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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Hermione griff ablenkend in die Zügel. Nicht dahin, Hoheit! rief sie, nicht
dahin!

Gerade dahin müssen wir ja, meine Teuerste, gab der Prinz zurück. Aber
so lassen Sie doch los, gnädiges Fräulein! Mustapha wird uns noch in den
Sand setzen. Da! da! Er steigt! Jetzt steht er schon auf den Hinterfüßen!
Aufgepaßt! Da haben sich. Wir rutschen oder wir überschlagen uns mit ihm!

Wenig fehlte daran. Aber der Prinz war ein Centaur, und Mustapha
wurde noch zur rechten Zeit zu Raison gebracht.

Hermione hatte vor Schreck die Hände von den Zügeln gelassen. Sie
glaubte schon am Boden zu liegen.

Der Prinz klopfte dem schnaubend ihm gehorchenden Pferde den Hals.
Ruhig Blut, Mustapha! sprach er ihm in begütigenden Tone zu. Und auch
Sie, gnädiges Fräulein, überlassen Sie dem Prinzen Ottokar das weitere. Wir
wollen doch beide ohne Aufsehen und Unfall ans Ziel. Also bitte: Bin ich jetzt
Herr aus meinem Pferde! Wir haben wahrlich Ursache, uns zu beeilen!

Hoheit, bat Hermione, hören Sie erst, was ich zu sagen habe.

Ich höre.

Wenden Sie das Pferd um.

Wohin?

Nach Osten.

Wo wir herkamen? Hermione!

Sie werden mirs danken!

Grausame!

Also nach Hause, Hoheit.

So war alles nur ein Spiel? Sie hatten doch Thränen in den Augen!
Sie haben doch meine Küsse erwiedert! O die Weiber! Nur wir Männer
wissen in Wahrheit, was Liebe ist.

Nun sind Sie der Grausame, Hoheit.

Ich, der alles, alles für Sie hingeben will?

Um es später bitter zu bereuen.

Nie, nie!

Schon in Jahresfrist! Was sage ich? Schon ehe der Mond wechselt!
Wie kann ich Ihnen Vater, Mutter, Geschwister ersetzen? Wie vor allem Ihre
ganze Stellung im Reiche! Angewendet, Hoheit. Sie setzen meine guten Vor¬
sätze ans eine zu lange Probe.

Es sind keine guten Vorsätze, rief der Prinz, ließ die Zügel fallen und
schloß Hermione mit Inbrunst in seine Arme. Liebes, einziges Mädchen, stam¬
melte er, denn Wonne und Schmerz erstickten gleichzeitig seine Worte, wie könnte
ich dich je wieder von mir lassen! Was sollte aus mir werden?

Hoheit, sagte Hermione, indem sie sich .seiner Umarmung entrang, was aus
Ihnen werden soll, ist sicherlich leichter zu beantworten, als was aus Hermione


Grenzbotui I. 1S84, 27
Auf der Leiter des Glücks.

Hermione griff ablenkend in die Zügel. Nicht dahin, Hoheit! rief sie, nicht
dahin!

Gerade dahin müssen wir ja, meine Teuerste, gab der Prinz zurück. Aber
so lassen Sie doch los, gnädiges Fräulein! Mustapha wird uns noch in den
Sand setzen. Da! da! Er steigt! Jetzt steht er schon auf den Hinterfüßen!
Aufgepaßt! Da haben sich. Wir rutschen oder wir überschlagen uns mit ihm!

Wenig fehlte daran. Aber der Prinz war ein Centaur, und Mustapha
wurde noch zur rechten Zeit zu Raison gebracht.

Hermione hatte vor Schreck die Hände von den Zügeln gelassen. Sie
glaubte schon am Boden zu liegen.

Der Prinz klopfte dem schnaubend ihm gehorchenden Pferde den Hals.
Ruhig Blut, Mustapha! sprach er ihm in begütigenden Tone zu. Und auch
Sie, gnädiges Fräulein, überlassen Sie dem Prinzen Ottokar das weitere. Wir
wollen doch beide ohne Aufsehen und Unfall ans Ziel. Also bitte: Bin ich jetzt
Herr aus meinem Pferde! Wir haben wahrlich Ursache, uns zu beeilen!

Hoheit, bat Hermione, hören Sie erst, was ich zu sagen habe.

Ich höre.

Wenden Sie das Pferd um.

Wohin?

Nach Osten.

Wo wir herkamen? Hermione!

Sie werden mirs danken!

Grausame!

Also nach Hause, Hoheit.

So war alles nur ein Spiel? Sie hatten doch Thränen in den Augen!
Sie haben doch meine Küsse erwiedert! O die Weiber! Nur wir Männer
wissen in Wahrheit, was Liebe ist.

Nun sind Sie der Grausame, Hoheit.

Ich, der alles, alles für Sie hingeben will?

Um es später bitter zu bereuen.

Nie, nie!

Schon in Jahresfrist! Was sage ich? Schon ehe der Mond wechselt!
Wie kann ich Ihnen Vater, Mutter, Geschwister ersetzen? Wie vor allem Ihre
ganze Stellung im Reiche! Angewendet, Hoheit. Sie setzen meine guten Vor¬
sätze ans eine zu lange Probe.

Es sind keine guten Vorsätze, rief der Prinz, ließ die Zügel fallen und
schloß Hermione mit Inbrunst in seine Arme. Liebes, einziges Mädchen, stam¬
melte er, denn Wonne und Schmerz erstickten gleichzeitig seine Worte, wie könnte
ich dich je wieder von mir lassen! Was sollte aus mir werden?

Hoheit, sagte Hermione, indem sie sich .seiner Umarmung entrang, was aus
Ihnen werden soll, ist sicherlich leichter zu beantworten, als was aus Hermione


Grenzbotui I. 1S84, 27
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[0219] Auf der Leiter des Glücks. Hermione griff ablenkend in die Zügel. Nicht dahin, Hoheit! rief sie, nicht dahin! Gerade dahin müssen wir ja, meine Teuerste, gab der Prinz zurück. Aber so lassen Sie doch los, gnädiges Fräulein! Mustapha wird uns noch in den Sand setzen. Da! da! Er steigt! Jetzt steht er schon auf den Hinterfüßen! Aufgepaßt! Da haben sich. Wir rutschen oder wir überschlagen uns mit ihm! Wenig fehlte daran. Aber der Prinz war ein Centaur, und Mustapha wurde noch zur rechten Zeit zu Raison gebracht. Hermione hatte vor Schreck die Hände von den Zügeln gelassen. Sie glaubte schon am Boden zu liegen. Der Prinz klopfte dem schnaubend ihm gehorchenden Pferde den Hals. Ruhig Blut, Mustapha! sprach er ihm in begütigenden Tone zu. Und auch Sie, gnädiges Fräulein, überlassen Sie dem Prinzen Ottokar das weitere. Wir wollen doch beide ohne Aufsehen und Unfall ans Ziel. Also bitte: Bin ich jetzt Herr aus meinem Pferde! Wir haben wahrlich Ursache, uns zu beeilen! Hoheit, bat Hermione, hören Sie erst, was ich zu sagen habe. Ich höre. Wenden Sie das Pferd um. Wohin? Nach Osten. Wo wir herkamen? Hermione! Sie werden mirs danken! Grausame! Also nach Hause, Hoheit. So war alles nur ein Spiel? Sie hatten doch Thränen in den Augen! Sie haben doch meine Küsse erwiedert! O die Weiber! Nur wir Männer wissen in Wahrheit, was Liebe ist. Nun sind Sie der Grausame, Hoheit. Ich, der alles, alles für Sie hingeben will? Um es später bitter zu bereuen. Nie, nie! Schon in Jahresfrist! Was sage ich? Schon ehe der Mond wechselt! Wie kann ich Ihnen Vater, Mutter, Geschwister ersetzen? Wie vor allem Ihre ganze Stellung im Reiche! Angewendet, Hoheit. Sie setzen meine guten Vor¬ sätze ans eine zu lange Probe. Es sind keine guten Vorsätze, rief der Prinz, ließ die Zügel fallen und schloß Hermione mit Inbrunst in seine Arme. Liebes, einziges Mädchen, stam¬ melte er, denn Wonne und Schmerz erstickten gleichzeitig seine Worte, wie könnte ich dich je wieder von mir lassen! Was sollte aus mir werden? Hoheit, sagte Hermione, indem sie sich .seiner Umarmung entrang, was aus Ihnen werden soll, ist sicherlich leichter zu beantworten, als was aus Hermione Grenzbotui I. 1S84, 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/219>, abgerufen am 22.07.2024.