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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zusammenkunft Abrahams mit Melchisedek, die Mannahlese, den Propheten Elias
in der Wüste und das Passahfcst der Israeliten, Die beiden ersten sind in die
Münchener Pinakothek, die beiden andern in das Berliner Museum gekommen.
Dem Gegenstände der Darstellung entsprechend bildet eine reiche Landschaft den
Hintergrund der drei ersten Tafeln. Auf der vierten blicken wir in ein Gemach
mit getäfelter Decke, dessen Fußboden sauber mit farbige" Steinfliesen ausgelegt
ist. In der Mitte ist ein viereckiger Tisch aufgestellt, welchen sechs Personen
umstehen. Auf einer großen Zinnschüssel liegt das gebratene Passahlamm. Ein
Mann ist beschäftigt, dasselbe mit einem Messer zu zerlegen. Messer bilden auch
das einzige Handgerät der andern Tischgenossen. Gabeln waren also damals in
bürgerlichen Kreisen noch unbekannt; sie kamen wohl erst im Laufe des 16. Jahr¬
hunderts in allgemeinen Gebrauch. Auf dem Tische stehen ferner dunkelgrüne,
mit Buckeln verzierte Trinkgläser und andre aus goldig schillerndem Glase. An
der linken Wand des Zimmers steht ein Kredenzschrank mit einer zinnernen Kanne
und grünen Gläsern, unter dem Fenster, welches von innen durch Läden ge¬
schlossen werden kann und dessen unterer Teil mit Vorsetzen, versehen ist, eine
hölzerne Bank. Ganz vorn zur Linken blickt man durch eine Thür in einen
Borhof, der durch eine Mauer mit Thor von der Straße abgeschlossen ist. Die
runden Brote auf dem Tische haben dieselbe Form, welche sich bis heute in
Belgien und Holland erhalten hat. Im Gegensatz zu dieser Familicumahlzcit
geht das Abendmahl des Herrn auf dem Mittel bilde des Löweuer Altars in
einem großen Saale vor sich, dessen Fußboden noch zierlicher mit buntem
Marmormosaik ausgelegt ist. Christus und seine Jünger sitzen ans Bänken und
Schemel" um deu Tisch herum, auf welchem sich neben Messern, Gläsern, Broden
und der großen Zinnschüssel auch zwei kunstvoll gearbeitete Pokale befinden.
Merkwürdig ist, daß an der Schmalseite des Saales neben dem hohen Kamine
eine durch eine Klappe zu verschließende Öffnung angebracht ist, durch welche
offenbar die Speisen von dem aufwartenden Diener dargereicht wurden. Denn
auf der Klappe stehen noch zwei Schüsseln, und zwei Männer blicken von
draußen durch die Öffnung in den Saal herein.

In der Absicht, energische Farbcnkontraste hervorzubringen, verzichtet Dicrick
Bvuts darauf, in seinen Landschaften die Übergänge so fein zu vermitteln wie
es Roger van der Westen und Meinung lieben. Die Nähe erscheint ihm grün
und die Ferne von einen: blauen Schleier umwoben. Mittcltöne sieht er nicht,
und darum läßt er den Hintergrund wie eine blaue Koulisse in die grüne
Landschaft des Vorder- und Mittelgrundes einschneiden. Auf die Linearperspektive
verstand er sich wohl, wie seine Ansichten von Jnnenröumen beweisen; aber
das Geheimnis der Luftperspektive war ihm noch verschlossen, weil seine Augen
noch nicht gebildet genug waren, um die Luft zu sehen und ihre wunderbare
Wirksamkeit in Bezug auf die Auseiuauderschiebuug der Pläne und die Ver¬
kleinerung der Gegenstünde zu erkennen.


Zusammenkunft Abrahams mit Melchisedek, die Mannahlese, den Propheten Elias
in der Wüste und das Passahfcst der Israeliten, Die beiden ersten sind in die
Münchener Pinakothek, die beiden andern in das Berliner Museum gekommen.
Dem Gegenstände der Darstellung entsprechend bildet eine reiche Landschaft den
Hintergrund der drei ersten Tafeln. Auf der vierten blicken wir in ein Gemach
mit getäfelter Decke, dessen Fußboden sauber mit farbige» Steinfliesen ausgelegt
ist. In der Mitte ist ein viereckiger Tisch aufgestellt, welchen sechs Personen
umstehen. Auf einer großen Zinnschüssel liegt das gebratene Passahlamm. Ein
Mann ist beschäftigt, dasselbe mit einem Messer zu zerlegen. Messer bilden auch
das einzige Handgerät der andern Tischgenossen. Gabeln waren also damals in
bürgerlichen Kreisen noch unbekannt; sie kamen wohl erst im Laufe des 16. Jahr¬
hunderts in allgemeinen Gebrauch. Auf dem Tische stehen ferner dunkelgrüne,
mit Buckeln verzierte Trinkgläser und andre aus goldig schillerndem Glase. An
der linken Wand des Zimmers steht ein Kredenzschrank mit einer zinnernen Kanne
und grünen Gläsern, unter dem Fenster, welches von innen durch Läden ge¬
schlossen werden kann und dessen unterer Teil mit Vorsetzen, versehen ist, eine
hölzerne Bank. Ganz vorn zur Linken blickt man durch eine Thür in einen
Borhof, der durch eine Mauer mit Thor von der Straße abgeschlossen ist. Die
runden Brote auf dem Tische haben dieselbe Form, welche sich bis heute in
Belgien und Holland erhalten hat. Im Gegensatz zu dieser Familicumahlzcit
geht das Abendmahl des Herrn auf dem Mittel bilde des Löweuer Altars in
einem großen Saale vor sich, dessen Fußboden noch zierlicher mit buntem
Marmormosaik ausgelegt ist. Christus und seine Jünger sitzen ans Bänken und
Schemel» um deu Tisch herum, auf welchem sich neben Messern, Gläsern, Broden
und der großen Zinnschüssel auch zwei kunstvoll gearbeitete Pokale befinden.
Merkwürdig ist, daß an der Schmalseite des Saales neben dem hohen Kamine
eine durch eine Klappe zu verschließende Öffnung angebracht ist, durch welche
offenbar die Speisen von dem aufwartenden Diener dargereicht wurden. Denn
auf der Klappe stehen noch zwei Schüsseln, und zwei Männer blicken von
draußen durch die Öffnung in den Saal herein.

In der Absicht, energische Farbcnkontraste hervorzubringen, verzichtet Dicrick
Bvuts darauf, in seinen Landschaften die Übergänge so fein zu vermitteln wie
es Roger van der Westen und Meinung lieben. Die Nähe erscheint ihm grün
und die Ferne von einen: blauen Schleier umwoben. Mittcltöne sieht er nicht,
und darum läßt er den Hintergrund wie eine blaue Koulisse in die grüne
Landschaft des Vorder- und Mittelgrundes einschneiden. Auf die Linearperspektive
verstand er sich wohl, wie seine Ansichten von Jnnenröumen beweisen; aber
das Geheimnis der Luftperspektive war ihm noch verschlossen, weil seine Augen
noch nicht gebildet genug waren, um die Luft zu sehen und ihre wunderbare
Wirksamkeit in Bezug auf die Auseiuauderschiebuug der Pläne und die Ver¬
kleinerung der Gegenstünde zu erkennen.


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[0408] Zusammenkunft Abrahams mit Melchisedek, die Mannahlese, den Propheten Elias in der Wüste und das Passahfcst der Israeliten, Die beiden ersten sind in die Münchener Pinakothek, die beiden andern in das Berliner Museum gekommen. Dem Gegenstände der Darstellung entsprechend bildet eine reiche Landschaft den Hintergrund der drei ersten Tafeln. Auf der vierten blicken wir in ein Gemach mit getäfelter Decke, dessen Fußboden sauber mit farbige» Steinfliesen ausgelegt ist. In der Mitte ist ein viereckiger Tisch aufgestellt, welchen sechs Personen umstehen. Auf einer großen Zinnschüssel liegt das gebratene Passahlamm. Ein Mann ist beschäftigt, dasselbe mit einem Messer zu zerlegen. Messer bilden auch das einzige Handgerät der andern Tischgenossen. Gabeln waren also damals in bürgerlichen Kreisen noch unbekannt; sie kamen wohl erst im Laufe des 16. Jahr¬ hunderts in allgemeinen Gebrauch. Auf dem Tische stehen ferner dunkelgrüne, mit Buckeln verzierte Trinkgläser und andre aus goldig schillerndem Glase. An der linken Wand des Zimmers steht ein Kredenzschrank mit einer zinnernen Kanne und grünen Gläsern, unter dem Fenster, welches von innen durch Läden ge¬ schlossen werden kann und dessen unterer Teil mit Vorsetzen, versehen ist, eine hölzerne Bank. Ganz vorn zur Linken blickt man durch eine Thür in einen Borhof, der durch eine Mauer mit Thor von der Straße abgeschlossen ist. Die runden Brote auf dem Tische haben dieselbe Form, welche sich bis heute in Belgien und Holland erhalten hat. Im Gegensatz zu dieser Familicumahlzcit geht das Abendmahl des Herrn auf dem Mittel bilde des Löweuer Altars in einem großen Saale vor sich, dessen Fußboden noch zierlicher mit buntem Marmormosaik ausgelegt ist. Christus und seine Jünger sitzen ans Bänken und Schemel» um deu Tisch herum, auf welchem sich neben Messern, Gläsern, Broden und der großen Zinnschüssel auch zwei kunstvoll gearbeitete Pokale befinden. Merkwürdig ist, daß an der Schmalseite des Saales neben dem hohen Kamine eine durch eine Klappe zu verschließende Öffnung angebracht ist, durch welche offenbar die Speisen von dem aufwartenden Diener dargereicht wurden. Denn auf der Klappe stehen noch zwei Schüsseln, und zwei Männer blicken von draußen durch die Öffnung in den Saal herein. In der Absicht, energische Farbcnkontraste hervorzubringen, verzichtet Dicrick Bvuts darauf, in seinen Landschaften die Übergänge so fein zu vermitteln wie es Roger van der Westen und Meinung lieben. Die Nähe erscheint ihm grün und die Ferne von einen: blauen Schleier umwoben. Mittcltöne sieht er nicht, und darum läßt er den Hintergrund wie eine blaue Koulisse in die grüne Landschaft des Vorder- und Mittelgrundes einschneiden. Auf die Linearperspektive verstand er sich wohl, wie seine Ansichten von Jnnenröumen beweisen; aber das Geheimnis der Luftperspektive war ihm noch verschlossen, weil seine Augen noch nicht gebildet genug waren, um die Luft zu sehen und ihre wunderbare Wirksamkeit in Bezug auf die Auseiuauderschiebuug der Pläne und die Ver¬ kleinerung der Gegenstünde zu erkennen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/408>, abgerufen am 03.07.2024.