Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Aus der Diplomatenschule. der Etat des deutschen Reiches seinen Höhenpunkt bisher nicht erreicht hat. Aus der Diplomatenschule. der Etat des deutschen Reiches seinen Höhenpunkt bisher nicht erreicht hat. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157541"/> <fw type="header" place="top"> Aus der Diplomatenschule.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2140" prev="#ID_2139"> der Etat des deutschen Reiches seinen Höhenpunkt bisher nicht erreicht hat.<lb/> Acht ist das anders, obwohl englische, russische und französische Gesandte noch<lb/> immer besser besoldet sind als deutsche. Der Gesandte in Konstantinopel z. B.<lb/> bekommt außer freier Wohnung jährlich 120000 Mark, erheblich mehr als der<lb/> Reichskanzlers Einmal vermindert sich der Wert des Geldes, und das, was<lb/> für die Gehälter gekauft werden muß, wird teurer. . . . Dann aber steigt der<lb/> Anspruch auf würdige Vertretung mit der Größe und Bedeutung des vertre¬<lb/> tenen Reiches. Ich möchte bitten, ein- für allemal die angebliche Äußerung<lb/> Friedrichs des Großen zu Grabe zu tragen. Derselbe hat einen viel zu guten<lb/> Geschmack gehabt, um von seinem Gesandten zu verlangen, daß er an den<lb/> Degen schlage, wenn es sich darum handelte, ein Diner zu erwiedern, und sage:<lb/> Ich gebe kein Diner, es stehen hunderttausend Mann hinter mir. Ich will<lb/> nicht behaupten, daß der Einfluß eines Gesandten notwendig mit der Höhe<lb/> seines Gehaltes steige. Ich glaube, der Einfluß, den er in dem Lande, in<lb/> dem er akkreditirt ist, für das Land, das ihn entsendet, mit den Hilfsmitteln,<lb/> die ihm sein Gehalt verschafft, auszuüben vermag, beruht weit mehr auf Tra¬<lb/> ditionen früherer Zeiten, wo es noch möglich war, mit einem guten Diner<lb/> einen tieferen Eindruck zu machen. Heutzutage essen alle gut und die Diplo¬<lb/> maten nicht am besten. Aber aus denselben Gründen und in demselben Sinne,<lb/> in welchem das deutsche Reich sich ein Gebäude für ein Ministerium, für ein<lb/> Parlament errichtet, welches nicht bloß dem strengsten praktischen Bedürfnisse<lb/> nach dem Anschlage des Mindcstfordernden angemessen sein, sondern in würdiger<lb/> Ausstattung davon Zeugnis ablegen soll, wie das deutsche Reich ein großes,<lb/> mächtiges Gebilde ist und sich auch als solches fühlt, in demselben Sinne möchte<lb/> ich Sie bitten, darauf zu halten, daß das deutsche Reich im Auslande in einer<lb/> Weise vertreten sei, die dem Auge des durchschnittlichen Beobachters auch<lb/> äußerlich den Eindruck macht: hier stehen die Mittel und das Selbstgefühl<lb/> eines großen Landes dahinter. ... In einem Lande von hoher politischer<lb/> Bildung wird das Gefühl, das aus dem Worte Friedrichs des Großen von<lb/> den hunderttausend Mann spricht, leichter Eingang finden. Es gehört aber<lb/> dazu schon ein festeres Abstraktionsvermögen. Der gemeine Mann auf der<lb/> Straße einer Residenz, der Matrose im Hafen, der einen deutschen Gesandten<lb/> in einem kleinen Hause aufsucht, taxirt ihn leicht nach seinem Hausstande. Un¬<lb/> willkürlich ist das Urteil bei mittlerem Bilduugsdurchschnitt ein klein wenig<lb/> durch die Art der Vertretung gefärbt. Wer in weniger zivilisirten Ländern<lb/> gelebt hat, der wird diese Behauptung in noch höherm Grade für giltig halten<lb/> müssen. Dort ist unser äußeres Auftreten immer auch ein Teil der Förderung<lb/> unsrer Interessen. Aber selbst bei den zivilisirtesten Nationen sind die großen<lb/> Massen noch nicht auf dem Grade der Bildung, daß sie ganz frei wären von<lb/> dem Eindrucke des gesellschaftlichen Ansehens, welches der Vertreter des deutschen<lb/> Reiches dort genießt, wo er akkreditirt ist."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0616]
Aus der Diplomatenschule.
der Etat des deutschen Reiches seinen Höhenpunkt bisher nicht erreicht hat.
Acht ist das anders, obwohl englische, russische und französische Gesandte noch
immer besser besoldet sind als deutsche. Der Gesandte in Konstantinopel z. B.
bekommt außer freier Wohnung jährlich 120000 Mark, erheblich mehr als der
Reichskanzlers Einmal vermindert sich der Wert des Geldes, und das, was
für die Gehälter gekauft werden muß, wird teurer. . . . Dann aber steigt der
Anspruch auf würdige Vertretung mit der Größe und Bedeutung des vertre¬
tenen Reiches. Ich möchte bitten, ein- für allemal die angebliche Äußerung
Friedrichs des Großen zu Grabe zu tragen. Derselbe hat einen viel zu guten
Geschmack gehabt, um von seinem Gesandten zu verlangen, daß er an den
Degen schlage, wenn es sich darum handelte, ein Diner zu erwiedern, und sage:
Ich gebe kein Diner, es stehen hunderttausend Mann hinter mir. Ich will
nicht behaupten, daß der Einfluß eines Gesandten notwendig mit der Höhe
seines Gehaltes steige. Ich glaube, der Einfluß, den er in dem Lande, in
dem er akkreditirt ist, für das Land, das ihn entsendet, mit den Hilfsmitteln,
die ihm sein Gehalt verschafft, auszuüben vermag, beruht weit mehr auf Tra¬
ditionen früherer Zeiten, wo es noch möglich war, mit einem guten Diner
einen tieferen Eindruck zu machen. Heutzutage essen alle gut und die Diplo¬
maten nicht am besten. Aber aus denselben Gründen und in demselben Sinne,
in welchem das deutsche Reich sich ein Gebäude für ein Ministerium, für ein
Parlament errichtet, welches nicht bloß dem strengsten praktischen Bedürfnisse
nach dem Anschlage des Mindcstfordernden angemessen sein, sondern in würdiger
Ausstattung davon Zeugnis ablegen soll, wie das deutsche Reich ein großes,
mächtiges Gebilde ist und sich auch als solches fühlt, in demselben Sinne möchte
ich Sie bitten, darauf zu halten, daß das deutsche Reich im Auslande in einer
Weise vertreten sei, die dem Auge des durchschnittlichen Beobachters auch
äußerlich den Eindruck macht: hier stehen die Mittel und das Selbstgefühl
eines großen Landes dahinter. ... In einem Lande von hoher politischer
Bildung wird das Gefühl, das aus dem Worte Friedrichs des Großen von
den hunderttausend Mann spricht, leichter Eingang finden. Es gehört aber
dazu schon ein festeres Abstraktionsvermögen. Der gemeine Mann auf der
Straße einer Residenz, der Matrose im Hafen, der einen deutschen Gesandten
in einem kleinen Hause aufsucht, taxirt ihn leicht nach seinem Hausstande. Un¬
willkürlich ist das Urteil bei mittlerem Bilduugsdurchschnitt ein klein wenig
durch die Art der Vertretung gefärbt. Wer in weniger zivilisirten Ländern
gelebt hat, der wird diese Behauptung in noch höherm Grade für giltig halten
müssen. Dort ist unser äußeres Auftreten immer auch ein Teil der Förderung
unsrer Interessen. Aber selbst bei den zivilisirtesten Nationen sind die großen
Massen noch nicht auf dem Grade der Bildung, daß sie ganz frei wären von
dem Eindrucke des gesellschaftlichen Ansehens, welches der Vertreter des deutschen
Reiches dort genießt, wo er akkreditirt ist."
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