Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. gegen welche Jahrhunderte und die Staaten Deutschlands bisher stets gesündigt Für den Gesichtspunkt des reinen Geldmnnnes freilich hat das nationale Unser Freihändler wünscht nun zwar, daß der Auswandrer deutsch bleibe, Wer Herrn Bamberger am 14. Juni d. I. hörte, neigte im ersten Augen¬ Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. gegen welche Jahrhunderte und die Staaten Deutschlands bisher stets gesündigt Für den Gesichtspunkt des reinen Geldmnnnes freilich hat das nationale Unser Freihändler wünscht nun zwar, daß der Auswandrer deutsch bleibe, Wer Herrn Bamberger am 14. Juni d. I. hörte, neigte im ersten Augen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157492"/> <fw type="header" place="top"> Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1980" prev="#ID_1979"> gegen welche Jahrhunderte und die Staaten Deutschlands bisher stets gesündigt<lb/> habe»? Wir sollten auch vom Gesichtspunkte des Staates gegen unsre Aus¬<lb/> wanderer in? Prinzip, in ihrer Allgemeinheit billig sein. Wenn wir dieses natio¬<lb/> nale Bewußtsein fordern, so sind wir nur insoweit dazu berechtigt, als wir es<lb/> durch solche Forderung zu kräftigen, hervorzurufen wünschen; wir sind nicht<lb/> berechtigt, unser Verhalten gegenüber dem Auswanderer praktisch von dem Vor¬<lb/> handensein dieses nationalen Bewußtseins abhängig zu machen. Der Staat<lb/> schaffe, stärke erst ein solches nationales Bewußtsein, dann mag er es auch vou<lb/> Einzelnen fordern. Denn das nationale Bewußtsein ist eine Frucht nationaler<lb/> Kultur, nicht menschlicher Natur.</p><lb/> <p xml:id="ID_1981"> Für den Gesichtspunkt des reinen Geldmnnnes freilich hat das nationale<lb/> Bewußtsein wenig Wert. Kann ich damit Geld verdienen? Nein; vielmehr ist<lb/> es häufig, wie die Dinge bisher lagen, sogar gewöhnlich, nur ein Hindernis des<lb/> Gelderwerbes, ein offenbarer Nachteil. Denn je leichter ich mich in das fremde<lb/> Volkstum in der Kolonie schicke, umso leichter fasse ich dort Fuß; je eher ich<lb/> Engländer werde, umso eher finde ich mich auf dem nun einmal englischen Welt¬<lb/> märkte zurecht. Also konsequenter Weise schnell fort mit meinem lästigen na¬<lb/> tionalen Bewußtsein!</p><lb/> <p xml:id="ID_1982"> Unser Freihändler wünscht nun zwar, daß der Auswandrer deutsch bleibe,<lb/> aber der Staat soll nichts dazu thun, wenigstens nicht durch Dampfersnbvention<lb/> oder Kolonialerwerb. Er wünscht den deutschen Handel zu erweitern, aber ohne<lb/> staatliche unmittelbare Hilfe. Der Staat soll draußen nicht unmittelbar helfend<lb/> auftreten, sondern bloß mittelbar, indem er den deutschen Kaufmann oder auch<lb/> Arbeiter gegen Vergewaltigung, Rechtsverletzung schützt. Wir andern wünschen<lb/> zwar gleichfalls vor allem ausreichenden staatlichen Schutz und sind dem Reichs¬<lb/> kanzler dankbar für die Anstrengungen, welche er in seiner gesamten bisherigen<lb/> auswärtigen Politik in dieser Richtung gemacht hat, und für die stete Sorge,<lb/> der deutschen Macht Übersee allenthalben Anerkennung zu schaffen. Aber wir<lb/> wünschen außerdem positive Unterstützung. Die Heimat soll ausgedehnt werden,<lb/> den. Einzelnen soll die Möglichkeit gewährt werden, sie mit sich hinauszunehmen,<lb/> auf deutschem Schiff nach deutscher Erde hinauszuwandern, in regelmäßiger di¬<lb/> rekter Verbindung mit der Heimat zu bleiben. Das ist nicht bloß von sitt¬<lb/> licher Bedeutung, stärkt nicht bloß das nationale Bewußtsein, sondern ist auch<lb/> von großer materieller Wirkung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1983" next="#ID_1984"> Wer Herrn Bamberger am 14. Juni d. I. hörte, neigte im ersten Augen¬<lb/> blicke dazu, zusagen: Ja, zweimal zwei ist vier; wenn die Zahlen des Herrn<lb/> Bamberger, was kaum zu bezweifeln, richtig sind, und wenn diese Zahlen in<lb/> der vorliegenden Sache maßgebend sind -— was ebenfalls kaum zweifelhaft sein<lb/> kann —, so muß die Dampfersubvention eine sehr nutzlose Ausgabe werden.<lb/> Kaum aber erholte mau sich von der arithmetischen Kunst des Redners, so<lb/> überkam — wenigstens mich — die Empfindung: Herr Bamberger hat dennoch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0567]
Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.
gegen welche Jahrhunderte und die Staaten Deutschlands bisher stets gesündigt
habe»? Wir sollten auch vom Gesichtspunkte des Staates gegen unsre Aus¬
wanderer in? Prinzip, in ihrer Allgemeinheit billig sein. Wenn wir dieses natio¬
nale Bewußtsein fordern, so sind wir nur insoweit dazu berechtigt, als wir es
durch solche Forderung zu kräftigen, hervorzurufen wünschen; wir sind nicht
berechtigt, unser Verhalten gegenüber dem Auswanderer praktisch von dem Vor¬
handensein dieses nationalen Bewußtseins abhängig zu machen. Der Staat
schaffe, stärke erst ein solches nationales Bewußtsein, dann mag er es auch vou
Einzelnen fordern. Denn das nationale Bewußtsein ist eine Frucht nationaler
Kultur, nicht menschlicher Natur.
Für den Gesichtspunkt des reinen Geldmnnnes freilich hat das nationale
Bewußtsein wenig Wert. Kann ich damit Geld verdienen? Nein; vielmehr ist
es häufig, wie die Dinge bisher lagen, sogar gewöhnlich, nur ein Hindernis des
Gelderwerbes, ein offenbarer Nachteil. Denn je leichter ich mich in das fremde
Volkstum in der Kolonie schicke, umso leichter fasse ich dort Fuß; je eher ich
Engländer werde, umso eher finde ich mich auf dem nun einmal englischen Welt¬
märkte zurecht. Also konsequenter Weise schnell fort mit meinem lästigen na¬
tionalen Bewußtsein!
Unser Freihändler wünscht nun zwar, daß der Auswandrer deutsch bleibe,
aber der Staat soll nichts dazu thun, wenigstens nicht durch Dampfersnbvention
oder Kolonialerwerb. Er wünscht den deutschen Handel zu erweitern, aber ohne
staatliche unmittelbare Hilfe. Der Staat soll draußen nicht unmittelbar helfend
auftreten, sondern bloß mittelbar, indem er den deutschen Kaufmann oder auch
Arbeiter gegen Vergewaltigung, Rechtsverletzung schützt. Wir andern wünschen
zwar gleichfalls vor allem ausreichenden staatlichen Schutz und sind dem Reichs¬
kanzler dankbar für die Anstrengungen, welche er in seiner gesamten bisherigen
auswärtigen Politik in dieser Richtung gemacht hat, und für die stete Sorge,
der deutschen Macht Übersee allenthalben Anerkennung zu schaffen. Aber wir
wünschen außerdem positive Unterstützung. Die Heimat soll ausgedehnt werden,
den. Einzelnen soll die Möglichkeit gewährt werden, sie mit sich hinauszunehmen,
auf deutschem Schiff nach deutscher Erde hinauszuwandern, in regelmäßiger di¬
rekter Verbindung mit der Heimat zu bleiben. Das ist nicht bloß von sitt¬
licher Bedeutung, stärkt nicht bloß das nationale Bewußtsein, sondern ist auch
von großer materieller Wirkung.
Wer Herrn Bamberger am 14. Juni d. I. hörte, neigte im ersten Augen¬
blicke dazu, zusagen: Ja, zweimal zwei ist vier; wenn die Zahlen des Herrn
Bamberger, was kaum zu bezweifeln, richtig sind, und wenn diese Zahlen in
der vorliegenden Sache maßgebend sind -— was ebenfalls kaum zweifelhaft sein
kann —, so muß die Dampfersubvention eine sehr nutzlose Ausgabe werden.
Kaum aber erholte mau sich von der arithmetischen Kunst des Redners, so
überkam — wenigstens mich — die Empfindung: Herr Bamberger hat dennoch
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