Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Staatssprache in Österreich.

Mittlerweile brachte das allmähliche Zurückweichen der Regierung vor dem An¬
dringen der Slaven eine immer größere Verwirrung zuwege. Der unglückliche
Ausdruck "landesüblich" in dem Sprachcncrlaß des Ministers Stremeyr gab der
Auslegungskunst und dem Gezänk freien Raum; vom Ministerium gingen Ver¬
ordnungen und Weisungen aus, welche von den Gerichten für ungesetzlich erklärt
wurden; die nationalen Landesbehörden nötigten der deutschen Bevölkerung
tschechische Schulen auf, vom Staate erhaltene deutsche Unterrichtsanstalten
wurden tschechisirt, dagegen dem Wirken des deutsche" Schulvereins alle erdenk¬
lichen Hindernisse in den Weg gelegt u. s. w. Diese Entwicklung der Dinge
bekehrte nach und nach die Gegner des Antrages, machte aber die anfänglichen
Freunde zu Gegnern. Ihr Appetit war bei dem Schmause gewachsen, und sie
fürchtete" nun, daß eine gesetzliche Ordnung für sie ein Hindernis werden könne,
während sie von dem Ministerium alles zu erreichen hofften, was sie jetzt for¬
dern und künftig fordern werden. Deshalb beschloß die Mehrheit der Kom¬
mission, über den Antrag zur Tagesordnung zu gehen; und trotzdem wurde
die Verhandlung im Plenum beharrlich hinausgeschoben, in der augenfälligen
Absicht, diese Verhandlung überhaupt zu hintertreiben. Und die Mehrheit ver¬
hehlte ihr Mißvergnügen nicht, als sich der Präsident des Abgeordnetenhauses
durch eine energische Mahnung endlich nötigen ließ, den Gegenstand auf die Tages-
ordnung nach den Weihnachtsferien zu setzen. Die Herren fühlten sich zum ersten¬
male nicht sicher. Die Mehrheit haben die Slaven ja nur, weil die deutsche"
Klerikalen zu ihnen halten; wie leicht konnte bei diesen die deutsche Gesinnung
in einer Frage zum Durchbruch kommen, welche mit Glauben und Kirche nichts
zu thun hat!

Daß diese Sorge nicht grundlos war, bewies das Auftreten des Salz¬
burger Abgeordneten Lienbacher. Um so rühriger bearbeitete man die übrigen
Bundesgenosse". Tag für Tag verkündete die von der Rechten oder der
Regierung abhängige Presse, der Wurmbrandsche Antrag sei erstens überflüssig
und zweitens höchst gefährlich; überflüssig, weil sich ja ohnehin alles in der
schönsten Ordnung befinde und der deutschen Sprache die Eigenschaft als
Staatssprache von niemand bestritten werde, gefährlich, weil die Zumutung,
die "freiwillige" Anerkennung in eine gesetzliche umzuwandeln, die andern
Nationalitäten verletzen müsse. Ob dieser Nonsens die gewünschte Wirkung
gethan habe, ist nicht zu ermitteln; unglaublicherweise wurde er auch mehrmals
in Parlamentsreden vorgebracht und wird nun Wohl weitere Anwendung finden.
Warum sollen nicht gewisse Gesellschaftsklassen sagen: Freiwillig würden wir die
Heiligkeit des Eigentums anerkennen, aber gesetzlicher Schutz desselben ist eine
Provokation für uns?

Diesem Vorspiel schloß sich die Hauptaktion nur zu würdig an. Ob mit
Absicht oder nicht, zum größten Teil wurde" Abgeordnete mit deutschen Namen
ins Feuer geschickt: der Slovencnführer Graf Hvhenwart, Chef des "Faschings-


Die Staatssprache in Österreich.

Mittlerweile brachte das allmähliche Zurückweichen der Regierung vor dem An¬
dringen der Slaven eine immer größere Verwirrung zuwege. Der unglückliche
Ausdruck „landesüblich" in dem Sprachcncrlaß des Ministers Stremeyr gab der
Auslegungskunst und dem Gezänk freien Raum; vom Ministerium gingen Ver¬
ordnungen und Weisungen aus, welche von den Gerichten für ungesetzlich erklärt
wurden; die nationalen Landesbehörden nötigten der deutschen Bevölkerung
tschechische Schulen auf, vom Staate erhaltene deutsche Unterrichtsanstalten
wurden tschechisirt, dagegen dem Wirken des deutsche» Schulvereins alle erdenk¬
lichen Hindernisse in den Weg gelegt u. s. w. Diese Entwicklung der Dinge
bekehrte nach und nach die Gegner des Antrages, machte aber die anfänglichen
Freunde zu Gegnern. Ihr Appetit war bei dem Schmause gewachsen, und sie
fürchtete» nun, daß eine gesetzliche Ordnung für sie ein Hindernis werden könne,
während sie von dem Ministerium alles zu erreichen hofften, was sie jetzt for¬
dern und künftig fordern werden. Deshalb beschloß die Mehrheit der Kom¬
mission, über den Antrag zur Tagesordnung zu gehen; und trotzdem wurde
die Verhandlung im Plenum beharrlich hinausgeschoben, in der augenfälligen
Absicht, diese Verhandlung überhaupt zu hintertreiben. Und die Mehrheit ver¬
hehlte ihr Mißvergnügen nicht, als sich der Präsident des Abgeordnetenhauses
durch eine energische Mahnung endlich nötigen ließ, den Gegenstand auf die Tages-
ordnung nach den Weihnachtsferien zu setzen. Die Herren fühlten sich zum ersten¬
male nicht sicher. Die Mehrheit haben die Slaven ja nur, weil die deutsche»
Klerikalen zu ihnen halten; wie leicht konnte bei diesen die deutsche Gesinnung
in einer Frage zum Durchbruch kommen, welche mit Glauben und Kirche nichts
zu thun hat!

Daß diese Sorge nicht grundlos war, bewies das Auftreten des Salz¬
burger Abgeordneten Lienbacher. Um so rühriger bearbeitete man die übrigen
Bundesgenosse». Tag für Tag verkündete die von der Rechten oder der
Regierung abhängige Presse, der Wurmbrandsche Antrag sei erstens überflüssig
und zweitens höchst gefährlich; überflüssig, weil sich ja ohnehin alles in der
schönsten Ordnung befinde und der deutschen Sprache die Eigenschaft als
Staatssprache von niemand bestritten werde, gefährlich, weil die Zumutung,
die „freiwillige" Anerkennung in eine gesetzliche umzuwandeln, die andern
Nationalitäten verletzen müsse. Ob dieser Nonsens die gewünschte Wirkung
gethan habe, ist nicht zu ermitteln; unglaublicherweise wurde er auch mehrmals
in Parlamentsreden vorgebracht und wird nun Wohl weitere Anwendung finden.
Warum sollen nicht gewisse Gesellschaftsklassen sagen: Freiwillig würden wir die
Heiligkeit des Eigentums anerkennen, aber gesetzlicher Schutz desselben ist eine
Provokation für uns?

Diesem Vorspiel schloß sich die Hauptaktion nur zu würdig an. Ob mit
Absicht oder nicht, zum größten Teil wurde» Abgeordnete mit deutschen Namen
ins Feuer geschickt: der Slovencnführer Graf Hvhenwart, Chef des „Faschings-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155215"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Staatssprache in Österreich.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1372" prev="#ID_1371"> Mittlerweile brachte das allmähliche Zurückweichen der Regierung vor dem An¬<lb/>
dringen der Slaven eine immer größere Verwirrung zuwege. Der unglückliche<lb/>
Ausdruck &#x201E;landesüblich" in dem Sprachcncrlaß des Ministers Stremeyr gab der<lb/>
Auslegungskunst und dem Gezänk freien Raum; vom Ministerium gingen Ver¬<lb/>
ordnungen und Weisungen aus, welche von den Gerichten für ungesetzlich erklärt<lb/>
wurden; die nationalen Landesbehörden nötigten der deutschen Bevölkerung<lb/>
tschechische Schulen auf, vom Staate erhaltene deutsche Unterrichtsanstalten<lb/>
wurden tschechisirt, dagegen dem Wirken des deutsche» Schulvereins alle erdenk¬<lb/>
lichen Hindernisse in den Weg gelegt u. s. w. Diese Entwicklung der Dinge<lb/>
bekehrte nach und nach die Gegner des Antrages, machte aber die anfänglichen<lb/>
Freunde zu Gegnern. Ihr Appetit war bei dem Schmause gewachsen, und sie<lb/>
fürchtete» nun, daß eine gesetzliche Ordnung für sie ein Hindernis werden könne,<lb/>
während sie von dem Ministerium alles zu erreichen hofften, was sie jetzt for¬<lb/>
dern und künftig fordern werden. Deshalb beschloß die Mehrheit der Kom¬<lb/>
mission, über den Antrag zur Tagesordnung zu gehen; und trotzdem wurde<lb/>
die Verhandlung im Plenum beharrlich hinausgeschoben, in der augenfälligen<lb/>
Absicht, diese Verhandlung überhaupt zu hintertreiben. Und die Mehrheit ver¬<lb/>
hehlte ihr Mißvergnügen nicht, als sich der Präsident des Abgeordnetenhauses<lb/>
durch eine energische Mahnung endlich nötigen ließ, den Gegenstand auf die Tages-<lb/>
ordnung nach den Weihnachtsferien zu setzen. Die Herren fühlten sich zum ersten¬<lb/>
male nicht sicher. Die Mehrheit haben die Slaven ja nur, weil die deutsche»<lb/>
Klerikalen zu ihnen halten; wie leicht konnte bei diesen die deutsche Gesinnung<lb/>
in einer Frage zum Durchbruch kommen, welche mit Glauben und Kirche nichts<lb/>
zu thun hat!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1373"> Daß diese Sorge nicht grundlos war, bewies das Auftreten des Salz¬<lb/>
burger Abgeordneten Lienbacher. Um so rühriger bearbeitete man die übrigen<lb/>
Bundesgenosse». Tag für Tag verkündete die von der Rechten oder der<lb/>
Regierung abhängige Presse, der Wurmbrandsche Antrag sei erstens überflüssig<lb/>
und zweitens höchst gefährlich; überflüssig, weil sich ja ohnehin alles in der<lb/>
schönsten Ordnung befinde und der deutschen Sprache die Eigenschaft als<lb/>
Staatssprache von niemand bestritten werde, gefährlich, weil die Zumutung,<lb/>
die &#x201E;freiwillige" Anerkennung in eine gesetzliche umzuwandeln, die andern<lb/>
Nationalitäten verletzen müsse. Ob dieser Nonsens die gewünschte Wirkung<lb/>
gethan habe, ist nicht zu ermitteln; unglaublicherweise wurde er auch mehrmals<lb/>
in Parlamentsreden vorgebracht und wird nun Wohl weitere Anwendung finden.<lb/>
Warum sollen nicht gewisse Gesellschaftsklassen sagen: Freiwillig würden wir die<lb/>
Heiligkeit des Eigentums anerkennen, aber gesetzlicher Schutz desselben ist eine<lb/>
Provokation für uns?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1374" next="#ID_1375"> Diesem Vorspiel schloß sich die Hauptaktion nur zu würdig an. Ob mit<lb/>
Absicht oder nicht, zum größten Teil wurde» Abgeordnete mit deutschen Namen<lb/>
ins Feuer geschickt: der Slovencnführer Graf Hvhenwart, Chef des &#x201E;Faschings-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] Die Staatssprache in Österreich. Mittlerweile brachte das allmähliche Zurückweichen der Regierung vor dem An¬ dringen der Slaven eine immer größere Verwirrung zuwege. Der unglückliche Ausdruck „landesüblich" in dem Sprachcncrlaß des Ministers Stremeyr gab der Auslegungskunst und dem Gezänk freien Raum; vom Ministerium gingen Ver¬ ordnungen und Weisungen aus, welche von den Gerichten für ungesetzlich erklärt wurden; die nationalen Landesbehörden nötigten der deutschen Bevölkerung tschechische Schulen auf, vom Staate erhaltene deutsche Unterrichtsanstalten wurden tschechisirt, dagegen dem Wirken des deutsche» Schulvereins alle erdenk¬ lichen Hindernisse in den Weg gelegt u. s. w. Diese Entwicklung der Dinge bekehrte nach und nach die Gegner des Antrages, machte aber die anfänglichen Freunde zu Gegnern. Ihr Appetit war bei dem Schmause gewachsen, und sie fürchtete» nun, daß eine gesetzliche Ordnung für sie ein Hindernis werden könne, während sie von dem Ministerium alles zu erreichen hofften, was sie jetzt for¬ dern und künftig fordern werden. Deshalb beschloß die Mehrheit der Kom¬ mission, über den Antrag zur Tagesordnung zu gehen; und trotzdem wurde die Verhandlung im Plenum beharrlich hinausgeschoben, in der augenfälligen Absicht, diese Verhandlung überhaupt zu hintertreiben. Und die Mehrheit ver¬ hehlte ihr Mißvergnügen nicht, als sich der Präsident des Abgeordnetenhauses durch eine energische Mahnung endlich nötigen ließ, den Gegenstand auf die Tages- ordnung nach den Weihnachtsferien zu setzen. Die Herren fühlten sich zum ersten¬ male nicht sicher. Die Mehrheit haben die Slaven ja nur, weil die deutsche» Klerikalen zu ihnen halten; wie leicht konnte bei diesen die deutsche Gesinnung in einer Frage zum Durchbruch kommen, welche mit Glauben und Kirche nichts zu thun hat! Daß diese Sorge nicht grundlos war, bewies das Auftreten des Salz¬ burger Abgeordneten Lienbacher. Um so rühriger bearbeitete man die übrigen Bundesgenosse». Tag für Tag verkündete die von der Rechten oder der Regierung abhängige Presse, der Wurmbrandsche Antrag sei erstens überflüssig und zweitens höchst gefährlich; überflüssig, weil sich ja ohnehin alles in der schönsten Ordnung befinde und der deutschen Sprache die Eigenschaft als Staatssprache von niemand bestritten werde, gefährlich, weil die Zumutung, die „freiwillige" Anerkennung in eine gesetzliche umzuwandeln, die andern Nationalitäten verletzen müsse. Ob dieser Nonsens die gewünschte Wirkung gethan habe, ist nicht zu ermitteln; unglaublicherweise wurde er auch mehrmals in Parlamentsreden vorgebracht und wird nun Wohl weitere Anwendung finden. Warum sollen nicht gewisse Gesellschaftsklassen sagen: Freiwillig würden wir die Heiligkeit des Eigentums anerkennen, aber gesetzlicher Schutz desselben ist eine Provokation für uns? Diesem Vorspiel schloß sich die Hauptaktion nur zu würdig an. Ob mit Absicht oder nicht, zum größten Teil wurde» Abgeordnete mit deutschen Namen ins Feuer geschickt: der Slovencnführer Graf Hvhenwart, Chef des „Faschings-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/332>, abgerufen am 07.01.2025.