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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.

Wie man bei den Verhandlungen gesprochen, niedergeschrieben und gedruckt
worden. Auch von vielen andern diplomatischen Schriftstücken der letzten Jahr¬
zehnte gilt dies; trotzdem kann von einer Verpflichtung der Staaten zur Annahme
des Französischen als allgemeiner Diplomatensprache nicht die Rede sein, und
der häufige und bis vor kurzem fast ausschließliche Gebrauch desselben war
immer nur Herkommen. In der Wiener Kongreßnote heißt es sogar ausdrücklich
im Artikel 120: "Wenn die französische Sprache in allen Abschriften des gegen¬
wärtigen Vertrages ausschließlich angewendet ist, so erklären die zu diesem Akte
zusammenwirkenden Mächte, daß der Gebrauch dieser Sprache für die Zukunft
durchaus keine Folgen nach sich ziehen soll, sodaß jede Macht sich vorbehält,
bei zukünftigen Verhandlungen und Übereinkünften die Sprache zu adoptiren,
deren sie sich bisher bei ihren diplomatischen Beziehungen bedient hat." Der
ehemalige deutsche Bund erklärte sich nur in deutscher Sprache und verlangte
bei Mitteilungen von andrer Abfassung eine Übersetzung. In neuester Zeit
pflegen verschiedne Regierungen sich nur in der Sprache ihres Landes andern
Mächten gegenüber zu äußern, aber dem betreffenden Schriftstück immer eine
Übersetzung beizugeben. So verfährt nach Alt das britische Auswärtige Amt
schon seit Anfang dieses Jahrhunderts: es verkehrt mit dem in London resi-
direnden diplomatischen Korps amtlich nur in englischer Sprache. Erst später
wurde es üblich, auch die Mitteilungen, die der Minister den britischen Gesandten
an fremden Höfen zu machen hatte, englisch abzufassen und ihnen eine Über¬
setzung beizulegen, aber seit 18S1 ist letzteres weggefallen. In ähnlicher Weise
hat man vor einigen Jahren in Nußland den Versuch gemacht, den Gebrauch
der französischen Sprache auf diplomatischem Gebiete einzuschränken, indem eine
Verordnung des vorigen Zaren bestimmte, daß alle russischen Diplomaten ihre
Noten, wenn sie nicht fremden Regierungsbehörden vorgelesen werden sollten,
russisch abzufassen hätten. Endlich haben auch die Vereinigten Staaten von
Amerika, Schweden, Dänemark und die Niederlande, wie Alt berichtet, in Ver¬
trägen sich ihrer eignen Sprache bedient und dadurch Anlaß zur Ausfertigung
in mehreren Sprachen gegeben.

Wie es seit Bismarcks Amtsantritt mit diesen Dingen in unserm Aus¬
wärtigen Amte gehalten wird, hat er selbst mit einem Anfluge von guter Laune
berichtet (Busch, Unser Reichskanzler, II, S. 399 ff.): "Ach Keudell, sagte der
Kanzler eines Tages während der Verhandlungen mit den Franzosen plötzlich,
da fallt mir ein, ich muß eine Vollmacht haben vom Könige -- natürlich
deutsch. Der deutsche Kaiser darf nur deutsch schreiben. Der Minister kann
sich nach den Umständen richten. Der amtliche Verkehr mit den Diplomaten
muß in der Landessprache geführt werden, nicht in einer fremden. Bernstorff
"er unmittelbare Vorgänger Bismarcks im Auswärtigen Anteil hat das zuerst
durchsetzen wollen bei uns. Er war aber damit zu weit gegangen. Er hatte
an alle diplomatischen Vertreter des Auslandes in Berlin deutsch geschrieben,


Aus der Diplomatenschule.

Wie man bei den Verhandlungen gesprochen, niedergeschrieben und gedruckt
worden. Auch von vielen andern diplomatischen Schriftstücken der letzten Jahr¬
zehnte gilt dies; trotzdem kann von einer Verpflichtung der Staaten zur Annahme
des Französischen als allgemeiner Diplomatensprache nicht die Rede sein, und
der häufige und bis vor kurzem fast ausschließliche Gebrauch desselben war
immer nur Herkommen. In der Wiener Kongreßnote heißt es sogar ausdrücklich
im Artikel 120: „Wenn die französische Sprache in allen Abschriften des gegen¬
wärtigen Vertrages ausschließlich angewendet ist, so erklären die zu diesem Akte
zusammenwirkenden Mächte, daß der Gebrauch dieser Sprache für die Zukunft
durchaus keine Folgen nach sich ziehen soll, sodaß jede Macht sich vorbehält,
bei zukünftigen Verhandlungen und Übereinkünften die Sprache zu adoptiren,
deren sie sich bisher bei ihren diplomatischen Beziehungen bedient hat." Der
ehemalige deutsche Bund erklärte sich nur in deutscher Sprache und verlangte
bei Mitteilungen von andrer Abfassung eine Übersetzung. In neuester Zeit
pflegen verschiedne Regierungen sich nur in der Sprache ihres Landes andern
Mächten gegenüber zu äußern, aber dem betreffenden Schriftstück immer eine
Übersetzung beizugeben. So verfährt nach Alt das britische Auswärtige Amt
schon seit Anfang dieses Jahrhunderts: es verkehrt mit dem in London resi-
direnden diplomatischen Korps amtlich nur in englischer Sprache. Erst später
wurde es üblich, auch die Mitteilungen, die der Minister den britischen Gesandten
an fremden Höfen zu machen hatte, englisch abzufassen und ihnen eine Über¬
setzung beizulegen, aber seit 18S1 ist letzteres weggefallen. In ähnlicher Weise
hat man vor einigen Jahren in Nußland den Versuch gemacht, den Gebrauch
der französischen Sprache auf diplomatischem Gebiete einzuschränken, indem eine
Verordnung des vorigen Zaren bestimmte, daß alle russischen Diplomaten ihre
Noten, wenn sie nicht fremden Regierungsbehörden vorgelesen werden sollten,
russisch abzufassen hätten. Endlich haben auch die Vereinigten Staaten von
Amerika, Schweden, Dänemark und die Niederlande, wie Alt berichtet, in Ver¬
trägen sich ihrer eignen Sprache bedient und dadurch Anlaß zur Ausfertigung
in mehreren Sprachen gegeben.

Wie es seit Bismarcks Amtsantritt mit diesen Dingen in unserm Aus¬
wärtigen Amte gehalten wird, hat er selbst mit einem Anfluge von guter Laune
berichtet (Busch, Unser Reichskanzler, II, S. 399 ff.): „Ach Keudell, sagte der
Kanzler eines Tages während der Verhandlungen mit den Franzosen plötzlich,
da fallt mir ein, ich muß eine Vollmacht haben vom Könige — natürlich
deutsch. Der deutsche Kaiser darf nur deutsch schreiben. Der Minister kann
sich nach den Umständen richten. Der amtliche Verkehr mit den Diplomaten
muß in der Landessprache geführt werden, nicht in einer fremden. Bernstorff
»er unmittelbare Vorgänger Bismarcks im Auswärtigen Anteil hat das zuerst
durchsetzen wollen bei uns. Er war aber damit zu weit gegangen. Er hatte
an alle diplomatischen Vertreter des Auslandes in Berlin deutsch geschrieben,


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[0613] Aus der Diplomatenschule. Wie man bei den Verhandlungen gesprochen, niedergeschrieben und gedruckt worden. Auch von vielen andern diplomatischen Schriftstücken der letzten Jahr¬ zehnte gilt dies; trotzdem kann von einer Verpflichtung der Staaten zur Annahme des Französischen als allgemeiner Diplomatensprache nicht die Rede sein, und der häufige und bis vor kurzem fast ausschließliche Gebrauch desselben war immer nur Herkommen. In der Wiener Kongreßnote heißt es sogar ausdrücklich im Artikel 120: „Wenn die französische Sprache in allen Abschriften des gegen¬ wärtigen Vertrages ausschließlich angewendet ist, so erklären die zu diesem Akte zusammenwirkenden Mächte, daß der Gebrauch dieser Sprache für die Zukunft durchaus keine Folgen nach sich ziehen soll, sodaß jede Macht sich vorbehält, bei zukünftigen Verhandlungen und Übereinkünften die Sprache zu adoptiren, deren sie sich bisher bei ihren diplomatischen Beziehungen bedient hat." Der ehemalige deutsche Bund erklärte sich nur in deutscher Sprache und verlangte bei Mitteilungen von andrer Abfassung eine Übersetzung. In neuester Zeit pflegen verschiedne Regierungen sich nur in der Sprache ihres Landes andern Mächten gegenüber zu äußern, aber dem betreffenden Schriftstück immer eine Übersetzung beizugeben. So verfährt nach Alt das britische Auswärtige Amt schon seit Anfang dieses Jahrhunderts: es verkehrt mit dem in London resi- direnden diplomatischen Korps amtlich nur in englischer Sprache. Erst später wurde es üblich, auch die Mitteilungen, die der Minister den britischen Gesandten an fremden Höfen zu machen hatte, englisch abzufassen und ihnen eine Über¬ setzung beizulegen, aber seit 18S1 ist letzteres weggefallen. In ähnlicher Weise hat man vor einigen Jahren in Nußland den Versuch gemacht, den Gebrauch der französischen Sprache auf diplomatischem Gebiete einzuschränken, indem eine Verordnung des vorigen Zaren bestimmte, daß alle russischen Diplomaten ihre Noten, wenn sie nicht fremden Regierungsbehörden vorgelesen werden sollten, russisch abzufassen hätten. Endlich haben auch die Vereinigten Staaten von Amerika, Schweden, Dänemark und die Niederlande, wie Alt berichtet, in Ver¬ trägen sich ihrer eignen Sprache bedient und dadurch Anlaß zur Ausfertigung in mehreren Sprachen gegeben. Wie es seit Bismarcks Amtsantritt mit diesen Dingen in unserm Aus¬ wärtigen Amte gehalten wird, hat er selbst mit einem Anfluge von guter Laune berichtet (Busch, Unser Reichskanzler, II, S. 399 ff.): „Ach Keudell, sagte der Kanzler eines Tages während der Verhandlungen mit den Franzosen plötzlich, da fallt mir ein, ich muß eine Vollmacht haben vom Könige — natürlich deutsch. Der deutsche Kaiser darf nur deutsch schreiben. Der Minister kann sich nach den Umständen richten. Der amtliche Verkehr mit den Diplomaten muß in der Landessprache geführt werden, nicht in einer fremden. Bernstorff »er unmittelbare Vorgänger Bismarcks im Auswärtigen Anteil hat das zuerst durchsetzen wollen bei uns. Er war aber damit zu weit gegangen. Er hatte an alle diplomatischen Vertreter des Auslandes in Berlin deutsch geschrieben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/613>, abgerufen am 01.01.2025.