Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.L. Geibels und L. A. v> Schacks sämtliche Werke. Tode Felix Mendelssohn-Bartholdys," die Übertragungen französischer Lyriker,
Wenn man sagen darf, daß die Geibelschcn Werke eben nur den Zusammen¬ Grenzboten I. 1384. 4
L. Geibels und L. A. v> Schacks sämtliche Werke. Tode Felix Mendelssohn-Bartholdys," die Übertragungen französischer Lyriker,
Wenn man sagen darf, daß die Geibelschcn Werke eben nur den Zusammen¬ Grenzboten I. 1384. 4
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154918"/> <fw type="header" place="top"> L. Geibels und L. A. v> Schacks sämtliche Werke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_77" prev="#ID_76"> Tode Felix Mendelssohn-Bartholdys," die Übertragungen französischer Lyriker,<lb/> die Geibel einst zusammen mit dem unglücklichen Heinrich Leuthold heraus¬<lb/> gegeben, drei Gedichte Lord Byrons und die „Spanischen Romanzen," die unsers<lb/> Wissens gleichfalls einer frühern Zeit angehören. Jeder längst anerkannte Vor¬<lb/> zug des Dichters: die edle Reinheit seiner gesamten Weltanschauung, die „tiefe<lb/> Sehnsucht nach dem Ewigschvnen," die Ehrfurcht vor dem Genius unsrer Sprache,<lb/> mit der er nie leichtfertig gespielt, bewähren sich auch hier. Die Gesamtaus¬<lb/> gabe läßt keine Täuschung zu über die Grenze von Geibels Kraft und Kunst,<lb/> aber sie gewährt dem Dichter ein volles Anrecht auf den Dank und dereinst<lb/> auf das ehrende Gedächtnis seines Volkes, sie mahnt mit dem Dichter selbst die<lb/> großen Kreise, denen die Literatur unsers Volkes noch ein teures Gut ist, um<lb/> Gerechtigkeit:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Denn eure Gunst zwar ließet ihr vor vielen<lb/> Mir angedeihn, doch hat mich eins verdrossen,<lb/> Daß bei des Jünglings unvollkommnen Spielen<lb/> Ihr allzufrüh in Beifall euch ergossen,<lb/> Doch als er vorwärts drang zu würd'gen Zielen,<lb/> Ein halbes Ohr nur seinem Ernst erschlossen,<lb/> Als wär' allein der leichte Schmelz der Jugend,<lb/> Nicht reife Kunst, des Dichters Zier und Tugend.</l> <l> Von »den freilich flammt in Feuerzungen<lb/> Die Kraft herab, doch uus gehört das Streben;<lb/> Noch keinem ist, was Dauer hat, gelungen,<lb/> Der nicht das Pfund gewahrt, das ihm gegeben.<lb/> So hab auch ich beharrlich fortgerungen<lb/> Und schritt, im Lernen wachsend, durch das Leben;<lb/> Drum seid mir endlich unbefangne Richter,<lb/> Und wagt ihr mich, so wägt den ganzen Dichter!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_78" next="#ID_79"> Wenn man sagen darf, daß die Geibelschcn Werke eben nur den Zusammen¬<lb/> hang und die Folge einer poetischen Entwicklung verdeutlichen, die jederzeit unter<lb/> großer Teilnahme weiter Kreise stattgefunden, daß sie in diesem Sinne, ein paar<lb/> Gedichte und Fragmente ausgenommen, wenig neues enthalten, so gilt von den<lb/> „Gesammelten Werken" von Adolf Friedrich von Schock das Gegenteil. Sie<lb/> bringen neben manchem längst Veröffentlichten viel Ungedrucktes, aber auch das<lb/> längst Veröffentlichte hat verschiedene Schicksale gehabt. Gleichwohl läßt sich nicht<lb/> sagen, daß diese Schicksale allzu ungewöhnliche seien. Die Gleichgiltigkeit, welcher<lb/> der phantasievolle und formenreiche Dichter meist begegnet ist, haben vor ihm<lb/> verwandte Dichtcrnaturen erfahren und, wenn überhaupt, nur sehr allmählich<lb/> überwunden. Sie hängt mit einer aus der ganzen Entwicklungsgeschichte unsrer<lb/> Literatur entspringenden Thatsache zusammen. Von alten Tagen her fehlt in<lb/> unserm Volke die Genußfreude an der poetischen Darstellung, die mit rein künst¬<lb/> lerischen Ansprüchen und Zwecken auftritt; die unbefangenste Teilnahme — das</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1384. 4</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
L. Geibels und L. A. v> Schacks sämtliche Werke.
Tode Felix Mendelssohn-Bartholdys," die Übertragungen französischer Lyriker,
die Geibel einst zusammen mit dem unglücklichen Heinrich Leuthold heraus¬
gegeben, drei Gedichte Lord Byrons und die „Spanischen Romanzen," die unsers
Wissens gleichfalls einer frühern Zeit angehören. Jeder längst anerkannte Vor¬
zug des Dichters: die edle Reinheit seiner gesamten Weltanschauung, die „tiefe
Sehnsucht nach dem Ewigschvnen," die Ehrfurcht vor dem Genius unsrer Sprache,
mit der er nie leichtfertig gespielt, bewähren sich auch hier. Die Gesamtaus¬
gabe läßt keine Täuschung zu über die Grenze von Geibels Kraft und Kunst,
aber sie gewährt dem Dichter ein volles Anrecht auf den Dank und dereinst
auf das ehrende Gedächtnis seines Volkes, sie mahnt mit dem Dichter selbst die
großen Kreise, denen die Literatur unsers Volkes noch ein teures Gut ist, um
Gerechtigkeit:
Denn eure Gunst zwar ließet ihr vor vielen
Mir angedeihn, doch hat mich eins verdrossen,
Daß bei des Jünglings unvollkommnen Spielen
Ihr allzufrüh in Beifall euch ergossen,
Doch als er vorwärts drang zu würd'gen Zielen,
Ein halbes Ohr nur seinem Ernst erschlossen,
Als wär' allein der leichte Schmelz der Jugend,
Nicht reife Kunst, des Dichters Zier und Tugend. Von »den freilich flammt in Feuerzungen
Die Kraft herab, doch uus gehört das Streben;
Noch keinem ist, was Dauer hat, gelungen,
Der nicht das Pfund gewahrt, das ihm gegeben.
So hab auch ich beharrlich fortgerungen
Und schritt, im Lernen wachsend, durch das Leben;
Drum seid mir endlich unbefangne Richter,
Und wagt ihr mich, so wägt den ganzen Dichter!
Wenn man sagen darf, daß die Geibelschcn Werke eben nur den Zusammen¬
hang und die Folge einer poetischen Entwicklung verdeutlichen, die jederzeit unter
großer Teilnahme weiter Kreise stattgefunden, daß sie in diesem Sinne, ein paar
Gedichte und Fragmente ausgenommen, wenig neues enthalten, so gilt von den
„Gesammelten Werken" von Adolf Friedrich von Schock das Gegenteil. Sie
bringen neben manchem längst Veröffentlichten viel Ungedrucktes, aber auch das
längst Veröffentlichte hat verschiedene Schicksale gehabt. Gleichwohl läßt sich nicht
sagen, daß diese Schicksale allzu ungewöhnliche seien. Die Gleichgiltigkeit, welcher
der phantasievolle und formenreiche Dichter meist begegnet ist, haben vor ihm
verwandte Dichtcrnaturen erfahren und, wenn überhaupt, nur sehr allmählich
überwunden. Sie hängt mit einer aus der ganzen Entwicklungsgeschichte unsrer
Literatur entspringenden Thatsache zusammen. Von alten Tagen her fehlt in
unserm Volke die Genußfreude an der poetischen Darstellung, die mit rein künst¬
lerischen Ansprüchen und Zwecken auftritt; die unbefangenste Teilnahme — das
Grenzboten I. 1384. 4
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