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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.
Robert waldmuller (Ld. vuboc). Novelle von (Fortsetzung.)

erthold erzählte sein Abenteuer von der Moorwiese.

Nun sie meine Hausgenossin geworden ist, schloß er seinen
von den beiden Alten, auch sogar von Frau Anna mit guter Laune
aufgenommenen Bericht, wünschte ich freilich, die Geschichte wäre
nicht passirt, so unerheblich sie ist. Aber euch mußte ichs doch
>post beichten. Ich werde thun, als kannte ich die Person nicht wieder. Sie scheint
es für schicklich zu halten, mich, ihren Mvvrwiesenrittcr, auch nicht zu erkennen,
^ut so bitte ich nur noch um Entschuldigung, daß ich den guten Papa im
besten Redefluß unterbrach.

Jawohl, Alterchen, rief Frau Anna, wo warst du stehen geblieben? Aber
dieser Berthold! Sie drohte mit dem Finger. Dieser Ausbund!

Gehen wir ins Rauchzimmer hinüber, sagte der Fabrikant; deine gestrige
Cigarre schmeckt mir noch in der Erinnerung, Sohn. Ich nehme zurück, was
ich von der Wertgleichheit abgelagerter Weisheitssprüche und abgelagerter Ci¬
garren gesagt habe, alle Achtung vor den ersteren, aber die letzteren gebe ich
preis. Künftig wird von mir nur noch frisches Gewächs in der Villa Anna
geduldet. Und so redend ließ er sich von Berthold aus dessen Vorrat neuester
Ernte etwas besonders sorglich Gewickeltes heraussuchen, rekapitulirte auf dem
Wege nach dem Rauchkabinet vor seinem ihm folgenden vieräugigen Auditonum
das bereits Vorgetragene, richtete sich und seine gespannte Hörerin dann auf
einer der Causeusen des behaglichen Raumes möglichst bequem ein und sum-
uu'rde endlich, während er mit Wonne das Aroma des feinen Havannablattes
sich heranfächelte, das Gesagte mit den Worten auf: Also keine absolute
Fehlerfreiheit, keine absolute Weisheit, kein absolutes Glück. Nach einer Pause,
während welcher Frau Anna möglichst harmlos vor sich niederblickte, fuhr er
dann fort: Wir haben nun, deine Mutter und ich, wie du wohl begreiflich




Auf der Leiter des Glücks.
Robert waldmuller (Ld. vuboc). Novelle von (Fortsetzung.)

erthold erzählte sein Abenteuer von der Moorwiese.

Nun sie meine Hausgenossin geworden ist, schloß er seinen
von den beiden Alten, auch sogar von Frau Anna mit guter Laune
aufgenommenen Bericht, wünschte ich freilich, die Geschichte wäre
nicht passirt, so unerheblich sie ist. Aber euch mußte ichs doch
>post beichten. Ich werde thun, als kannte ich die Person nicht wieder. Sie scheint
es für schicklich zu halten, mich, ihren Mvvrwiesenrittcr, auch nicht zu erkennen,
^ut so bitte ich nur noch um Entschuldigung, daß ich den guten Papa im
besten Redefluß unterbrach.

Jawohl, Alterchen, rief Frau Anna, wo warst du stehen geblieben? Aber
dieser Berthold! Sie drohte mit dem Finger. Dieser Ausbund!

Gehen wir ins Rauchzimmer hinüber, sagte der Fabrikant; deine gestrige
Cigarre schmeckt mir noch in der Erinnerung, Sohn. Ich nehme zurück, was
ich von der Wertgleichheit abgelagerter Weisheitssprüche und abgelagerter Ci¬
garren gesagt habe, alle Achtung vor den ersteren, aber die letzteren gebe ich
preis. Künftig wird von mir nur noch frisches Gewächs in der Villa Anna
geduldet. Und so redend ließ er sich von Berthold aus dessen Vorrat neuester
Ernte etwas besonders sorglich Gewickeltes heraussuchen, rekapitulirte auf dem
Wege nach dem Rauchkabinet vor seinem ihm folgenden vieräugigen Auditonum
das bereits Vorgetragene, richtete sich und seine gespannte Hörerin dann auf
einer der Causeusen des behaglichen Raumes möglichst bequem ein und sum-
uu'rde endlich, während er mit Wonne das Aroma des feinen Havannablattes
sich heranfächelte, das Gesagte mit den Worten auf: Also keine absolute
Fehlerfreiheit, keine absolute Weisheit, kein absolutes Glück. Nach einer Pause,
während welcher Frau Anna möglichst harmlos vor sich niederblickte, fuhr er
dann fort: Wir haben nun, deine Mutter und ich, wie du wohl begreiflich


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[0271] [Abbildung] Auf der Leiter des Glücks. Robert waldmuller (Ld. vuboc). Novelle von (Fortsetzung.) erthold erzählte sein Abenteuer von der Moorwiese. Nun sie meine Hausgenossin geworden ist, schloß er seinen von den beiden Alten, auch sogar von Frau Anna mit guter Laune aufgenommenen Bericht, wünschte ich freilich, die Geschichte wäre nicht passirt, so unerheblich sie ist. Aber euch mußte ichs doch >post beichten. Ich werde thun, als kannte ich die Person nicht wieder. Sie scheint es für schicklich zu halten, mich, ihren Mvvrwiesenrittcr, auch nicht zu erkennen, ^ut so bitte ich nur noch um Entschuldigung, daß ich den guten Papa im besten Redefluß unterbrach. Jawohl, Alterchen, rief Frau Anna, wo warst du stehen geblieben? Aber dieser Berthold! Sie drohte mit dem Finger. Dieser Ausbund! Gehen wir ins Rauchzimmer hinüber, sagte der Fabrikant; deine gestrige Cigarre schmeckt mir noch in der Erinnerung, Sohn. Ich nehme zurück, was ich von der Wertgleichheit abgelagerter Weisheitssprüche und abgelagerter Ci¬ garren gesagt habe, alle Achtung vor den ersteren, aber die letzteren gebe ich preis. Künftig wird von mir nur noch frisches Gewächs in der Villa Anna geduldet. Und so redend ließ er sich von Berthold aus dessen Vorrat neuester Ernte etwas besonders sorglich Gewickeltes heraussuchen, rekapitulirte auf dem Wege nach dem Rauchkabinet vor seinem ihm folgenden vieräugigen Auditonum das bereits Vorgetragene, richtete sich und seine gespannte Hörerin dann auf einer der Causeusen des behaglichen Raumes möglichst bequem ein und sum- uu'rde endlich, während er mit Wonne das Aroma des feinen Havannablattes sich heranfächelte, das Gesagte mit den Worten auf: Also keine absolute Fehlerfreiheit, keine absolute Weisheit, kein absolutes Glück. Nach einer Pause, während welcher Frau Anna möglichst harmlos vor sich niederblickte, fuhr er dann fort: Wir haben nun, deine Mutter und ich, wie du wohl begreiflich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/271>, abgerufen am 27.06.2024.