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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Die Hauptarbeit kam vielmehr in die Hände eines Jlluministen. Das
Ergebnis seiner Mühen war ein Miniaturwerk von 109 Pergamentblättern in
Großquerfolio. Vom Originalwerk, das früher Eigentum des Stiftes Se. Florian
war und jetzt eine Zierde der k. k. Hofbibliothek bildet, hat sich leider nur die
zweite, größere Hälfte, von Blatt 50 an, erhalten. Glücklicherweise wurde aber
diese Originalarbeit schon im sechzehnten Jahrhundert, als sie noch vollständig
war, kopirt; und diese jetzt ebenfalls in der Wiener Hofbibliothek bewahrte
Kopie setzt uns in den Stand, uns auch von der Ausführung des verloren ge¬
gangenen ersten Teiles des Originalentwurfes ein deutliches Bild zu machen.
Aus beiden Miniaturwerken, dem Originalentwurf, soweit er vorhanden ist. und
aus der Kopie ersehen wir, daß sich der Künstler bei der Komposition der Dar¬
stellungen fast sklavisch an den vorliegenden Text gehalten hat. Er hat, um
sich dieseni möglichst eng anschließen zu können, selbst Dürers freiere Skizzen
für die Miniaturen wieder bedeutend verändert. Der Kaiserwagen strotzt von
Gold und Edelsteinen; Maximilian sitzt allein unter dem reichen Thronhimmel,
und vor ihm sitzen auf einer hinzugefügten Bank seine Gemahlin und seine
Tochter Margarete. Die Ausführung des ganzen Miniaturwerkes ist sehr un¬
gleich. Es macht den Eindruck einer in der Werkstätte eines der bedeutendsten
Meister jener Zeit ausgeführten Arbeit, an welcher verschiedne Hände thätig
waren. Besonders gelungen ist der ornamentale Teil, ferner der Triumphwagen
des Kaisers und der Kaiserin, sowie einige Schlachtenbilder mit landschaftlichen
Hintergrunde. Wer der Meister war, welcher die Anfertigung des großen
Miniaturwerkes leitete, darüber fehlen alle Vermutungen. Die Ausführung der
gewaltigen Arbeit muß jedoch mehrere Jahre gedauert habe" und wird nicht
vor 1516 beendet gewesen sein.

Als die Miniatur fertig war, galt es nun, dieselbe durch den Holzschnitt
zu vervielfältigen. Um die Arbeit möglichst zu beschleunigen, wurde das Werk
in Gruppen geteilt und jede einzelne Gruppe einem besondern Künstler über¬
tragen, um die Zeichnung auf den Holzstock zu bringen. Tafel 1 --56 hatte
Hans Burgkmair zu zeichnen, Tafel 57 -- 88 ein minder bedeutender unbekannter
Meister, Tafel 89 -- 104 Albrecht Dürer, Tafel 105 wieder ein unbekannter
Meister, Tafel 106 --110 Dürer, Tafel 111 -- 114 Burgkmair, Tafel 116 - 120
eir Unbekannter, Tafel 121 und 122 Dürer. Tafel 123 -- 125 Burgkmair,
Tafel 126 -- 123 ein Unbekannter, Tafel 129 -- 131 Burgkmair, Tafel 132--137
ein unbekannter Meister. Den Löwenanteil an dem Triumphzuge hat also Burgk¬
mair, dem nicht weniger als 66 Zeichnungen angehören; dann kommt Dürer
mit 24, und die übrigen 47 verteilen sich auf unbekannte kleinere Künstler.

Es ist selbstverständlich, daß Meister wie Dürer und Burgkmair sich nicht
streng an die gegebene Miniaturvorlage hielten, sondern ihrem Geiste freien
Spielraum ließen. Die kleinern Meister schlössen sich eng an die Vorlage an.
Auch Hans Burgkmairs Arbeiten stehen derselben noch nahe und entfernen sich


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Die Hauptarbeit kam vielmehr in die Hände eines Jlluministen. Das
Ergebnis seiner Mühen war ein Miniaturwerk von 109 Pergamentblättern in
Großquerfolio. Vom Originalwerk, das früher Eigentum des Stiftes Se. Florian
war und jetzt eine Zierde der k. k. Hofbibliothek bildet, hat sich leider nur die
zweite, größere Hälfte, von Blatt 50 an, erhalten. Glücklicherweise wurde aber
diese Originalarbeit schon im sechzehnten Jahrhundert, als sie noch vollständig
war, kopirt; und diese jetzt ebenfalls in der Wiener Hofbibliothek bewahrte
Kopie setzt uns in den Stand, uns auch von der Ausführung des verloren ge¬
gangenen ersten Teiles des Originalentwurfes ein deutliches Bild zu machen.
Aus beiden Miniaturwerken, dem Originalentwurf, soweit er vorhanden ist. und
aus der Kopie ersehen wir, daß sich der Künstler bei der Komposition der Dar¬
stellungen fast sklavisch an den vorliegenden Text gehalten hat. Er hat, um
sich dieseni möglichst eng anschließen zu können, selbst Dürers freiere Skizzen
für die Miniaturen wieder bedeutend verändert. Der Kaiserwagen strotzt von
Gold und Edelsteinen; Maximilian sitzt allein unter dem reichen Thronhimmel,
und vor ihm sitzen auf einer hinzugefügten Bank seine Gemahlin und seine
Tochter Margarete. Die Ausführung des ganzen Miniaturwerkes ist sehr un¬
gleich. Es macht den Eindruck einer in der Werkstätte eines der bedeutendsten
Meister jener Zeit ausgeführten Arbeit, an welcher verschiedne Hände thätig
waren. Besonders gelungen ist der ornamentale Teil, ferner der Triumphwagen
des Kaisers und der Kaiserin, sowie einige Schlachtenbilder mit landschaftlichen
Hintergrunde. Wer der Meister war, welcher die Anfertigung des großen
Miniaturwerkes leitete, darüber fehlen alle Vermutungen. Die Ausführung der
gewaltigen Arbeit muß jedoch mehrere Jahre gedauert habe» und wird nicht
vor 1516 beendet gewesen sein.

Als die Miniatur fertig war, galt es nun, dieselbe durch den Holzschnitt
zu vervielfältigen. Um die Arbeit möglichst zu beschleunigen, wurde das Werk
in Gruppen geteilt und jede einzelne Gruppe einem besondern Künstler über¬
tragen, um die Zeichnung auf den Holzstock zu bringen. Tafel 1 —56 hatte
Hans Burgkmair zu zeichnen, Tafel 57 — 88 ein minder bedeutender unbekannter
Meister, Tafel 89 — 104 Albrecht Dürer, Tafel 105 wieder ein unbekannter
Meister, Tafel 106 —110 Dürer, Tafel 111 — 114 Burgkmair, Tafel 116 - 120
eir Unbekannter, Tafel 121 und 122 Dürer. Tafel 123 — 125 Burgkmair,
Tafel 126 — 123 ein Unbekannter, Tafel 129 — 131 Burgkmair, Tafel 132—137
ein unbekannter Meister. Den Löwenanteil an dem Triumphzuge hat also Burgk¬
mair, dem nicht weniger als 66 Zeichnungen angehören; dann kommt Dürer
mit 24, und die übrigen 47 verteilen sich auf unbekannte kleinere Künstler.

Es ist selbstverständlich, daß Meister wie Dürer und Burgkmair sich nicht
streng an die gegebene Miniaturvorlage hielten, sondern ihrem Geiste freien
Spielraum ließen. Die kleinern Meister schlössen sich eng an die Vorlage an.
Auch Hans Burgkmairs Arbeiten stehen derselben noch nahe und entfernen sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/198>, abgerufen am 22.07.2024.