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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian l> als Runstfreunb.

geben hätte, ihre Kräfte zu gebrauchen. Und auch die italienische Kunst des
sechzehnten Jahrhunderts würde sich nie zu ihrer vollen Blüte entfaltet haben,
wenn nicht damals gerade Julius II. und Leo X. auf dem Stuhle Petri ge¬
sessen hätten. Ausschließlich der Thatkraft Julius' II. verdanken Bramantes
Se. Petersbau, Michelangelos Decke der Sixtina, Raffaels Fresken in den
Stanzen des Vatikans ihr Dasein. Julius II. war es, der den Geist dieser
Männer erkannte, sie davon abhielt, ihre Kräfte zu zersplittern, immer größere
und erhabenere Aufgaben an sie stellte. Sein Nachfolger Leo X. war es, der
dann mit dem reichen Kunsterbe seines Vorgängers wucherte.

Was sür die italienische Kunst Julius II. und Leo X. sind, das ist für
die deutsche Kaiser Maximilian I.

Freilich hat fast alles fürstliche Mäenatentum jener Zeit einen erdigen
Beigeschmack. Die Kunst ist nur selten die hohe, unverwelkliche Göttin, zu welcher
der Fürst betet, sie ist in sehr vielen Fällen nur die Dienerin, welche der
Majestät die Schleppe nachzutragen hat. Julius II. würde aus bloßer Lieb¬
haberei die Kunst schwerlich so gepflegt haben, sie erscheint bei ihm als eine dem
Papsttum und der Kirche dargebrachte Huldigung; er pflegte sie, weil sie dazu
beitrug, dem Papsttum einen goldigen Nimbus zu verleihen. Leo X. gar schätzte
sie nur deshalb, weil sie imstande war, seine eigne Person zu verherrlichen
und seinen Lebensgenuß zu erhöhe".

Ähnlich wie Leo X. hat auch Kaiser Maximilian -- das läßt sich nicht
leugnen -- die Kunst hauptsächlich persönlicher Interessen wegen gepflegt. Es
war nicht die Freude am schönen Kunstwerk als solchen, die ihn dazu veran¬
laßte; auch ihm diente die Kunst in den meisten Fällen nur dazu, sein Haus
und seine Person zu verherrlichen. Maximilian war wie jeder echte Renaissance¬
mensch von dem Gedanken durchdrungen, daß von allen Lebensgütern der Ruhm
das höchste sei. Durch sein ganzes Dasein zieht sich das Streben, für die
Sicherung des eignen Nachruhms in der nachhaltigsten Weise selbst zu sorgen.
"Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis macht, schreibt er in einem seiner
Werke, im "Weißkunig," der hat nach seinem Tode kein Gedächtnis, und des¬
selben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen. Darum ist das Geld, das
ich für mein Gedächtnis ausgebe, nicht verloren, sondern das Geld, das erspart
wird an meinem Gedächtnis, das ist eine Unterdrückung meines künftigen Ge¬
dächtnisses, und was ich im Leben zu meinem Gedächtnisse nicht vollbringe,
das wird nach meinem Tode weder durch dich noch durch andre dazu gethan
werden." Zur Aufrichtung eines "Gedächtnisses," zur Erlangung unsterblichen
Nachruhmes sollte ihm die Kunst behilflich sein.

Dazu kommt ein zweites, was für die Kunstpflege Kaiser Maximilians
bezeichnend ist. Die Kunst dient nicht nur der Person des Kaisers, sie ist in
vielen Fällen auch nicht eine freie Schwester der Wissenschaft, sondern deren
Dienerin. Da der Kaiser eine ganze Reihe gelehrter Ratgeber zu seinen kunst-


Kaiser Maximilian l> als Runstfreunb.

geben hätte, ihre Kräfte zu gebrauchen. Und auch die italienische Kunst des
sechzehnten Jahrhunderts würde sich nie zu ihrer vollen Blüte entfaltet haben,
wenn nicht damals gerade Julius II. und Leo X. auf dem Stuhle Petri ge¬
sessen hätten. Ausschließlich der Thatkraft Julius' II. verdanken Bramantes
Se. Petersbau, Michelangelos Decke der Sixtina, Raffaels Fresken in den
Stanzen des Vatikans ihr Dasein. Julius II. war es, der den Geist dieser
Männer erkannte, sie davon abhielt, ihre Kräfte zu zersplittern, immer größere
und erhabenere Aufgaben an sie stellte. Sein Nachfolger Leo X. war es, der
dann mit dem reichen Kunsterbe seines Vorgängers wucherte.

Was sür die italienische Kunst Julius II. und Leo X. sind, das ist für
die deutsche Kaiser Maximilian I.

Freilich hat fast alles fürstliche Mäenatentum jener Zeit einen erdigen
Beigeschmack. Die Kunst ist nur selten die hohe, unverwelkliche Göttin, zu welcher
der Fürst betet, sie ist in sehr vielen Fällen nur die Dienerin, welche der
Majestät die Schleppe nachzutragen hat. Julius II. würde aus bloßer Lieb¬
haberei die Kunst schwerlich so gepflegt haben, sie erscheint bei ihm als eine dem
Papsttum und der Kirche dargebrachte Huldigung; er pflegte sie, weil sie dazu
beitrug, dem Papsttum einen goldigen Nimbus zu verleihen. Leo X. gar schätzte
sie nur deshalb, weil sie imstande war, seine eigne Person zu verherrlichen
und seinen Lebensgenuß zu erhöhe».

Ähnlich wie Leo X. hat auch Kaiser Maximilian — das läßt sich nicht
leugnen — die Kunst hauptsächlich persönlicher Interessen wegen gepflegt. Es
war nicht die Freude am schönen Kunstwerk als solchen, die ihn dazu veran¬
laßte; auch ihm diente die Kunst in den meisten Fällen nur dazu, sein Haus
und seine Person zu verherrlichen. Maximilian war wie jeder echte Renaissance¬
mensch von dem Gedanken durchdrungen, daß von allen Lebensgütern der Ruhm
das höchste sei. Durch sein ganzes Dasein zieht sich das Streben, für die
Sicherung des eignen Nachruhms in der nachhaltigsten Weise selbst zu sorgen.
„Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis macht, schreibt er in einem seiner
Werke, im »Weißkunig,« der hat nach seinem Tode kein Gedächtnis, und des¬
selben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen. Darum ist das Geld, das
ich für mein Gedächtnis ausgebe, nicht verloren, sondern das Geld, das erspart
wird an meinem Gedächtnis, das ist eine Unterdrückung meines künftigen Ge¬
dächtnisses, und was ich im Leben zu meinem Gedächtnisse nicht vollbringe,
das wird nach meinem Tode weder durch dich noch durch andre dazu gethan
werden." Zur Aufrichtung eines „Gedächtnisses," zur Erlangung unsterblichen
Nachruhmes sollte ihm die Kunst behilflich sein.

Dazu kommt ein zweites, was für die Kunstpflege Kaiser Maximilians
bezeichnend ist. Die Kunst dient nicht nur der Person des Kaisers, sie ist in
vielen Fällen auch nicht eine freie Schwester der Wissenschaft, sondern deren
Dienerin. Da der Kaiser eine ganze Reihe gelehrter Ratgeber zu seinen kunst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/138>, abgerufen am 23.07.2024.