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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Der Literarische verein in Stuttgart.

Die Dramen des Hans Sachs und seiner Zeitgenossen und Vorgänger
wurden von Dilettanten aufgeführt. Die zünftigen Schauspieler stammen ja
aus England. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen solche zünftige eng¬
lische Schauspieler nach Deutschland, wo Herzog Heinrich Julius von
Braunschweig und der Landgraf Moritz von Hessen zuerst sich derartige
Truppen hielten. Der erstere begnügte sich jedoch nicht mit der Rolle eines
Gönners der dramatischen Poesie, sondern ließ sich durch die Stücke seiner
Schauspieler zu eignem Schaffen anregen und versuchte sich in dramatischen
Schwanken und in der Tragödie. Ebenso wirkten die Engländer auf Jakob
Ayrer, einen Nürnberger, der, wenn auch mit wenig Erfolg, die ausländischen
Künste mit dem von Hans Sachs Überkommenen zu verbinden suchte. Die
Kenntnis dieser Werke als wichtiger Glieder in der Entwicklung der dramatischen
Poesie ist für den Literarhistoriker unentbehrlich, und so ist es höchst dankens¬
wert, daß Keller und Holland auch die Dramen der genannten beiden Dichter
in die Vereinspublikativnen mit aufgenommen haben.

Unter den deutschen Dramatikern des siebzehnten Jahrhunderts nimmt
Andreas Grhvhius, namentlich durch seine Lustspiele, eine hervorragende
Stellung ein; für den Literarischen Verein gab Hermann Palm in Breslau die
ganze Sammlung derselben heraus.

Von den Zuständen Deutschlands während des dreißigjährigen Krieges ge¬
winnen wir nirgends ein treueres Bild als aus dem Abenteuerlichen Sim-
plicissimus des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, welchen
wiederum Keller in vier Bänden zum Abdruck gebracht hat. Nehmen wir
dazu noch Paul Flemmings deutsche Gedichte, Friedrich von Logaus
sämtliche Sinngedichte und endlich Fausts Leben von Georg Rudolf
Widmann, fo glauben wir alles aufgezählt zu haben, was von den Publika¬
tionen des Literarischen Vereins ans dem Gebiete der deutschen Poesie auch auf
die Teilnahme nichtfachmännischer Literaturfreuude Anspruch erheben kann.

Viel kleiner ist die Anzahl derjenigen Bände, welche der lateinischen Poesie
gewidmet sind. Jedoch befindet sich darunter ein Band, der zu den wichtigsten
und wertvollsten Gaben unter den Vereinsschriften gerechnet werden muß. Es
sind dies die durch Joh. Andr. Schmeller, den einstigen hochverdienten Di¬
rektor der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, publizirten L!s.riuiiiÄ dur^na,


hat. Bereits sind davon vier Vändchen erschienen: ein fünftes wird denselben in kürzester Frist
folgen, worauf die schwanke Hans Sachsens ins Auge gefaßt werden sollen. Durch den
Buchhandel (Halle, Niemeyer) jedermann für ein Billiges zugänglich, empfehlen sich diese mit
allen Feinheiten philologischer Methode direkt nach den Handschriften und ältesten Drucken
edirten BKndchen sowohl dem weniger bemittelten Gelehrten wie dem bloß um des Genusses
willen Lesenden in gleicher Weise. Namentlich mag Vereinen, die zu heiteren Zwecken eine
Wiederaufführung eines Hans Sächsischen Fastnachtsspieles beabsichtigen, diese kleine billige
Ausgabe warm empfohlen sein.
Der Literarische verein in Stuttgart.

Die Dramen des Hans Sachs und seiner Zeitgenossen und Vorgänger
wurden von Dilettanten aufgeführt. Die zünftigen Schauspieler stammen ja
aus England. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen solche zünftige eng¬
lische Schauspieler nach Deutschland, wo Herzog Heinrich Julius von
Braunschweig und der Landgraf Moritz von Hessen zuerst sich derartige
Truppen hielten. Der erstere begnügte sich jedoch nicht mit der Rolle eines
Gönners der dramatischen Poesie, sondern ließ sich durch die Stücke seiner
Schauspieler zu eignem Schaffen anregen und versuchte sich in dramatischen
Schwanken und in der Tragödie. Ebenso wirkten die Engländer auf Jakob
Ayrer, einen Nürnberger, der, wenn auch mit wenig Erfolg, die ausländischen
Künste mit dem von Hans Sachs Überkommenen zu verbinden suchte. Die
Kenntnis dieser Werke als wichtiger Glieder in der Entwicklung der dramatischen
Poesie ist für den Literarhistoriker unentbehrlich, und so ist es höchst dankens¬
wert, daß Keller und Holland auch die Dramen der genannten beiden Dichter
in die Vereinspublikativnen mit aufgenommen haben.

Unter den deutschen Dramatikern des siebzehnten Jahrhunderts nimmt
Andreas Grhvhius, namentlich durch seine Lustspiele, eine hervorragende
Stellung ein; für den Literarischen Verein gab Hermann Palm in Breslau die
ganze Sammlung derselben heraus.

Von den Zuständen Deutschlands während des dreißigjährigen Krieges ge¬
winnen wir nirgends ein treueres Bild als aus dem Abenteuerlichen Sim-
plicissimus des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, welchen
wiederum Keller in vier Bänden zum Abdruck gebracht hat. Nehmen wir
dazu noch Paul Flemmings deutsche Gedichte, Friedrich von Logaus
sämtliche Sinngedichte und endlich Fausts Leben von Georg Rudolf
Widmann, fo glauben wir alles aufgezählt zu haben, was von den Publika¬
tionen des Literarischen Vereins ans dem Gebiete der deutschen Poesie auch auf
die Teilnahme nichtfachmännischer Literaturfreuude Anspruch erheben kann.

Viel kleiner ist die Anzahl derjenigen Bände, welche der lateinischen Poesie
gewidmet sind. Jedoch befindet sich darunter ein Band, der zu den wichtigsten
und wertvollsten Gaben unter den Vereinsschriften gerechnet werden muß. Es
sind dies die durch Joh. Andr. Schmeller, den einstigen hochverdienten Di¬
rektor der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, publizirten L!s.riuiiiÄ dur^na,


hat. Bereits sind davon vier Vändchen erschienen: ein fünftes wird denselben in kürzester Frist
folgen, worauf die schwanke Hans Sachsens ins Auge gefaßt werden sollen. Durch den
Buchhandel (Halle, Niemeyer) jedermann für ein Billiges zugänglich, empfehlen sich diese mit
allen Feinheiten philologischer Methode direkt nach den Handschriften und ältesten Drucken
edirten BKndchen sowohl dem weniger bemittelten Gelehrten wie dem bloß um des Genusses
willen Lesenden in gleicher Weise. Namentlich mag Vereinen, die zu heiteren Zwecken eine
Wiederaufführung eines Hans Sächsischen Fastnachtsspieles beabsichtigen, diese kleine billige
Ausgabe warm empfohlen sein.
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[0566] Der Literarische verein in Stuttgart. Die Dramen des Hans Sachs und seiner Zeitgenossen und Vorgänger wurden von Dilettanten aufgeführt. Die zünftigen Schauspieler stammen ja aus England. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen solche zünftige eng¬ lische Schauspieler nach Deutschland, wo Herzog Heinrich Julius von Braunschweig und der Landgraf Moritz von Hessen zuerst sich derartige Truppen hielten. Der erstere begnügte sich jedoch nicht mit der Rolle eines Gönners der dramatischen Poesie, sondern ließ sich durch die Stücke seiner Schauspieler zu eignem Schaffen anregen und versuchte sich in dramatischen Schwanken und in der Tragödie. Ebenso wirkten die Engländer auf Jakob Ayrer, einen Nürnberger, der, wenn auch mit wenig Erfolg, die ausländischen Künste mit dem von Hans Sachs Überkommenen zu verbinden suchte. Die Kenntnis dieser Werke als wichtiger Glieder in der Entwicklung der dramatischen Poesie ist für den Literarhistoriker unentbehrlich, und so ist es höchst dankens¬ wert, daß Keller und Holland auch die Dramen der genannten beiden Dichter in die Vereinspublikativnen mit aufgenommen haben. Unter den deutschen Dramatikern des siebzehnten Jahrhunderts nimmt Andreas Grhvhius, namentlich durch seine Lustspiele, eine hervorragende Stellung ein; für den Literarischen Verein gab Hermann Palm in Breslau die ganze Sammlung derselben heraus. Von den Zuständen Deutschlands während des dreißigjährigen Krieges ge¬ winnen wir nirgends ein treueres Bild als aus dem Abenteuerlichen Sim- plicissimus des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, welchen wiederum Keller in vier Bänden zum Abdruck gebracht hat. Nehmen wir dazu noch Paul Flemmings deutsche Gedichte, Friedrich von Logaus sämtliche Sinngedichte und endlich Fausts Leben von Georg Rudolf Widmann, fo glauben wir alles aufgezählt zu haben, was von den Publika¬ tionen des Literarischen Vereins ans dem Gebiete der deutschen Poesie auch auf die Teilnahme nichtfachmännischer Literaturfreuude Anspruch erheben kann. Viel kleiner ist die Anzahl derjenigen Bände, welche der lateinischen Poesie gewidmet sind. Jedoch befindet sich darunter ein Band, der zu den wichtigsten und wertvollsten Gaben unter den Vereinsschriften gerechnet werden muß. Es sind dies die durch Joh. Andr. Schmeller, den einstigen hochverdienten Di¬ rektor der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, publizirten L!s.riuiiiÄ dur^na, hat. Bereits sind davon vier Vändchen erschienen: ein fünftes wird denselben in kürzester Frist folgen, worauf die schwanke Hans Sachsens ins Auge gefaßt werden sollen. Durch den Buchhandel (Halle, Niemeyer) jedermann für ein Billiges zugänglich, empfehlen sich diese mit allen Feinheiten philologischer Methode direkt nach den Handschriften und ältesten Drucken edirten BKndchen sowohl dem weniger bemittelten Gelehrten wie dem bloß um des Genusses willen Lesenden in gleicher Weise. Namentlich mag Vereinen, die zu heiteren Zwecken eine Wiederaufführung eines Hans Sächsischen Fastnachtsspieles beabsichtigen, diese kleine billige Ausgabe warm empfohlen sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/566>, abgerufen am 26.08.2024.