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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Staatssprache in Österreich.

Ministeriums" vom Jahre 1871, welcher für den unlängst in der Schweiz
verstorbenen Julius Freese ein eignes Organ zur Verunglimpfung des Deutsch¬
tums schuf und bei der tschechischen pstition ok riMs als Pate fungirte;
Hausner, dem seine Fraktionsgeuvssen wohl endlich den Makel der Geburt von
deutschen Eltern verzeihen werden, da er nicht polnischer reden könnte, wenn
seine Vorfahren schon dabeigewesen wären, als Mieeyslav sein Land von Otto
dem Großen zu Lehen nahm; Rieger, der leider zu rechter Zeit versäumt hat,
die beiden "e" aus seinem Namen zu streichen; Gregr, der wenigstens den
einen entbehrlichen Buchstaben getilgt hat. Der zuletztgenannte Führer der
Jungtschechen und Redakteur des Hauptorgans der Partei, Mroäiü I^dy, ist
nämlich ein geborner Oberösterreicher, heißt wahrscheinlich richtig Gröger, und
wütet gegen seine Muttersprache in der eigentlichen und der abgeleiteten Be¬
deutung dieses Wortes. Und da er in der .Hitze des Kampfes schon oft aus
der Schule geschwatzt und den Diplomaten der Rechten damit schweren Kummer
bereitet hat, hatten diese zuerst gar keine Lust, ihn zu Worte kommen zu lassen.
Wenn er von der Tribüne mit derselben Offenherzigkeit wie in der Presse die
Verjagung der Deutschen aus Böhmen proklamirt hätte, wären ja die ohnehin
schwierigen Bundesgenossen kaum bei der Fahne zu halten gewesen. Er hat
die Befürchtungen zerstreut, er hat mit vielem Talent und auffallender Mäßigung
gesprochen, aus jeden Fall von den letzten Zielen nicht mehr verraten als
Fürst Georg Czartvrhski, der sich nach und nach zu einem für seine Partei
gefährlichen Fanatiker entwickelt hat.

Willkommener wäre es allerdings gewesen, wenn nicht bloß Slaven mit
deutschen Namen, sondern Abgeordnete ans deutschen Bezirken noch anders als
durch ihre Abstimmung bekundet hätten, daß sie in dem "Steigen der slavischen
Flut" das Heil Österreichs erblicken und daher keinen Damm dagegen auf¬
führen lassen wollen. Soweit ging indessen die Freundschaft doch nicht. Die
Herren fürchteten sich vor ihren Wählern, sagen die Zeitungen. Kann sein,
vielleicht sind sie auch in Verlegenheit gewesen, was sie vorbringen sollten,
ohne sich selbst ins Gesicht zu schlagen. Die Argumente der Polen und
Tscheschen konnten sie sich unmöglich aneignen.

Einen weitern Leserkreis würde es nicht interessiren, alle einzelne Figuren
des von den Rednern der Majorität aufgeführten Eiertanzes zu verfolgen. Bis
auf den Fürsten Czartoryski vermieden sie alle, die Konsequenzen ihrer politischen
Haltung zu ziehen. Dieser eine erklärte sich offen für den nackten Föderalismus.
Er hat "für Staatsnationalität keinen Sinn"; das Reich hat nichts in die
Angelegenheiten der "Länder" hineinzureden; die ruthenischen Angelegenheiten
sollen in Lemberg. die böhmischen in Prag entschieden werden. Das hat nichts
überraschendes. Die Herren von der in Galizien herrschenden Nationalität haben
schon längst nicht mehr verhehlt, daß sie sich als "Delegation" des Landes
Galizien betrachten. Sie fingiren ein Verhältnis dieses Landes zu den übrigen,


Die Staatssprache in Österreich.

Ministeriums" vom Jahre 1871, welcher für den unlängst in der Schweiz
verstorbenen Julius Freese ein eignes Organ zur Verunglimpfung des Deutsch¬
tums schuf und bei der tschechischen pstition ok riMs als Pate fungirte;
Hausner, dem seine Fraktionsgeuvssen wohl endlich den Makel der Geburt von
deutschen Eltern verzeihen werden, da er nicht polnischer reden könnte, wenn
seine Vorfahren schon dabeigewesen wären, als Mieeyslav sein Land von Otto
dem Großen zu Lehen nahm; Rieger, der leider zu rechter Zeit versäumt hat,
die beiden „e" aus seinem Namen zu streichen; Gregr, der wenigstens den
einen entbehrlichen Buchstaben getilgt hat. Der zuletztgenannte Führer der
Jungtschechen und Redakteur des Hauptorgans der Partei, Mroäiü I^dy, ist
nämlich ein geborner Oberösterreicher, heißt wahrscheinlich richtig Gröger, und
wütet gegen seine Muttersprache in der eigentlichen und der abgeleiteten Be¬
deutung dieses Wortes. Und da er in der .Hitze des Kampfes schon oft aus
der Schule geschwatzt und den Diplomaten der Rechten damit schweren Kummer
bereitet hat, hatten diese zuerst gar keine Lust, ihn zu Worte kommen zu lassen.
Wenn er von der Tribüne mit derselben Offenherzigkeit wie in der Presse die
Verjagung der Deutschen aus Böhmen proklamirt hätte, wären ja die ohnehin
schwierigen Bundesgenossen kaum bei der Fahne zu halten gewesen. Er hat
die Befürchtungen zerstreut, er hat mit vielem Talent und auffallender Mäßigung
gesprochen, aus jeden Fall von den letzten Zielen nicht mehr verraten als
Fürst Georg Czartvrhski, der sich nach und nach zu einem für seine Partei
gefährlichen Fanatiker entwickelt hat.

Willkommener wäre es allerdings gewesen, wenn nicht bloß Slaven mit
deutschen Namen, sondern Abgeordnete ans deutschen Bezirken noch anders als
durch ihre Abstimmung bekundet hätten, daß sie in dem „Steigen der slavischen
Flut" das Heil Österreichs erblicken und daher keinen Damm dagegen auf¬
führen lassen wollen. Soweit ging indessen die Freundschaft doch nicht. Die
Herren fürchteten sich vor ihren Wählern, sagen die Zeitungen. Kann sein,
vielleicht sind sie auch in Verlegenheit gewesen, was sie vorbringen sollten,
ohne sich selbst ins Gesicht zu schlagen. Die Argumente der Polen und
Tscheschen konnten sie sich unmöglich aneignen.

Einen weitern Leserkreis würde es nicht interessiren, alle einzelne Figuren
des von den Rednern der Majorität aufgeführten Eiertanzes zu verfolgen. Bis
auf den Fürsten Czartoryski vermieden sie alle, die Konsequenzen ihrer politischen
Haltung zu ziehen. Dieser eine erklärte sich offen für den nackten Föderalismus.
Er hat „für Staatsnationalität keinen Sinn"; das Reich hat nichts in die
Angelegenheiten der „Länder" hineinzureden; die ruthenischen Angelegenheiten
sollen in Lemberg. die böhmischen in Prag entschieden werden. Das hat nichts
überraschendes. Die Herren von der in Galizien herrschenden Nationalität haben
schon längst nicht mehr verhehlt, daß sie sich als „Delegation" des Landes
Galizien betrachten. Sie fingiren ein Verhältnis dieses Landes zu den übrigen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/333>, abgerufen am 28.09.2024.