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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Vixlomatenschule.

Annahme eines solchen enthalten, werden immer unterzeichnet, wodurch sie
bindende Kraft gewinnen, Verbalnoten dagegen, die meist nur kurz an eine
schwebende Frage erinnern, bleiben in der Regel ohne Unterschrift, und dasselbe
gilt von den sogenannten "vertraulichen Noten" (notss "oMÄsutisllös), in
welchen der diplomatische Agent mehr seine persönliche Ansicht auszusprechen
als sich nach amtlichen Auftrage zu äußern pflegt. Schließlich ist noch der
"kommunizirten Noten" zu gedenken, die der Gesandte nicht im Original,
sondern nur in Abschrift übergiebt oder lediglich durch Vorlesung zur Kenntnis
des Hofes bringt, bei welchem man ihn beglaubigt hat.

Natürlich kann jeder Staat sich bei den Verhandlungen der Sprache be¬
dienen, die ihm dabei geeignet erscheint, dagegen kann er nicht beanspruchen, daß
ihm in derselben Sprache geantwortet werde. Vermögen sich die Parteien, falls
die Sprachen beider verschieden sind, nicht über den gemeinschaftlichen Gebrauch
einer der beiden Sprachen zu vereinigen, so bedient sich jeder Teil der eignen
oder einer dritten, und zwar mit oder ohne Übersetzung des betreffenden Schrift¬
stücks in die Sprache des andern Teiles. Um Unzuträglichkeiten und Unklar¬
heiten, die dabei vorkommen können, zu vermeiden, schrieb man früher lateinisch,
später -- etwa von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts an -- französisch,
was lange Zeit selbst zwischen Staaten von gleicher Zunge üblich war. Die
Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück, desgleichen die von Nymwegen,
Nyswick und Utrecht, 1713, und der von Baden, 1714, ferner die von Wien,
1725 und 1738, endlich die Londoner Quadrupelallianz von 1718 waren in
lateinischer Sprache abgefaßt. Am längsten hat sich der Gebrauch der letzteren
im Geschäftsstile der römischen Kurie erhalten, aber auch der kaiserliche Hof in
Wien schrieb im diplomatischen Verkehr noch bis zu Anfang unsers Jahrhunderts
wenigstens zum Teil lateinisch, da das ehemalige deutsche Reich nur diese und
die deutsche Sprache als seine Amts- und Staatssprache gelten ließ. Der
Luneviller Friede vom Jahre^1801 wurde, obgleich er in französischer Sprache
abgefaßt ist, doch von Kaiser und Reich in lateinischer ratifizirt. Das Französische
wurde zuerst bei dem zwischen Österreich und Frankreich abgeschlossenen Aachener
Frieden, 1748, angewandt. Der Wiener Frieden von 1738 ist lateinisch und
französisch, der Belgrader von 1739 türkisch und lateinisch, der 1774 zwischen
Rußland und der Pforte abgeschlossene in drei Sprachen, nämlich (das russische
Exemplar) russisch und italienisch, und (das türkische Exemplar) türkisch und
italienisch ausgefertigt. Der Londoner Vertrag von 1867, zwischen England,
Frankreich, Nußland, Osterreich, Preußen, Italien, Belgien und Holland zur
Beilegung des Streites über Luxemburg abgeschlossen, ist in allen acht Urkunden
in französischer Sprache abgefaßt, nur Titel, Einleitung und Ratifikationsklausel
sind je in den Sprachen der einzelnen Aussteller ausgedrückt, mit Ausnahme des
österreichischen Exemplars, wo diese Teile der Urkunde lateinisch abgefaßt sind.
Die Protokolle und Beschlüsse der Berliner Konferenz von 1878 sind französisch,


Aus der Vixlomatenschule.

Annahme eines solchen enthalten, werden immer unterzeichnet, wodurch sie
bindende Kraft gewinnen, Verbalnoten dagegen, die meist nur kurz an eine
schwebende Frage erinnern, bleiben in der Regel ohne Unterschrift, und dasselbe
gilt von den sogenannten „vertraulichen Noten" (notss «oMÄsutisllös), in
welchen der diplomatische Agent mehr seine persönliche Ansicht auszusprechen
als sich nach amtlichen Auftrage zu äußern pflegt. Schließlich ist noch der
„kommunizirten Noten" zu gedenken, die der Gesandte nicht im Original,
sondern nur in Abschrift übergiebt oder lediglich durch Vorlesung zur Kenntnis
des Hofes bringt, bei welchem man ihn beglaubigt hat.

Natürlich kann jeder Staat sich bei den Verhandlungen der Sprache be¬
dienen, die ihm dabei geeignet erscheint, dagegen kann er nicht beanspruchen, daß
ihm in derselben Sprache geantwortet werde. Vermögen sich die Parteien, falls
die Sprachen beider verschieden sind, nicht über den gemeinschaftlichen Gebrauch
einer der beiden Sprachen zu vereinigen, so bedient sich jeder Teil der eignen
oder einer dritten, und zwar mit oder ohne Übersetzung des betreffenden Schrift¬
stücks in die Sprache des andern Teiles. Um Unzuträglichkeiten und Unklar¬
heiten, die dabei vorkommen können, zu vermeiden, schrieb man früher lateinisch,
später — etwa von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts an — französisch,
was lange Zeit selbst zwischen Staaten von gleicher Zunge üblich war. Die
Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück, desgleichen die von Nymwegen,
Nyswick und Utrecht, 1713, und der von Baden, 1714, ferner die von Wien,
1725 und 1738, endlich die Londoner Quadrupelallianz von 1718 waren in
lateinischer Sprache abgefaßt. Am längsten hat sich der Gebrauch der letzteren
im Geschäftsstile der römischen Kurie erhalten, aber auch der kaiserliche Hof in
Wien schrieb im diplomatischen Verkehr noch bis zu Anfang unsers Jahrhunderts
wenigstens zum Teil lateinisch, da das ehemalige deutsche Reich nur diese und
die deutsche Sprache als seine Amts- und Staatssprache gelten ließ. Der
Luneviller Friede vom Jahre^1801 wurde, obgleich er in französischer Sprache
abgefaßt ist, doch von Kaiser und Reich in lateinischer ratifizirt. Das Französische
wurde zuerst bei dem zwischen Österreich und Frankreich abgeschlossenen Aachener
Frieden, 1748, angewandt. Der Wiener Frieden von 1738 ist lateinisch und
französisch, der Belgrader von 1739 türkisch und lateinisch, der 1774 zwischen
Rußland und der Pforte abgeschlossene in drei Sprachen, nämlich (das russische
Exemplar) russisch und italienisch, und (das türkische Exemplar) türkisch und
italienisch ausgefertigt. Der Londoner Vertrag von 1867, zwischen England,
Frankreich, Nußland, Osterreich, Preußen, Italien, Belgien und Holland zur
Beilegung des Streites über Luxemburg abgeschlossen, ist in allen acht Urkunden
in französischer Sprache abgefaßt, nur Titel, Einleitung und Ratifikationsklausel
sind je in den Sprachen der einzelnen Aussteller ausgedrückt, mit Ausnahme des
österreichischen Exemplars, wo diese Teile der Urkunde lateinisch abgefaßt sind.
Die Protokolle und Beschlüsse der Berliner Konferenz von 1878 sind französisch,


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[0612] Aus der Vixlomatenschule. Annahme eines solchen enthalten, werden immer unterzeichnet, wodurch sie bindende Kraft gewinnen, Verbalnoten dagegen, die meist nur kurz an eine schwebende Frage erinnern, bleiben in der Regel ohne Unterschrift, und dasselbe gilt von den sogenannten „vertraulichen Noten" (notss «oMÄsutisllös), in welchen der diplomatische Agent mehr seine persönliche Ansicht auszusprechen als sich nach amtlichen Auftrage zu äußern pflegt. Schließlich ist noch der „kommunizirten Noten" zu gedenken, die der Gesandte nicht im Original, sondern nur in Abschrift übergiebt oder lediglich durch Vorlesung zur Kenntnis des Hofes bringt, bei welchem man ihn beglaubigt hat. Natürlich kann jeder Staat sich bei den Verhandlungen der Sprache be¬ dienen, die ihm dabei geeignet erscheint, dagegen kann er nicht beanspruchen, daß ihm in derselben Sprache geantwortet werde. Vermögen sich die Parteien, falls die Sprachen beider verschieden sind, nicht über den gemeinschaftlichen Gebrauch einer der beiden Sprachen zu vereinigen, so bedient sich jeder Teil der eignen oder einer dritten, und zwar mit oder ohne Übersetzung des betreffenden Schrift¬ stücks in die Sprache des andern Teiles. Um Unzuträglichkeiten und Unklar¬ heiten, die dabei vorkommen können, zu vermeiden, schrieb man früher lateinisch, später — etwa von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts an — französisch, was lange Zeit selbst zwischen Staaten von gleicher Zunge üblich war. Die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück, desgleichen die von Nymwegen, Nyswick und Utrecht, 1713, und der von Baden, 1714, ferner die von Wien, 1725 und 1738, endlich die Londoner Quadrupelallianz von 1718 waren in lateinischer Sprache abgefaßt. Am längsten hat sich der Gebrauch der letzteren im Geschäftsstile der römischen Kurie erhalten, aber auch der kaiserliche Hof in Wien schrieb im diplomatischen Verkehr noch bis zu Anfang unsers Jahrhunderts wenigstens zum Teil lateinisch, da das ehemalige deutsche Reich nur diese und die deutsche Sprache als seine Amts- und Staatssprache gelten ließ. Der Luneviller Friede vom Jahre^1801 wurde, obgleich er in französischer Sprache abgefaßt ist, doch von Kaiser und Reich in lateinischer ratifizirt. Das Französische wurde zuerst bei dem zwischen Österreich und Frankreich abgeschlossenen Aachener Frieden, 1748, angewandt. Der Wiener Frieden von 1738 ist lateinisch und französisch, der Belgrader von 1739 türkisch und lateinisch, der 1774 zwischen Rußland und der Pforte abgeschlossene in drei Sprachen, nämlich (das russische Exemplar) russisch und italienisch, und (das türkische Exemplar) türkisch und italienisch ausgefertigt. Der Londoner Vertrag von 1867, zwischen England, Frankreich, Nußland, Osterreich, Preußen, Italien, Belgien und Holland zur Beilegung des Streites über Luxemburg abgeschlossen, ist in allen acht Urkunden in französischer Sprache abgefaßt, nur Titel, Einleitung und Ratifikationsklausel sind je in den Sprachen der einzelnen Aussteller ausgedrückt, mit Ausnahme des österreichischen Exemplars, wo diese Teile der Urkunde lateinisch abgefaßt sind. Die Protokolle und Beschlüsse der Berliner Konferenz von 1878 sind französisch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/612>, abgerufen am 29.12.2024.