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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der leider des Glücks.

finden wirst, uns während deiner Abwesenheit auch mit deiner Zukunft beschäf¬
tigt, ich meine mit der Frage, ob wir wohl noch das Glück erleben werden,
dich verheiratet und unsre Enkelzimmer im ersten Stock etwas bevölkert zu sehen.
Hast du irgend etwas darüber auf dem herzen? Ist dir jemand, ich meine
ein Mädchen aus gutem Hanse, näher bekannt geworden?

Wir würden, ergänzte Frau Anna, natürlich auch eine Fremde nicht zurück¬
weisen, aber du kannst denken, daß uns eine gute Deutsche tausendmal -- ach,
was sage ich denn? millionenmal lieber wäre.

Liebe Eltern, sagte Berthold, ich hätte wohl hie und da gern eure Mei¬
nung über ein Mädchen, das mir gefiel, hören mögen. Aber was war zu thun?
Viele hundert Meilen lagen zumeist zwischen euch und ihr. Da habe ich mir
denn ernstere Gedanken möglichst rasch aus dem Kopfe geschlagen und war auch
hinterdrein allemal froh, daß ichs gethan hatte. Denn es giebt wahrlich so
viele angenehme und wünschenswerte Mädchen in der Welt, daß mir in jeder
neuen Stadt, die ich betrat, auch eine neue Liebe anflog. Was hätte da werden
sollen? Ich hoffe, ich werde mit der Zeit kritischer werden. Aber jetzt tauge
ich noch nicht zum Heiraten. Ich könnte für nichts einstehen. Die Mädchen
gefallen mir aller Orten zu gut.

Frau Anna leuchtete vor Freuden. Du wälzest mir einen Stein vom
Herzen, sagte sie. Ich hatte in dem Buche mit den Abbildungen der ameri¬
kanischen Urbevölkerung so manche ganz hübsche Squaw gesehen, daß ich wirk¬
lich schon in Angst war, du würdest uns eine solche Wilde ins Haus führen.

Es giebt sehr hübsche drunter, stimmte Berthold bei.

Jetzt setze du ihm noch was in den Kopf, brummte Kaspar Benedikt.

I, er ist ja vernünftig, korrigirte ihren Fehler Frau Anna.

Er ist vierundzwanzig Jahre alt, fuhr der Fabrikant fort, das ist das
Alter, in welchem solche Grillen und fixe Ideen, wie er sie uns eben vor¬
getragen hat, den jungen Leuten am meisten zu schaffen machen. Sehr natür¬
lich! Es ist eben Zeit, zu Neste zu tragen. Also gut. wendete er sich zu
Berthold, du bist frei, ganz frei, das ist die Hauptsache. Jetzt laß uns einmal
hören: was denkst du über Fräulein von Mockritz?

Über wen?

Über unsre Hermine, kommentirte Frau Anna; wir nennen sie ja nicht
anders. Ist sie nicht prächtig munter und alert? Und wie sie gut angeleitet
ist! Sage selbst, Kaspar -- denn dein Vater, Berthold, hat für so etwas einen
Blick, nun ich darf ihn nicht eitel machen --, aber sage selbst, Kaspar Benedikt,
ist sie gut angeleitet oder nicht? Diese Geschwindigkeit bei häuslichen Arbeiten,
eine Bürgerliche muß sich vor ihr verstecken, und dabei immer sauber und schmuck,
und ein Auge -- wenn ein Maler die Unschuld malen wollte, das Auge müßte
ihm --

Aber Sapperment, Anna, fiel ihr hier der Fabrikant ins Wort, willst du


Auf der leider des Glücks.

finden wirst, uns während deiner Abwesenheit auch mit deiner Zukunft beschäf¬
tigt, ich meine mit der Frage, ob wir wohl noch das Glück erleben werden,
dich verheiratet und unsre Enkelzimmer im ersten Stock etwas bevölkert zu sehen.
Hast du irgend etwas darüber auf dem herzen? Ist dir jemand, ich meine
ein Mädchen aus gutem Hanse, näher bekannt geworden?

Wir würden, ergänzte Frau Anna, natürlich auch eine Fremde nicht zurück¬
weisen, aber du kannst denken, daß uns eine gute Deutsche tausendmal — ach,
was sage ich denn? millionenmal lieber wäre.

Liebe Eltern, sagte Berthold, ich hätte wohl hie und da gern eure Mei¬
nung über ein Mädchen, das mir gefiel, hören mögen. Aber was war zu thun?
Viele hundert Meilen lagen zumeist zwischen euch und ihr. Da habe ich mir
denn ernstere Gedanken möglichst rasch aus dem Kopfe geschlagen und war auch
hinterdrein allemal froh, daß ichs gethan hatte. Denn es giebt wahrlich so
viele angenehme und wünschenswerte Mädchen in der Welt, daß mir in jeder
neuen Stadt, die ich betrat, auch eine neue Liebe anflog. Was hätte da werden
sollen? Ich hoffe, ich werde mit der Zeit kritischer werden. Aber jetzt tauge
ich noch nicht zum Heiraten. Ich könnte für nichts einstehen. Die Mädchen
gefallen mir aller Orten zu gut.

Frau Anna leuchtete vor Freuden. Du wälzest mir einen Stein vom
Herzen, sagte sie. Ich hatte in dem Buche mit den Abbildungen der ameri¬
kanischen Urbevölkerung so manche ganz hübsche Squaw gesehen, daß ich wirk¬
lich schon in Angst war, du würdest uns eine solche Wilde ins Haus führen.

Es giebt sehr hübsche drunter, stimmte Berthold bei.

Jetzt setze du ihm noch was in den Kopf, brummte Kaspar Benedikt.

I, er ist ja vernünftig, korrigirte ihren Fehler Frau Anna.

Er ist vierundzwanzig Jahre alt, fuhr der Fabrikant fort, das ist das
Alter, in welchem solche Grillen und fixe Ideen, wie er sie uns eben vor¬
getragen hat, den jungen Leuten am meisten zu schaffen machen. Sehr natür¬
lich! Es ist eben Zeit, zu Neste zu tragen. Also gut. wendete er sich zu
Berthold, du bist frei, ganz frei, das ist die Hauptsache. Jetzt laß uns einmal
hören: was denkst du über Fräulein von Mockritz?

Über wen?

Über unsre Hermine, kommentirte Frau Anna; wir nennen sie ja nicht
anders. Ist sie nicht prächtig munter und alert? Und wie sie gut angeleitet
ist! Sage selbst, Kaspar — denn dein Vater, Berthold, hat für so etwas einen
Blick, nun ich darf ihn nicht eitel machen —, aber sage selbst, Kaspar Benedikt,
ist sie gut angeleitet oder nicht? Diese Geschwindigkeit bei häuslichen Arbeiten,
eine Bürgerliche muß sich vor ihr verstecken, und dabei immer sauber und schmuck,
und ein Auge — wenn ein Maler die Unschuld malen wollte, das Auge müßte
ihm —

Aber Sapperment, Anna, fiel ihr hier der Fabrikant ins Wort, willst du


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/272>, abgerufen am 01.07.2024.