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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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L. Seidels und F. A. v. Schacks sämtliche Werke.

druck aller dieser Dichtungen kurz charakterisiren, so drängt sich doch das Wort
eklektisch in die widerstrebende Feder, Wir denken hierbei ganz unmittelbar an
die großen und in ihrer Weise ohne Frage unsterblichen Eklektiker der Malerei.
Wie es die Caracas, Domenichino und Guido Reni unwiderstehlich lockte,
gewissen überwältigenden Vorzügen der vorausgegangenen großen Meister ihrer
Kunst nachzuringcn, eine Vereinigung der Wirkungen Rafaels und Correggios
und Tizians in ihren Werken zu versuchen, wie sie diesem Traum nachgingen
und darüber die Ausbildung ihres eigensten Lebens und Könnens wenn nicht
ganz hintan, so doch in die zweite Linie setzten, so hat unser Dichter von früh-
aus unter deu stärkste" Einwirkungen großer Meister gestanden. Der geistvolle
Übersetzer des großen Epos des Firdusi hat sich tiefer, als es in bloßer Lektüre
geschieht, mit dem poetischen Geist des Morgenlandes durchdrungen, der Ge¬
schichtschreiber des spanischen Dramas und poetische Vermittler einer Gruppe der
bedeutendsten spanischen Schauspiele ist nicht gleichgiltig gegen den Reiz geblieben,
welcher in dem Phantasiereichtum und der erfindenden Kühnheit spanischer Lebens-
darstellnng liegt. Der hochgebildete Weltwandrer hat auf großen Reisen die
Dichtung der Völker sogut wie ihr Lebe" auf sich wirken lassen. Seine reiche
Belesenheit hat Graf Schack empfänglich für die Eindrücke der Dichter, in die er
sich versenkte, gemacht, er kennt sie von Sophokles bis Byron alle, und seine
eigne Entwicklung hat nicht nur Anregungen, Fingerzeige von ihnen empfangen,
sondern gewisse Elemente aller in sich gesogen. Dabei ließe sich doch nicht be¬
haupten, daß der Dichter eigner Elemente entbehre und ein Nachbildner in dem
platten Sinne sei, wie es jene Dichter sind, die man akademische nennt. Wir
sind überzeugt, daß er niemals nachahmend im schlechten Sinne des Wortes
verfahren ist, daß jederzeit eine Regung der eignen Empfindung, des selbst-
gelebtcn, selbstgeschauten oder in die eigne Gedankenwelt einbezogenen Lebens
die Wahl seiner Stoffe und seine Erfindungen mit bestimmt hat. Allein der
Subjektivismus Schacks ist offenbar nur in einzelnen Fällen so stark gewesen,
daß er mit seiner Flamme alle nährenden und anregenden Elemente der großen
Dichter, in und mit denen er aufgewachsen ist, verzehrt und mit jenem Lichte
durchleuchtet hätte, welches den einen, mit keinem zweiten zu verwechselnden Dichter
umstrahlt.

Es würde, unsers Erachtens, eine der schwierigsten Ausgaben der Kritik
sein, das Verhältnis der einzelnen Schackschen Werke zur innerlichen Welt des
Dichters und wieder das eigentümliche Verhältnis dieser innerlichen Welt, der
poetischen Grundanschauung, zu deu grundverschiedenen künstlerischen Eindrücken,
die hier bewußt und unbewußt mitwirken, festzustellen. Daß ein subjektives
Element vorhanden ist, erweisen außer einzelnen Gedichten vor allem die
"Nächte des Orients," in deren rasch wechselnden Phantasiebildern die eigne
Auffassung des Dichters von Welt und Menschen deutlicher und entschiedener
zu Tage tritt als in zahlreichen andern seiner Dichtungen. Daß er an die


L. Seidels und F. A. v. Schacks sämtliche Werke.

druck aller dieser Dichtungen kurz charakterisiren, so drängt sich doch das Wort
eklektisch in die widerstrebende Feder, Wir denken hierbei ganz unmittelbar an
die großen und in ihrer Weise ohne Frage unsterblichen Eklektiker der Malerei.
Wie es die Caracas, Domenichino und Guido Reni unwiderstehlich lockte,
gewissen überwältigenden Vorzügen der vorausgegangenen großen Meister ihrer
Kunst nachzuringcn, eine Vereinigung der Wirkungen Rafaels und Correggios
und Tizians in ihren Werken zu versuchen, wie sie diesem Traum nachgingen
und darüber die Ausbildung ihres eigensten Lebens und Könnens wenn nicht
ganz hintan, so doch in die zweite Linie setzten, so hat unser Dichter von früh-
aus unter deu stärkste» Einwirkungen großer Meister gestanden. Der geistvolle
Übersetzer des großen Epos des Firdusi hat sich tiefer, als es in bloßer Lektüre
geschieht, mit dem poetischen Geist des Morgenlandes durchdrungen, der Ge¬
schichtschreiber des spanischen Dramas und poetische Vermittler einer Gruppe der
bedeutendsten spanischen Schauspiele ist nicht gleichgiltig gegen den Reiz geblieben,
welcher in dem Phantasiereichtum und der erfindenden Kühnheit spanischer Lebens-
darstellnng liegt. Der hochgebildete Weltwandrer hat auf großen Reisen die
Dichtung der Völker sogut wie ihr Lebe» auf sich wirken lassen. Seine reiche
Belesenheit hat Graf Schack empfänglich für die Eindrücke der Dichter, in die er
sich versenkte, gemacht, er kennt sie von Sophokles bis Byron alle, und seine
eigne Entwicklung hat nicht nur Anregungen, Fingerzeige von ihnen empfangen,
sondern gewisse Elemente aller in sich gesogen. Dabei ließe sich doch nicht be¬
haupten, daß der Dichter eigner Elemente entbehre und ein Nachbildner in dem
platten Sinne sei, wie es jene Dichter sind, die man akademische nennt. Wir
sind überzeugt, daß er niemals nachahmend im schlechten Sinne des Wortes
verfahren ist, daß jederzeit eine Regung der eignen Empfindung, des selbst-
gelebtcn, selbstgeschauten oder in die eigne Gedankenwelt einbezogenen Lebens
die Wahl seiner Stoffe und seine Erfindungen mit bestimmt hat. Allein der
Subjektivismus Schacks ist offenbar nur in einzelnen Fällen so stark gewesen,
daß er mit seiner Flamme alle nährenden und anregenden Elemente der großen
Dichter, in und mit denen er aufgewachsen ist, verzehrt und mit jenem Lichte
durchleuchtet hätte, welches den einen, mit keinem zweiten zu verwechselnden Dichter
umstrahlt.

Es würde, unsers Erachtens, eine der schwierigsten Ausgaben der Kritik
sein, das Verhältnis der einzelnen Schackschen Werke zur innerlichen Welt des
Dichters und wieder das eigentümliche Verhältnis dieser innerlichen Welt, der
poetischen Grundanschauung, zu deu grundverschiedenen künstlerischen Eindrücken,
die hier bewußt und unbewußt mitwirken, festzustellen. Daß ein subjektives
Element vorhanden ist, erweisen außer einzelnen Gedichten vor allem die
„Nächte des Orients," in deren rasch wechselnden Phantasiebildern die eigne
Auffassung des Dichters von Welt und Menschen deutlicher und entschiedener
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[0037] L. Seidels und F. A. v. Schacks sämtliche Werke. druck aller dieser Dichtungen kurz charakterisiren, so drängt sich doch das Wort eklektisch in die widerstrebende Feder, Wir denken hierbei ganz unmittelbar an die großen und in ihrer Weise ohne Frage unsterblichen Eklektiker der Malerei. Wie es die Caracas, Domenichino und Guido Reni unwiderstehlich lockte, gewissen überwältigenden Vorzügen der vorausgegangenen großen Meister ihrer Kunst nachzuringcn, eine Vereinigung der Wirkungen Rafaels und Correggios und Tizians in ihren Werken zu versuchen, wie sie diesem Traum nachgingen und darüber die Ausbildung ihres eigensten Lebens und Könnens wenn nicht ganz hintan, so doch in die zweite Linie setzten, so hat unser Dichter von früh- aus unter deu stärkste» Einwirkungen großer Meister gestanden. Der geistvolle Übersetzer des großen Epos des Firdusi hat sich tiefer, als es in bloßer Lektüre geschieht, mit dem poetischen Geist des Morgenlandes durchdrungen, der Ge¬ schichtschreiber des spanischen Dramas und poetische Vermittler einer Gruppe der bedeutendsten spanischen Schauspiele ist nicht gleichgiltig gegen den Reiz geblieben, welcher in dem Phantasiereichtum und der erfindenden Kühnheit spanischer Lebens- darstellnng liegt. Der hochgebildete Weltwandrer hat auf großen Reisen die Dichtung der Völker sogut wie ihr Lebe» auf sich wirken lassen. Seine reiche Belesenheit hat Graf Schack empfänglich für die Eindrücke der Dichter, in die er sich versenkte, gemacht, er kennt sie von Sophokles bis Byron alle, und seine eigne Entwicklung hat nicht nur Anregungen, Fingerzeige von ihnen empfangen, sondern gewisse Elemente aller in sich gesogen. Dabei ließe sich doch nicht be¬ haupten, daß der Dichter eigner Elemente entbehre und ein Nachbildner in dem platten Sinne sei, wie es jene Dichter sind, die man akademische nennt. Wir sind überzeugt, daß er niemals nachahmend im schlechten Sinne des Wortes verfahren ist, daß jederzeit eine Regung der eignen Empfindung, des selbst- gelebtcn, selbstgeschauten oder in die eigne Gedankenwelt einbezogenen Lebens die Wahl seiner Stoffe und seine Erfindungen mit bestimmt hat. Allein der Subjektivismus Schacks ist offenbar nur in einzelnen Fällen so stark gewesen, daß er mit seiner Flamme alle nährenden und anregenden Elemente der großen Dichter, in und mit denen er aufgewachsen ist, verzehrt und mit jenem Lichte durchleuchtet hätte, welches den einen, mit keinem zweiten zu verwechselnden Dichter umstrahlt. Es würde, unsers Erachtens, eine der schwierigsten Ausgaben der Kritik sein, das Verhältnis der einzelnen Schackschen Werke zur innerlichen Welt des Dichters und wieder das eigentümliche Verhältnis dieser innerlichen Welt, der poetischen Grundanschauung, zu deu grundverschiedenen künstlerischen Eindrücken, die hier bewußt und unbewußt mitwirken, festzustellen. Daß ein subjektives Element vorhanden ist, erweisen außer einzelnen Gedichten vor allem die „Nächte des Orients," in deren rasch wechselnden Phantasiebildern die eigne Auffassung des Dichters von Welt und Menschen deutlicher und entschiedener zu Tage tritt als in zahlreichen andern seiner Dichtungen. Daß er an die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/37>, abgerufen am 28.09.2024.