Ansicht Lasters Bedenken hegten. Aber<lb/> wer vermochte mit gleicher Entschiedenheit wie er aufzutreten? Wer konnte es<lb/> an Sprachgewandtheit mit ihm aufnehmen? Wagte jemand einen Widerspruch,<lb/> so wurde er mit einer Flut dialektischer Wendungen überschüttet, gegen welche<lb/> nicht auszukommen war. Es ist ja Wohl zu vermuten, daß Laster bei solchem<lb/> Auftreten meist schon im voraus mit den übrigen leitenden Persönlichkeiten der<lb/> Fraktion ins Einvernehmen getreten war. Der äußern Erscheinung nach aber<lb/> war es oft wunderlich, daß diese, denen man doch in erster Linie die Leitung<lb/> beimaß, sie thatsächlich Laster überließen. Mit der Fraktion, die er hinter sich<lb/> Herzog, leitete er dann aber auch das ganze Parlament.</p><lb/> <p xml:id="ID_2411" next="#ID_2412"> Unbestreitbar hat Laster im Laufe seiner parlamentarischen Thätigkeit sich<lb/> Verdienste erworben. Es war schon von großem Wert, daß er bei dem Schei¬<lb/> dungsprozeß, der im Herbste des Jahres 1866 zwischen Fortschritt und National¬<lb/> liberalen sich vollzog, auf die Seite der letztern trat und seine bedeutende<lb/> Kraft in den Dienst einer Partei stellte, die um der nationalen Sache willen<lb/> jede prinzipielle Opposition gegen Herrn von Bismarck aufgab und noch Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0596]
Eduard Laster,
mäßig. Nie sah man ihn auf der Fraktionskneipe. Er rauchte auch nicht und
war stets bemüht, das übertriebene Rauchen in den Fraktionsversammlungen
zu beschränke». Er war über die Maßen fleißig und betriebsam. Er hatte stets
alles gelesen und studirt. Er fehlte nie in einer Sitzung, weder des Plenums,
uoch der Fraktion oder einer Kommission. Er war stets auf seinem Platze und
lieh der Sache unausgesetzt sein Ohr. So stand er gewissermaßen auf der
Warte der Partei, stets auslugeud, ob nicht Veranlassung gegeben sei, in die
Verhandlung einzugreifen. Er war längere Zeit hindurch der häufigste Redner.
Kam es zur Abstimmung, so gab er durch sein Aufstehen oder Sitzenbleiben
den Unschlüssigen der Fraktion das Zeichen, wie sie stimmen sollten. Neben
diesen vorzüglichen Eigenschaften besaß er aber auch die Schwächen, die mau
gewöhnlich mit dem jüdischen Naturell verbunden findet.
Fragen wir, wodurch Laster seinen bedeutenden Einfluß gewonnen und
lange Zeit hindurch bewahrt habe, so war es, neben den bereits hervorgehobnen
Eigenschaften, vor allem eine außerordentliche Beweglichkeit des Geistes, die
ihm zu Gebote stand. Laster war weder ein tiefer Denker, noch ein bedeutender
Jurist. Er nahm auch garnicht in Anspruch, die Gedanken, die er vertrat,
durchweg selbst zu erzeugen. Er hörte gern andre und assimilirte sich deren
Gedanken. Seine Kunst bestand in der unglaublichen Geschicklichkeit, jeden
Gedanken sofort in Worte einzukleiden und mit großer dialektischer Schürfe zu
vertreten. Seine Begabung zur Improvisation war so groß, daß meist seine
Repliken uoch besser ausfielen als seine ersten Augriffsreden.
Kam eine wichtige Frage zuerst in der Fraktion zur Beratung, so trat in
der Regel Laster als erster Redner auf und sprach mit der größten Ent¬
schiedenheit seine Ansicht aus. Damit war die Fraktion präokkupirt. Es gab
ja oft manche darin, welche gegen die Ansicht Lasters Bedenken hegten. Aber
wer vermochte mit gleicher Entschiedenheit wie er aufzutreten? Wer konnte es
an Sprachgewandtheit mit ihm aufnehmen? Wagte jemand einen Widerspruch,
so wurde er mit einer Flut dialektischer Wendungen überschüttet, gegen welche
nicht auszukommen war. Es ist ja Wohl zu vermuten, daß Laster bei solchem
Auftreten meist schon im voraus mit den übrigen leitenden Persönlichkeiten der
Fraktion ins Einvernehmen getreten war. Der äußern Erscheinung nach aber
war es oft wunderlich, daß diese, denen man doch in erster Linie die Leitung
beimaß, sie thatsächlich Laster überließen. Mit der Fraktion, die er hinter sich
Herzog, leitete er dann aber auch das ganze Parlament.
Unbestreitbar hat Laster im Laufe seiner parlamentarischen Thätigkeit sich
Verdienste erworben. Es war schon von großem Wert, daß er bei dem Schei¬
dungsprozeß, der im Herbste des Jahres 1866 zwischen Fortschritt und National¬
liberalen sich vollzog, auf die Seite der letztern trat und seine bedeutende
Kraft in den Dienst einer Partei stellte, die um der nationalen Sache willen
jede prinzipielle Opposition gegen Herrn von Bismarck aufgab und noch Ver-
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