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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule,

Jeder Gesandte nimmt auf seinen Posten ein Gefolge von Beamten und
Dienern mit, dessen Größe sich nach dem ihm beigelegten Range richtet, und
das an seinen wesentlichen Privilegien, namentlich an seiner Unverletzbarkeit und
Exterritorialität, Anteil hat. In die oberste Kategorie dieser Begleiter gehören
die Botschafts- oder Legationssekretäre, die zuweilen auch den Titel Botschafts¬
oder Legativnsrat führen und den Chef der betreffenden Gesandtschaft, wenn
er abwesend ist, vertreten. Dazu kommen dann ein Kanzleivorstand, Kanzlisten,
Chiffreure, Praktikanten, Couriere, Kanzleidiener, zuweilen ein Gesandtschafts¬
prediger, ein Arzt der Legation, ein Militärattache, ein Courier und ein Zahl¬
meister. Endlich zählen zu diesem Gefolge auch die vom Gesandten gehaltenen
Privatdiener, der etwaige Hauslehrer, Läufer, Kutscher, Köche u. dergl. Früher,
wo man mehr als jetzt auf prunkhaftes Auftreten gab, erschienen die Diplo¬
maten vornehmster Klasse mit sehr zahlreichem und glänzendem Gefolge. So
brachte 1610 der Herzog von Feria, der Botschafter des Königs von Spanien bei
Ludwig XIII. von Frankreich, "eine kleine Armee von Dienern" mit. So be¬
stand ferner das Gefolge des moskowitischen Gesandten, der 1650 am pol¬
nischen Hofe erschien, aus nicht weniger als sechshundert Personen. Und so
war der Marschall von Belle-Jsle, der 1741 als Vertreter Frankreichs zum
Wahltage in Frankfurt abgeordnet wurde, von vierzig Kavalieren, sowie von
einer großen Anzahl von Hausoffizianten und Livreedienern begleitet. Jetzt
haben nur Botschafter ein einigermaßen zahlreiches Gefolge, ein aus mehreren
Sekretären oder Räten, Kanzlisten und ähnlichen Beamten zusammengesetztes
Büreaupersonal und sonstige amtliche Begleitung um sich, und die der Gesandten
zweiten Ranges besteht in der Regel nur aus einem Legationssekretär und einem
Kanzlisten, wozu bisweilen noch ein Kanzleidiener und, im Orient, ein Dol¬
metscher kommt. Die Arbeiten, denen sich die Sekretäre oder Räte der Legation
zu unterziehen haben, bestehen in der Anfertigung von Berichten und ähnlichen
Schriftstücken, im Chiffriren und Dechiffriren, in der Aufnahme von Protokollen,
in der Ausstellung und Visirung von Pässen, in der Führung des gesandt¬
schaftlichen Tagebuches und in der Verwahrung des Archivs. Selten nur sind
diese Aufgaben anstrengend, bei den größer" Gesandtschaften sogar bleibt den
Herren sehr viel Muße für den Salon und für Vergnügungen übrig, und bei
den kleinen giebt es oft garnichts zu thun als die Abstattung zeremonieller
Visiten. Sie sind nicht viel mehr als kostspielige Ornamente und Sinekuren
für den Adel. Macht der Gesandte in Behinderungsfällen von der Befugnis
Gebrauch, sich durch seinen Legationssekretär vertreten zu lassen, so pflegt
letzterer gewöhnlich den Titel eines Geschäftsträgers anzunehmen, in welcher
Eigenschaft er dann ordnungsmäßig bevollmächtigt und beglaubigt wird und
nun Noten verfassen und an Konferenzen teilnehmen kann. Sehr oft kommt
es gegenwärtig vor, daß man den Botschaften und Gesandtschaften Attaches
beigiebt, die man als diplomatische Lehrlinge bezeichnen darf, indem sie, ohne


Grenzboten IV. t834, 77
Aus der Diplomatenschule,

Jeder Gesandte nimmt auf seinen Posten ein Gefolge von Beamten und
Dienern mit, dessen Größe sich nach dem ihm beigelegten Range richtet, und
das an seinen wesentlichen Privilegien, namentlich an seiner Unverletzbarkeit und
Exterritorialität, Anteil hat. In die oberste Kategorie dieser Begleiter gehören
die Botschafts- oder Legationssekretäre, die zuweilen auch den Titel Botschafts¬
oder Legativnsrat führen und den Chef der betreffenden Gesandtschaft, wenn
er abwesend ist, vertreten. Dazu kommen dann ein Kanzleivorstand, Kanzlisten,
Chiffreure, Praktikanten, Couriere, Kanzleidiener, zuweilen ein Gesandtschafts¬
prediger, ein Arzt der Legation, ein Militärattache, ein Courier und ein Zahl¬
meister. Endlich zählen zu diesem Gefolge auch die vom Gesandten gehaltenen
Privatdiener, der etwaige Hauslehrer, Läufer, Kutscher, Köche u. dergl. Früher,
wo man mehr als jetzt auf prunkhaftes Auftreten gab, erschienen die Diplo¬
maten vornehmster Klasse mit sehr zahlreichem und glänzendem Gefolge. So
brachte 1610 der Herzog von Feria, der Botschafter des Königs von Spanien bei
Ludwig XIII. von Frankreich, „eine kleine Armee von Dienern" mit. So be¬
stand ferner das Gefolge des moskowitischen Gesandten, der 1650 am pol¬
nischen Hofe erschien, aus nicht weniger als sechshundert Personen. Und so
war der Marschall von Belle-Jsle, der 1741 als Vertreter Frankreichs zum
Wahltage in Frankfurt abgeordnet wurde, von vierzig Kavalieren, sowie von
einer großen Anzahl von Hausoffizianten und Livreedienern begleitet. Jetzt
haben nur Botschafter ein einigermaßen zahlreiches Gefolge, ein aus mehreren
Sekretären oder Räten, Kanzlisten und ähnlichen Beamten zusammengesetztes
Büreaupersonal und sonstige amtliche Begleitung um sich, und die der Gesandten
zweiten Ranges besteht in der Regel nur aus einem Legationssekretär und einem
Kanzlisten, wozu bisweilen noch ein Kanzleidiener und, im Orient, ein Dol¬
metscher kommt. Die Arbeiten, denen sich die Sekretäre oder Räte der Legation
zu unterziehen haben, bestehen in der Anfertigung von Berichten und ähnlichen
Schriftstücken, im Chiffriren und Dechiffriren, in der Aufnahme von Protokollen,
in der Ausstellung und Visirung von Pässen, in der Führung des gesandt¬
schaftlichen Tagebuches und in der Verwahrung des Archivs. Selten nur sind
diese Aufgaben anstrengend, bei den größer» Gesandtschaften sogar bleibt den
Herren sehr viel Muße für den Salon und für Vergnügungen übrig, und bei
den kleinen giebt es oft garnichts zu thun als die Abstattung zeremonieller
Visiten. Sie sind nicht viel mehr als kostspielige Ornamente und Sinekuren
für den Adel. Macht der Gesandte in Behinderungsfällen von der Befugnis
Gebrauch, sich durch seinen Legationssekretär vertreten zu lassen, so pflegt
letzterer gewöhnlich den Titel eines Geschäftsträgers anzunehmen, in welcher
Eigenschaft er dann ordnungsmäßig bevollmächtigt und beglaubigt wird und
nun Noten verfassen und an Konferenzen teilnehmen kann. Sehr oft kommt
es gegenwärtig vor, daß man den Botschaften und Gesandtschaften Attaches
beigiebt, die man als diplomatische Lehrlinge bezeichnen darf, indem sie, ohne


Grenzboten IV. t834, 77
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[0617] Aus der Diplomatenschule, Jeder Gesandte nimmt auf seinen Posten ein Gefolge von Beamten und Dienern mit, dessen Größe sich nach dem ihm beigelegten Range richtet, und das an seinen wesentlichen Privilegien, namentlich an seiner Unverletzbarkeit und Exterritorialität, Anteil hat. In die oberste Kategorie dieser Begleiter gehören die Botschafts- oder Legationssekretäre, die zuweilen auch den Titel Botschafts¬ oder Legativnsrat führen und den Chef der betreffenden Gesandtschaft, wenn er abwesend ist, vertreten. Dazu kommen dann ein Kanzleivorstand, Kanzlisten, Chiffreure, Praktikanten, Couriere, Kanzleidiener, zuweilen ein Gesandtschafts¬ prediger, ein Arzt der Legation, ein Militärattache, ein Courier und ein Zahl¬ meister. Endlich zählen zu diesem Gefolge auch die vom Gesandten gehaltenen Privatdiener, der etwaige Hauslehrer, Läufer, Kutscher, Köche u. dergl. Früher, wo man mehr als jetzt auf prunkhaftes Auftreten gab, erschienen die Diplo¬ maten vornehmster Klasse mit sehr zahlreichem und glänzendem Gefolge. So brachte 1610 der Herzog von Feria, der Botschafter des Königs von Spanien bei Ludwig XIII. von Frankreich, „eine kleine Armee von Dienern" mit. So be¬ stand ferner das Gefolge des moskowitischen Gesandten, der 1650 am pol¬ nischen Hofe erschien, aus nicht weniger als sechshundert Personen. Und so war der Marschall von Belle-Jsle, der 1741 als Vertreter Frankreichs zum Wahltage in Frankfurt abgeordnet wurde, von vierzig Kavalieren, sowie von einer großen Anzahl von Hausoffizianten und Livreedienern begleitet. Jetzt haben nur Botschafter ein einigermaßen zahlreiches Gefolge, ein aus mehreren Sekretären oder Räten, Kanzlisten und ähnlichen Beamten zusammengesetztes Büreaupersonal und sonstige amtliche Begleitung um sich, und die der Gesandten zweiten Ranges besteht in der Regel nur aus einem Legationssekretär und einem Kanzlisten, wozu bisweilen noch ein Kanzleidiener und, im Orient, ein Dol¬ metscher kommt. Die Arbeiten, denen sich die Sekretäre oder Räte der Legation zu unterziehen haben, bestehen in der Anfertigung von Berichten und ähnlichen Schriftstücken, im Chiffriren und Dechiffriren, in der Aufnahme von Protokollen, in der Ausstellung und Visirung von Pässen, in der Führung des gesandt¬ schaftlichen Tagebuches und in der Verwahrung des Archivs. Selten nur sind diese Aufgaben anstrengend, bei den größer» Gesandtschaften sogar bleibt den Herren sehr viel Muße für den Salon und für Vergnügungen übrig, und bei den kleinen giebt es oft garnichts zu thun als die Abstattung zeremonieller Visiten. Sie sind nicht viel mehr als kostspielige Ornamente und Sinekuren für den Adel. Macht der Gesandte in Behinderungsfällen von der Befugnis Gebrauch, sich durch seinen Legationssekretär vertreten zu lassen, so pflegt letzterer gewöhnlich den Titel eines Geschäftsträgers anzunehmen, in welcher Eigenschaft er dann ordnungsmäßig bevollmächtigt und beglaubigt wird und nun Noten verfassen und an Konferenzen teilnehmen kann. Sehr oft kommt es gegenwärtig vor, daß man den Botschaften und Gesandtschaften Attaches beigiebt, die man als diplomatische Lehrlinge bezeichnen darf, indem sie, ohne Grenzboten IV. t834, 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/617>, abgerufen am 08.01.2025.