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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

lerischen Unternehmungen heranzog, so feierte darin mehr und mehr die Gelehr¬
samkeit ihre Triumphe. Die Künstler, welche der Kaiser beschäftigte, hatten nur
selten freie Hand, in vielen Fällen hatten sie nur weitschweifige, von den einzelnen
Gelehrten ersonnene Programme auszuführen. Dies beides, daß die Kunst die
Dienerin der kaiserlichen Majestät und die Dienerin der Gelehrsamkeit war,
müssen wir in den Kauf nehmen, wenn wir die Kunstbestrebungen des Kaisers
Maximilian würdigen wollen. Und wir können es leicht, da seine Kunstliebe
trotz alledem Herrliches und unvergänglich Schönes hat erstehen lassen. Freilich
sind fast alle diese Werke vom Kaiser nur vorbereitet worden. Sein frühzeitiger
Tod im Jahre 1519 hinderte die Ausführung, und erst der begeisterten Hingabe
nachfolgender Geschlechter blieb die Vollendung der meisten Werke Kaiser Maxi¬
milians vorbehalten.

Wer das rastlose Leben Maximilians kennt, wird sich nicht darüber Wundern,
daß er keine großen monumentalen Bauten ins Leben rief. Über seine Beziehungen
zur Architektur läßt sich am wenigsten sagen. Daß er aber ein tiefes Ver¬
ständnis dafür hatte, beweist der Umstand, daß er über Baukunst geschrieben hat.

Weit mehr wurde die Plastik durch ihn gefördert, und zwar in erster Linie
durch sein prächtiges Grabmal in Innsbruck.

Daß gerade Maximilian auf den Gedanken zu einem Prachtgrabmal ver¬
fiel, darf nicht wunderbar erscheinen. Für das Leben hatte der rastlose Kaiser
nie einen festen Wohnsitz. Er war immer unterwegs von Pfalz zu Pfalz, von
Stadt zu Stadt; seine Heimat war der Steigbügel, seine Residenz der Sattel.
Da ist es natürlich, daß er sich sehnte, wenigstens nach dem Tode eine dauernde
Wohnung zu haben, wie er denn in seinen letzten Lebensjahren immer einen
prächtigen Sarg bei sich zu führen und darüber zu außer" pflegte: "Ich führe
diese Lade bei mir zum Gebrauch eines Dinges, das mir eins von den
liebsten ist."

Aber auch die allgemeine Zeitrichtung kam dem Wunsche, in einem Pracht¬
grabe beigesetzt zu werden, entgegen. Der Gräberluxus spielt in der italienischen
wie in der deutschen Renaissance eine große Rolle. Jeder vornehme Italiener
ließ schon bei seinen Lebzeiten sein Grabmal anfertigen und selbst aufstellen,
nach dem bekannten Ratschläge, den man am Grabe eines römischen Prä¬
laten liest:


LsrtÄ äiss nulli sse, mors osrw; mosria ssauentum
Lüi's,; looot tnmlllum, sMt, arrts sibi.

Es gab Leute, die das kümmerlichste Leben führten, nur um einst ein Grab¬
denkmal zu haben, die frühmorgens schon mit Architekten und Marmorarbeitern
bei allen antiken Ruinen herumzogen, nachmittags todmüde nach Hause kamen
und nachts von weiter nichts als von Gesimsen, Friesen und Säulen ihres Grab¬
mals träumten. Ähnlich wie in Italien, war auch in Deutschland der Gräber-


Grcuzlwten I. 1884. 17
Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

lerischen Unternehmungen heranzog, so feierte darin mehr und mehr die Gelehr¬
samkeit ihre Triumphe. Die Künstler, welche der Kaiser beschäftigte, hatten nur
selten freie Hand, in vielen Fällen hatten sie nur weitschweifige, von den einzelnen
Gelehrten ersonnene Programme auszuführen. Dies beides, daß die Kunst die
Dienerin der kaiserlichen Majestät und die Dienerin der Gelehrsamkeit war,
müssen wir in den Kauf nehmen, wenn wir die Kunstbestrebungen des Kaisers
Maximilian würdigen wollen. Und wir können es leicht, da seine Kunstliebe
trotz alledem Herrliches und unvergänglich Schönes hat erstehen lassen. Freilich
sind fast alle diese Werke vom Kaiser nur vorbereitet worden. Sein frühzeitiger
Tod im Jahre 1519 hinderte die Ausführung, und erst der begeisterten Hingabe
nachfolgender Geschlechter blieb die Vollendung der meisten Werke Kaiser Maxi¬
milians vorbehalten.

Wer das rastlose Leben Maximilians kennt, wird sich nicht darüber Wundern,
daß er keine großen monumentalen Bauten ins Leben rief. Über seine Beziehungen
zur Architektur läßt sich am wenigsten sagen. Daß er aber ein tiefes Ver¬
ständnis dafür hatte, beweist der Umstand, daß er über Baukunst geschrieben hat.

Weit mehr wurde die Plastik durch ihn gefördert, und zwar in erster Linie
durch sein prächtiges Grabmal in Innsbruck.

Daß gerade Maximilian auf den Gedanken zu einem Prachtgrabmal ver¬
fiel, darf nicht wunderbar erscheinen. Für das Leben hatte der rastlose Kaiser
nie einen festen Wohnsitz. Er war immer unterwegs von Pfalz zu Pfalz, von
Stadt zu Stadt; seine Heimat war der Steigbügel, seine Residenz der Sattel.
Da ist es natürlich, daß er sich sehnte, wenigstens nach dem Tode eine dauernde
Wohnung zu haben, wie er denn in seinen letzten Lebensjahren immer einen
prächtigen Sarg bei sich zu führen und darüber zu außer» pflegte: „Ich führe
diese Lade bei mir zum Gebrauch eines Dinges, das mir eins von den
liebsten ist."

Aber auch die allgemeine Zeitrichtung kam dem Wunsche, in einem Pracht¬
grabe beigesetzt zu werden, entgegen. Der Gräberluxus spielt in der italienischen
wie in der deutschen Renaissance eine große Rolle. Jeder vornehme Italiener
ließ schon bei seinen Lebzeiten sein Grabmal anfertigen und selbst aufstellen,
nach dem bekannten Ratschläge, den man am Grabe eines römischen Prä¬
laten liest:


LsrtÄ äiss nulli sse, mors osrw; mosria ssauentum
Lüi's,; looot tnmlllum, sMt, arrts sibi.

Es gab Leute, die das kümmerlichste Leben führten, nur um einst ein Grab¬
denkmal zu haben, die frühmorgens schon mit Architekten und Marmorarbeitern
bei allen antiken Ruinen herumzogen, nachmittags todmüde nach Hause kamen
und nachts von weiter nichts als von Gesimsen, Friesen und Säulen ihres Grab¬
mals träumten. Ähnlich wie in Italien, war auch in Deutschland der Gräber-


Grcuzlwten I. 1884. 17
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[0139] Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund. lerischen Unternehmungen heranzog, so feierte darin mehr und mehr die Gelehr¬ samkeit ihre Triumphe. Die Künstler, welche der Kaiser beschäftigte, hatten nur selten freie Hand, in vielen Fällen hatten sie nur weitschweifige, von den einzelnen Gelehrten ersonnene Programme auszuführen. Dies beides, daß die Kunst die Dienerin der kaiserlichen Majestät und die Dienerin der Gelehrsamkeit war, müssen wir in den Kauf nehmen, wenn wir die Kunstbestrebungen des Kaisers Maximilian würdigen wollen. Und wir können es leicht, da seine Kunstliebe trotz alledem Herrliches und unvergänglich Schönes hat erstehen lassen. Freilich sind fast alle diese Werke vom Kaiser nur vorbereitet worden. Sein frühzeitiger Tod im Jahre 1519 hinderte die Ausführung, und erst der begeisterten Hingabe nachfolgender Geschlechter blieb die Vollendung der meisten Werke Kaiser Maxi¬ milians vorbehalten. Wer das rastlose Leben Maximilians kennt, wird sich nicht darüber Wundern, daß er keine großen monumentalen Bauten ins Leben rief. Über seine Beziehungen zur Architektur läßt sich am wenigsten sagen. Daß er aber ein tiefes Ver¬ ständnis dafür hatte, beweist der Umstand, daß er über Baukunst geschrieben hat. Weit mehr wurde die Plastik durch ihn gefördert, und zwar in erster Linie durch sein prächtiges Grabmal in Innsbruck. Daß gerade Maximilian auf den Gedanken zu einem Prachtgrabmal ver¬ fiel, darf nicht wunderbar erscheinen. Für das Leben hatte der rastlose Kaiser nie einen festen Wohnsitz. Er war immer unterwegs von Pfalz zu Pfalz, von Stadt zu Stadt; seine Heimat war der Steigbügel, seine Residenz der Sattel. Da ist es natürlich, daß er sich sehnte, wenigstens nach dem Tode eine dauernde Wohnung zu haben, wie er denn in seinen letzten Lebensjahren immer einen prächtigen Sarg bei sich zu führen und darüber zu außer» pflegte: „Ich führe diese Lade bei mir zum Gebrauch eines Dinges, das mir eins von den liebsten ist." Aber auch die allgemeine Zeitrichtung kam dem Wunsche, in einem Pracht¬ grabe beigesetzt zu werden, entgegen. Der Gräberluxus spielt in der italienischen wie in der deutschen Renaissance eine große Rolle. Jeder vornehme Italiener ließ schon bei seinen Lebzeiten sein Grabmal anfertigen und selbst aufstellen, nach dem bekannten Ratschläge, den man am Grabe eines römischen Prä¬ laten liest: LsrtÄ äiss nulli sse, mors osrw; mosria ssauentum Lüi's,; looot tnmlllum, sMt, arrts sibi. Es gab Leute, die das kümmerlichste Leben führten, nur um einst ein Grab¬ denkmal zu haben, die frühmorgens schon mit Architekten und Marmorarbeitern bei allen antiken Ruinen herumzogen, nachmittags todmüde nach Hause kamen und nachts von weiter nichts als von Gesimsen, Friesen und Säulen ihres Grab¬ mals träumten. Ähnlich wie in Italien, war auch in Deutschland der Gräber- Grcuzlwten I. 1884. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/139>, abgerufen am 23.07.2024.