Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf der Leiter des Glücks.

geflissentlich gekränkt? Wcir je ein Bittender von ihm abgewiesen worden?
War er nicht freisinnig, unzeremoniös, herablassend? War er nicht so brav
und tapfer wie je einer seines erlauchten Geschlechtes gewesen sein konnte?

Freilich, was änderte das an der Aussichtslosigkeit des Abenteuers, in
welches sein heißes Blut Fräulein von Mockritz verstrickt hatte?

Während sie an seinem Arm auf dem weichen, duftigen Nadelteppich im
kühlen Schatten der flüsternden Kiefern und Fichten auf und abwandelte, seine
Vertraulichkeiten mit Worten abwehrend und doch ihnen immer von neuem Ver¬
zeihung angedeihen lassend, seinen romantischen Plänen mit Kopsschütteln be¬
gegnend und ihnen doch bei jedem Blicke, den er von ihr erhaschte, durch das
aufblitzende Feuer ihrer Augen immer neue, reizvolle Beleuchtung gebend, wäh¬
rend dessen ging dennoch allmählich das, was auch bei ihr leidenschaftliche Er¬
regung gewesen war, in eine gedämpftere Gemütsverfassung über, und sie begann
sich darüber klar zu werden, daß sie auf dem Punkte gewesen war, eine große
Thorheit zu begehen.

Hoheit, sagte sie endlich, indem sie ihren Arm sanft dem seinen entzog,
lassen wir es nun der Luftschlösser genug sein. Sie sind und bleiben Prinz,
ich bin nichts als tout donnemsnt Fräulein von Mockritz. Was Ihre prinz¬
lichen Lippen meinen beschämter Ohren an Liebesschwüren zu kosten gaben, kam,
ich weiß es, aus ritterlichem Herzen. Sie glaubten und Sie glauben gewiß
noch in diesem Augenblicke an die Haltbarkeit Ihrer Schwüre -- aber --

Aus voller Seele! beteuerte der Prinz und bemächtigte sich mit Innigkeit
ihrer beiden Hände. Kommen Sie! Wir haben schon kostbare Minuten ver¬
loren! Die Waldwege sind nur noch eine Stunde hell genug, daß wir nicht irre
reiten.

Und er pfiff seinem Pferde, das mit verwöhnt leckeren Zahn in geringer
Ferne zwischen dem niedrigen Gezweige des Laubholzes umherstöberte, ohne etwas
ihm schmackhaft Dünkendes gefunden zu haben.

In zwei Stunden, fuhr der Prinz fort, sind wir am Ziele! Kommen Sie,
Teuerste! Ein Mann, ein Wort! Noch heute werden Sie die Meine.

Das Pferd trabte heran.

Hoheit, widersprach Hermione, als der Prinz in demselben Augenblicke so
mühelos, als sei sie ein Kind, sie vom Boden hob und sich ihr im Sattel nach¬
schwang, Hoheit, keine abermalige Überrumpeln" g, wenn ich bitten darf!

Allons, Mustapha! spornte der Prinz sein Pferd. Was sagten Sie von
Überrumpelung, teures Fräulein? Hierher, Mustapha, mehr rechts, wo die
Sonne untergeht. ?i äouv! Ein so edles Tier zu sein und seinen Herrn nicht
besser zu verstehen! Maäo iMNsIkb^!*)



*) Hierher, euer Gnade"!
Auf der Leiter des Glücks.

geflissentlich gekränkt? Wcir je ein Bittender von ihm abgewiesen worden?
War er nicht freisinnig, unzeremoniös, herablassend? War er nicht so brav
und tapfer wie je einer seines erlauchten Geschlechtes gewesen sein konnte?

Freilich, was änderte das an der Aussichtslosigkeit des Abenteuers, in
welches sein heißes Blut Fräulein von Mockritz verstrickt hatte?

Während sie an seinem Arm auf dem weichen, duftigen Nadelteppich im
kühlen Schatten der flüsternden Kiefern und Fichten auf und abwandelte, seine
Vertraulichkeiten mit Worten abwehrend und doch ihnen immer von neuem Ver¬
zeihung angedeihen lassend, seinen romantischen Plänen mit Kopsschütteln be¬
gegnend und ihnen doch bei jedem Blicke, den er von ihr erhaschte, durch das
aufblitzende Feuer ihrer Augen immer neue, reizvolle Beleuchtung gebend, wäh¬
rend dessen ging dennoch allmählich das, was auch bei ihr leidenschaftliche Er¬
regung gewesen war, in eine gedämpftere Gemütsverfassung über, und sie begann
sich darüber klar zu werden, daß sie auf dem Punkte gewesen war, eine große
Thorheit zu begehen.

Hoheit, sagte sie endlich, indem sie ihren Arm sanft dem seinen entzog,
lassen wir es nun der Luftschlösser genug sein. Sie sind und bleiben Prinz,
ich bin nichts als tout donnemsnt Fräulein von Mockritz. Was Ihre prinz¬
lichen Lippen meinen beschämter Ohren an Liebesschwüren zu kosten gaben, kam,
ich weiß es, aus ritterlichem Herzen. Sie glaubten und Sie glauben gewiß
noch in diesem Augenblicke an die Haltbarkeit Ihrer Schwüre — aber —

Aus voller Seele! beteuerte der Prinz und bemächtigte sich mit Innigkeit
ihrer beiden Hände. Kommen Sie! Wir haben schon kostbare Minuten ver¬
loren! Die Waldwege sind nur noch eine Stunde hell genug, daß wir nicht irre
reiten.

Und er pfiff seinem Pferde, das mit verwöhnt leckeren Zahn in geringer
Ferne zwischen dem niedrigen Gezweige des Laubholzes umherstöberte, ohne etwas
ihm schmackhaft Dünkendes gefunden zu haben.

In zwei Stunden, fuhr der Prinz fort, sind wir am Ziele! Kommen Sie,
Teuerste! Ein Mann, ein Wort! Noch heute werden Sie die Meine.

Das Pferd trabte heran.

Hoheit, widersprach Hermione, als der Prinz in demselben Augenblicke so
mühelos, als sei sie ein Kind, sie vom Boden hob und sich ihr im Sattel nach¬
schwang, Hoheit, keine abermalige Überrumpeln» g, wenn ich bitten darf!

Allons, Mustapha! spornte der Prinz sein Pferd. Was sagten Sie von
Überrumpelung, teures Fräulein? Hierher, Mustapha, mehr rechts, wo die
Sonne untergeht. ?i äouv! Ein so edles Tier zu sein und seinen Herrn nicht
besser zu verstehen! Maäo iMNsIkb^!*)



*) Hierher, euer Gnade»!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155101"/>
          <fw type="header" place="top"> Auf der Leiter des Glücks.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_862" prev="#ID_861"> geflissentlich gekränkt? Wcir je ein Bittender von ihm abgewiesen worden?<lb/>
War er nicht freisinnig, unzeremoniös, herablassend? War er nicht so brav<lb/>
und tapfer wie je einer seines erlauchten Geschlechtes gewesen sein konnte?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_863"> Freilich, was änderte das an der Aussichtslosigkeit des Abenteuers, in<lb/>
welches sein heißes Blut Fräulein von Mockritz verstrickt hatte?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_864"> Während sie an seinem Arm auf dem weichen, duftigen Nadelteppich im<lb/>
kühlen Schatten der flüsternden Kiefern und Fichten auf und abwandelte, seine<lb/>
Vertraulichkeiten mit Worten abwehrend und doch ihnen immer von neuem Ver¬<lb/>
zeihung angedeihen lassend, seinen romantischen Plänen mit Kopsschütteln be¬<lb/>
gegnend und ihnen doch bei jedem Blicke, den er von ihr erhaschte, durch das<lb/>
aufblitzende Feuer ihrer Augen immer neue, reizvolle Beleuchtung gebend, wäh¬<lb/>
rend dessen ging dennoch allmählich das, was auch bei ihr leidenschaftliche Er¬<lb/>
regung gewesen war, in eine gedämpftere Gemütsverfassung über, und sie begann<lb/>
sich darüber klar zu werden, daß sie auf dem Punkte gewesen war, eine große<lb/>
Thorheit zu begehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_865"> Hoheit, sagte sie endlich, indem sie ihren Arm sanft dem seinen entzog,<lb/>
lassen wir es nun der Luftschlösser genug sein. Sie sind und bleiben Prinz,<lb/>
ich bin nichts als tout donnemsnt Fräulein von Mockritz. Was Ihre prinz¬<lb/>
lichen Lippen meinen beschämter Ohren an Liebesschwüren zu kosten gaben, kam,<lb/>
ich weiß es, aus ritterlichem Herzen. Sie glaubten und Sie glauben gewiß<lb/>
noch in diesem Augenblicke an die Haltbarkeit Ihrer Schwüre &#x2014; aber &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_866"> Aus voller Seele! beteuerte der Prinz und bemächtigte sich mit Innigkeit<lb/>
ihrer beiden Hände. Kommen Sie! Wir haben schon kostbare Minuten ver¬<lb/>
loren! Die Waldwege sind nur noch eine Stunde hell genug, daß wir nicht irre<lb/>
reiten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_867"> Und er pfiff seinem Pferde, das mit verwöhnt leckeren Zahn in geringer<lb/>
Ferne zwischen dem niedrigen Gezweige des Laubholzes umherstöberte, ohne etwas<lb/>
ihm schmackhaft Dünkendes gefunden zu haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_868"> In zwei Stunden, fuhr der Prinz fort, sind wir am Ziele! Kommen Sie,<lb/>
Teuerste! Ein Mann, ein Wort! Noch heute werden Sie die Meine.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_869"> Das Pferd trabte heran.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_870"> Hoheit, widersprach Hermione, als der Prinz in demselben Augenblicke so<lb/>
mühelos, als sei sie ein Kind, sie vom Boden hob und sich ihr im Sattel nach¬<lb/>
schwang, Hoheit, keine abermalige Überrumpeln» g, wenn ich bitten darf!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_871"> Allons, Mustapha! spornte der Prinz sein Pferd. Was sagten Sie von<lb/>
Überrumpelung, teures Fräulein? Hierher, Mustapha, mehr rechts, wo die<lb/>
Sonne untergeht. ?i äouv! Ein so edles Tier zu sein und seinen Herrn nicht<lb/>
besser zu verstehen! Maäo iMNsIkb^!*)</p><lb/>
          <note xml:id="FID_15" place="foot"> *) Hierher, euer Gnade»!</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] Auf der Leiter des Glücks. geflissentlich gekränkt? Wcir je ein Bittender von ihm abgewiesen worden? War er nicht freisinnig, unzeremoniös, herablassend? War er nicht so brav und tapfer wie je einer seines erlauchten Geschlechtes gewesen sein konnte? Freilich, was änderte das an der Aussichtslosigkeit des Abenteuers, in welches sein heißes Blut Fräulein von Mockritz verstrickt hatte? Während sie an seinem Arm auf dem weichen, duftigen Nadelteppich im kühlen Schatten der flüsternden Kiefern und Fichten auf und abwandelte, seine Vertraulichkeiten mit Worten abwehrend und doch ihnen immer von neuem Ver¬ zeihung angedeihen lassend, seinen romantischen Plänen mit Kopsschütteln be¬ gegnend und ihnen doch bei jedem Blicke, den er von ihr erhaschte, durch das aufblitzende Feuer ihrer Augen immer neue, reizvolle Beleuchtung gebend, wäh¬ rend dessen ging dennoch allmählich das, was auch bei ihr leidenschaftliche Er¬ regung gewesen war, in eine gedämpftere Gemütsverfassung über, und sie begann sich darüber klar zu werden, daß sie auf dem Punkte gewesen war, eine große Thorheit zu begehen. Hoheit, sagte sie endlich, indem sie ihren Arm sanft dem seinen entzog, lassen wir es nun der Luftschlösser genug sein. Sie sind und bleiben Prinz, ich bin nichts als tout donnemsnt Fräulein von Mockritz. Was Ihre prinz¬ lichen Lippen meinen beschämter Ohren an Liebesschwüren zu kosten gaben, kam, ich weiß es, aus ritterlichem Herzen. Sie glaubten und Sie glauben gewiß noch in diesem Augenblicke an die Haltbarkeit Ihrer Schwüre — aber — Aus voller Seele! beteuerte der Prinz und bemächtigte sich mit Innigkeit ihrer beiden Hände. Kommen Sie! Wir haben schon kostbare Minuten ver¬ loren! Die Waldwege sind nur noch eine Stunde hell genug, daß wir nicht irre reiten. Und er pfiff seinem Pferde, das mit verwöhnt leckeren Zahn in geringer Ferne zwischen dem niedrigen Gezweige des Laubholzes umherstöberte, ohne etwas ihm schmackhaft Dünkendes gefunden zu haben. In zwei Stunden, fuhr der Prinz fort, sind wir am Ziele! Kommen Sie, Teuerste! Ein Mann, ein Wort! Noch heute werden Sie die Meine. Das Pferd trabte heran. Hoheit, widersprach Hermione, als der Prinz in demselben Augenblicke so mühelos, als sei sie ein Kind, sie vom Boden hob und sich ihr im Sattel nach¬ schwang, Hoheit, keine abermalige Überrumpeln» g, wenn ich bitten darf! Allons, Mustapha! spornte der Prinz sein Pferd. Was sagten Sie von Überrumpelung, teures Fräulein? Hierher, Mustapha, mehr rechts, wo die Sonne untergeht. ?i äouv! Ein so edles Tier zu sein und seinen Herrn nicht besser zu verstehen! Maäo iMNsIkb^!*) *) Hierher, euer Gnade»!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/218>, abgerufen am 23.07.2024.