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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.

sanken ausmacht, ist von den Depeschen auszuschließen." Endlich äußert sich
Heffter treffend über den diplomatischen Stil, wie er sein soll, aber selten ist,
folgendermaßen: "Muß irgendeine Ausdrucksweise sich von allem niedrigen fern¬
halten, so ist solches ganz besonders von der diplomatischen zu erwarten und
zu fordern. Freilich kann sie sich von dem Menschlichen nicht lossagen, sie
kann auch keine Sprache der Götter sein; aber sie hat den Gedanken klar und
in reiner, edler Form darzustellen, gemessen und ernst, fern von Pathos und
ohne Wortputz. Sie muß die reine Objektivität der Dinge in sich tragen, die
leichte Hülle einer logischen Gedankenfolge sein; sie verträgt sich weder mit
metaphysischen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners."

Um standesgemäß auftreten zu können, muß der Gesandte einen hin¬
reichenden Gehalt haben, der den Verhältnissen des Ortes angemessen ist, an
welchem er seinen Souverän vertritt, und bei dem er sich nicht gezwungen sieht,
sein eignes Vermögen anzugreifen. Ohne in Prunksucht zu verfallen, hat er
seine Stelle auch in äußerlicher Hinsicht mit Ehren und der Bedeutung des
von ihm repräsentirten Staates gemäß auszufüllen. Einen Gegensatz gegen
dieses Erfordernis bildete der Diplomat, dessen Auftreten der Graf Oxenstierna
sarkastisch mit den Worten schildert: "Ich habe an diesem selben Hofe einen
andern Gesandten gekannt, welcher in einer Winkelkneipe wohnte, indem er
offenbar meinte, das ganze Verdienst eines Gesandten bestehe darin, daß er
seinem Herrn ein paar Thaler erspare. Er hatte von einem Fuhrmann zwei
Pferde für seineu Wagen gemietet, wenn er zu Hofe ging; man sagte mir, er
sei hier seit fünfzehn Jahren Gesandter, und die Livree seines Kutschers und
seines Kammerdieners sei von demselben Datum. Er hatte die Haltung einer
Hopfenstange, den Kopf eines Hechtes und die Stimme der Pfeife einer zer-
brochnen Drehorgel, kurz, er war eine wahre Jammergestalt, ein IcwAissiinus
^närsÄZ. Ich schließe mit ihm, denn er erscheint mir als das Postskriptum
aller Gesandten, die ich je gesehen habe." Man muß Bismarck sein, wenn man,
wie dieser in Petersburg, seinen Staat mit knappen Mitteln würdig und er¬
folgreich vertreten will, und man muß ein Ansehen wie Friedrich der Große
besitzen, um wie dieser einem preußischen Gesandten am Hofe von Se. James,
der sich beschwert hatte, daß er sich nicht einmal Wagen und Pferd halten
könne, antworten zu dürfen: "Wenn Ihr im Mietwagen zu Hofe fahrt, so sieht
dessen ungeachtet mein Bruder Georg j^der König von Englands mich hinter
Euch stehen an der Spitze von hundertuudfünzigtausend Preußen." Freilich
wollte der Reichskanzler diese Anekdote einmal (im November 1871 im Reichs¬
tage) nicht gelten lassen, aber man hätte manchen von seinen Ausführungen
hier sein eignes Petersburger Beispiel entgegenhalten können. Es handelte sich
damals im Reichstage um Erhöhung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes
und namentlich der Gehalte von Gesandten, und der Kanzler sagte u. a.: "Es
liegt in der That in den Geldverhältnissen sowohl wie in den politischen, daß


Aus der Diplomatenschule.

sanken ausmacht, ist von den Depeschen auszuschließen." Endlich äußert sich
Heffter treffend über den diplomatischen Stil, wie er sein soll, aber selten ist,
folgendermaßen: „Muß irgendeine Ausdrucksweise sich von allem niedrigen fern¬
halten, so ist solches ganz besonders von der diplomatischen zu erwarten und
zu fordern. Freilich kann sie sich von dem Menschlichen nicht lossagen, sie
kann auch keine Sprache der Götter sein; aber sie hat den Gedanken klar und
in reiner, edler Form darzustellen, gemessen und ernst, fern von Pathos und
ohne Wortputz. Sie muß die reine Objektivität der Dinge in sich tragen, die
leichte Hülle einer logischen Gedankenfolge sein; sie verträgt sich weder mit
metaphysischen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners."

Um standesgemäß auftreten zu können, muß der Gesandte einen hin¬
reichenden Gehalt haben, der den Verhältnissen des Ortes angemessen ist, an
welchem er seinen Souverän vertritt, und bei dem er sich nicht gezwungen sieht,
sein eignes Vermögen anzugreifen. Ohne in Prunksucht zu verfallen, hat er
seine Stelle auch in äußerlicher Hinsicht mit Ehren und der Bedeutung des
von ihm repräsentirten Staates gemäß auszufüllen. Einen Gegensatz gegen
dieses Erfordernis bildete der Diplomat, dessen Auftreten der Graf Oxenstierna
sarkastisch mit den Worten schildert: „Ich habe an diesem selben Hofe einen
andern Gesandten gekannt, welcher in einer Winkelkneipe wohnte, indem er
offenbar meinte, das ganze Verdienst eines Gesandten bestehe darin, daß er
seinem Herrn ein paar Thaler erspare. Er hatte von einem Fuhrmann zwei
Pferde für seineu Wagen gemietet, wenn er zu Hofe ging; man sagte mir, er
sei hier seit fünfzehn Jahren Gesandter, und die Livree seines Kutschers und
seines Kammerdieners sei von demselben Datum. Er hatte die Haltung einer
Hopfenstange, den Kopf eines Hechtes und die Stimme der Pfeife einer zer-
brochnen Drehorgel, kurz, er war eine wahre Jammergestalt, ein IcwAissiinus
^närsÄZ. Ich schließe mit ihm, denn er erscheint mir als das Postskriptum
aller Gesandten, die ich je gesehen habe." Man muß Bismarck sein, wenn man,
wie dieser in Petersburg, seinen Staat mit knappen Mitteln würdig und er¬
folgreich vertreten will, und man muß ein Ansehen wie Friedrich der Große
besitzen, um wie dieser einem preußischen Gesandten am Hofe von Se. James,
der sich beschwert hatte, daß er sich nicht einmal Wagen und Pferd halten
könne, antworten zu dürfen: „Wenn Ihr im Mietwagen zu Hofe fahrt, so sieht
dessen ungeachtet mein Bruder Georg j^der König von Englands mich hinter
Euch stehen an der Spitze von hundertuudfünzigtausend Preußen." Freilich
wollte der Reichskanzler diese Anekdote einmal (im November 1871 im Reichs¬
tage) nicht gelten lassen, aber man hätte manchen von seinen Ausführungen
hier sein eignes Petersburger Beispiel entgegenhalten können. Es handelte sich
damals im Reichstage um Erhöhung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes
und namentlich der Gehalte von Gesandten, und der Kanzler sagte u. a.: „Es
liegt in der That in den Geldverhältnissen sowohl wie in den politischen, daß


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[0615] Aus der Diplomatenschule. sanken ausmacht, ist von den Depeschen auszuschließen." Endlich äußert sich Heffter treffend über den diplomatischen Stil, wie er sein soll, aber selten ist, folgendermaßen: „Muß irgendeine Ausdrucksweise sich von allem niedrigen fern¬ halten, so ist solches ganz besonders von der diplomatischen zu erwarten und zu fordern. Freilich kann sie sich von dem Menschlichen nicht lossagen, sie kann auch keine Sprache der Götter sein; aber sie hat den Gedanken klar und in reiner, edler Form darzustellen, gemessen und ernst, fern von Pathos und ohne Wortputz. Sie muß die reine Objektivität der Dinge in sich tragen, die leichte Hülle einer logischen Gedankenfolge sein; sie verträgt sich weder mit metaphysischen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners." Um standesgemäß auftreten zu können, muß der Gesandte einen hin¬ reichenden Gehalt haben, der den Verhältnissen des Ortes angemessen ist, an welchem er seinen Souverän vertritt, und bei dem er sich nicht gezwungen sieht, sein eignes Vermögen anzugreifen. Ohne in Prunksucht zu verfallen, hat er seine Stelle auch in äußerlicher Hinsicht mit Ehren und der Bedeutung des von ihm repräsentirten Staates gemäß auszufüllen. Einen Gegensatz gegen dieses Erfordernis bildete der Diplomat, dessen Auftreten der Graf Oxenstierna sarkastisch mit den Worten schildert: „Ich habe an diesem selben Hofe einen andern Gesandten gekannt, welcher in einer Winkelkneipe wohnte, indem er offenbar meinte, das ganze Verdienst eines Gesandten bestehe darin, daß er seinem Herrn ein paar Thaler erspare. Er hatte von einem Fuhrmann zwei Pferde für seineu Wagen gemietet, wenn er zu Hofe ging; man sagte mir, er sei hier seit fünfzehn Jahren Gesandter, und die Livree seines Kutschers und seines Kammerdieners sei von demselben Datum. Er hatte die Haltung einer Hopfenstange, den Kopf eines Hechtes und die Stimme der Pfeife einer zer- brochnen Drehorgel, kurz, er war eine wahre Jammergestalt, ein IcwAissiinus ^närsÄZ. Ich schließe mit ihm, denn er erscheint mir als das Postskriptum aller Gesandten, die ich je gesehen habe." Man muß Bismarck sein, wenn man, wie dieser in Petersburg, seinen Staat mit knappen Mitteln würdig und er¬ folgreich vertreten will, und man muß ein Ansehen wie Friedrich der Große besitzen, um wie dieser einem preußischen Gesandten am Hofe von Se. James, der sich beschwert hatte, daß er sich nicht einmal Wagen und Pferd halten könne, antworten zu dürfen: „Wenn Ihr im Mietwagen zu Hofe fahrt, so sieht dessen ungeachtet mein Bruder Georg j^der König von Englands mich hinter Euch stehen an der Spitze von hundertuudfünzigtausend Preußen." Freilich wollte der Reichskanzler diese Anekdote einmal (im November 1871 im Reichs¬ tage) nicht gelten lassen, aber man hätte manchen von seinen Ausführungen hier sein eignes Petersburger Beispiel entgegenhalten können. Es handelte sich damals im Reichstage um Erhöhung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes und namentlich der Gehalte von Gesandten, und der Kanzler sagte u. a.: „Es liegt in der That in den Geldverhältnissen sowohl wie in den politischen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/615>, abgerufen am 06.01.2025.