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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

Könnte ich mir ein Volk denken, das ausschließlich sich mit Geldgeschäften ab¬
gäbe, dessen König ein Banker wäre, dessen Staat von einer Börse geleitet
würde, dessen Glieder ohne Land nur in Geldgeschäften arbeiteten, so müßte
dieses Volk solche internationale Geldpolitik treiben, denn seine ganze Kraft läge
in dem internationalen Gelde. Aber für das deutsche Volk ist es nicht gleich-
giltig, was aus dem Kaufmann, dem Arbeiter in der englischen Kolonie wird,
abgesehen vom Gelderwerb. Mich freut es zu erfahren, daß dieser wohlhabender
Farmer, jener Millionär geworden ist. Aber wenn sie zugleich nur noch mit
England Handel treiben, nur noch für Schutzzölle in den Vereinigten Staaten,
die sich gegen Deutschland richten, kämpfen, wenn sie im Geschäft, in Sitte
sogar in der Sprache Engländer oder Amerikaner geworden sind: nun, so habe
ich keinerlei Interesse mehr, weder an ihnen selbst noch an ihrer Farm oder
Million. Sie werden mir sogar leicht persönlich unangenehm und politisch un¬
bequem werden. Selbst das Geld, welches sie gewonnen, wird mir vielleicht
durch seine Konkurrenz auf dem Markte als ein Verlust und keineswegs ein Ge¬
winn für mein nationales Interesse erscheinen. Was dem Freihändler als der
oberste Zweck der Auswanderung erschien, was für ihn die Summe der poli¬
tischen Erwägungen war: "Der Mann verdient ohne unsre staatliche Hilfe
Geld" -- das verkehrt sich mir nun in eine sehr beklagenswerte Thatsache. Ich
hätte vielmehr gewünscht, daß er kein Geld verdient hätte, oder daß er es,
wenn auch mit staatlicher Hilfe, in andrer Weise verdient hätte.

Denn die Opfer, die diese Auswanderer brachten, um das Geld zu ver¬
dienen, sind zu groß. Sie opferten ihr Volkstum -- das könnte ich ver¬
schmerzen, weil bloß ein paar Menschen unserm Volk verloren gingen. Sie
opferten aber auch die nationalen Interessen, indem sie ihr Geld und ihre Arbeits¬
kraft einem andern Volke dienstbar machten, welches vielfach als wirtschaftlich-
nationaler Gegner uns gegenübersteht. Ich hätte gewünscht, daß diese Leute
drüben weder eine Farm noch eine Million erworben hätten. Und ich hätte
noch stärker gewünscht, daß diese Leute mit geringeren oder mit keinen solchen
Opfern wie persönliches Volkstum und nationale Interessen ihre Farm und ihre
Million erworben hätten. Ich hätte gewünscht, daß sie durch den Staat
wären in die Lage gesetzt worden, in enger Verbindung mit Volkstum und
nationalen Interessen zu bleiben, und dadurch in ihnen der Mangel an natio¬
nalem Halt, der ihnen nun einmal eigen war, ausreichend wäre ergänzt worden.
Nach den Äußerungen mancher unsrer Freihändler zu schließen, wäre es indessen
ziemlich gleichgiltig, was aus jenen Leuten sonst würde, es wäre alles in Ord¬
nung und gutem Gange, da sie ja Farm und Million in der Tasche hätten.
Das wird wohl Herr Bamberger nicht meinen; aber seine weithin tönenden
Worte verführen durch die äußere Glätte und geldgeschäftsmäßige Folgerichtig¬
keit nur allzuleicht manche Menschen zu dem Glauben, er habe es gemeint,
oder verleiten andre zu der Meinung, mit diesen Worten sei alles abgethan


Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

Könnte ich mir ein Volk denken, das ausschließlich sich mit Geldgeschäften ab¬
gäbe, dessen König ein Banker wäre, dessen Staat von einer Börse geleitet
würde, dessen Glieder ohne Land nur in Geldgeschäften arbeiteten, so müßte
dieses Volk solche internationale Geldpolitik treiben, denn seine ganze Kraft läge
in dem internationalen Gelde. Aber für das deutsche Volk ist es nicht gleich-
giltig, was aus dem Kaufmann, dem Arbeiter in der englischen Kolonie wird,
abgesehen vom Gelderwerb. Mich freut es zu erfahren, daß dieser wohlhabender
Farmer, jener Millionär geworden ist. Aber wenn sie zugleich nur noch mit
England Handel treiben, nur noch für Schutzzölle in den Vereinigten Staaten,
die sich gegen Deutschland richten, kämpfen, wenn sie im Geschäft, in Sitte
sogar in der Sprache Engländer oder Amerikaner geworden sind: nun, so habe
ich keinerlei Interesse mehr, weder an ihnen selbst noch an ihrer Farm oder
Million. Sie werden mir sogar leicht persönlich unangenehm und politisch un¬
bequem werden. Selbst das Geld, welches sie gewonnen, wird mir vielleicht
durch seine Konkurrenz auf dem Markte als ein Verlust und keineswegs ein Ge¬
winn für mein nationales Interesse erscheinen. Was dem Freihändler als der
oberste Zweck der Auswanderung erschien, was für ihn die Summe der poli¬
tischen Erwägungen war: „Der Mann verdient ohne unsre staatliche Hilfe
Geld" — das verkehrt sich mir nun in eine sehr beklagenswerte Thatsache. Ich
hätte vielmehr gewünscht, daß er kein Geld verdient hätte, oder daß er es,
wenn auch mit staatlicher Hilfe, in andrer Weise verdient hätte.

Denn die Opfer, die diese Auswanderer brachten, um das Geld zu ver¬
dienen, sind zu groß. Sie opferten ihr Volkstum — das könnte ich ver¬
schmerzen, weil bloß ein paar Menschen unserm Volk verloren gingen. Sie
opferten aber auch die nationalen Interessen, indem sie ihr Geld und ihre Arbeits¬
kraft einem andern Volke dienstbar machten, welches vielfach als wirtschaftlich-
nationaler Gegner uns gegenübersteht. Ich hätte gewünscht, daß diese Leute
drüben weder eine Farm noch eine Million erworben hätten. Und ich hätte
noch stärker gewünscht, daß diese Leute mit geringeren oder mit keinen solchen
Opfern wie persönliches Volkstum und nationale Interessen ihre Farm und ihre
Million erworben hätten. Ich hätte gewünscht, daß sie durch den Staat
wären in die Lage gesetzt worden, in enger Verbindung mit Volkstum und
nationalen Interessen zu bleiben, und dadurch in ihnen der Mangel an natio¬
nalem Halt, der ihnen nun einmal eigen war, ausreichend wäre ergänzt worden.
Nach den Äußerungen mancher unsrer Freihändler zu schließen, wäre es indessen
ziemlich gleichgiltig, was aus jenen Leuten sonst würde, es wäre alles in Ord¬
nung und gutem Gange, da sie ja Farm und Million in der Tasche hätten.
Das wird wohl Herr Bamberger nicht meinen; aber seine weithin tönenden
Worte verführen durch die äußere Glätte und geldgeschäftsmäßige Folgerichtig¬
keit nur allzuleicht manche Menschen zu dem Glauben, er habe es gemeint,
oder verleiten andre zu der Meinung, mit diesen Worten sei alles abgethan


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[0565] Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. Könnte ich mir ein Volk denken, das ausschließlich sich mit Geldgeschäften ab¬ gäbe, dessen König ein Banker wäre, dessen Staat von einer Börse geleitet würde, dessen Glieder ohne Land nur in Geldgeschäften arbeiteten, so müßte dieses Volk solche internationale Geldpolitik treiben, denn seine ganze Kraft läge in dem internationalen Gelde. Aber für das deutsche Volk ist es nicht gleich- giltig, was aus dem Kaufmann, dem Arbeiter in der englischen Kolonie wird, abgesehen vom Gelderwerb. Mich freut es zu erfahren, daß dieser wohlhabender Farmer, jener Millionär geworden ist. Aber wenn sie zugleich nur noch mit England Handel treiben, nur noch für Schutzzölle in den Vereinigten Staaten, die sich gegen Deutschland richten, kämpfen, wenn sie im Geschäft, in Sitte sogar in der Sprache Engländer oder Amerikaner geworden sind: nun, so habe ich keinerlei Interesse mehr, weder an ihnen selbst noch an ihrer Farm oder Million. Sie werden mir sogar leicht persönlich unangenehm und politisch un¬ bequem werden. Selbst das Geld, welches sie gewonnen, wird mir vielleicht durch seine Konkurrenz auf dem Markte als ein Verlust und keineswegs ein Ge¬ winn für mein nationales Interesse erscheinen. Was dem Freihändler als der oberste Zweck der Auswanderung erschien, was für ihn die Summe der poli¬ tischen Erwägungen war: „Der Mann verdient ohne unsre staatliche Hilfe Geld" — das verkehrt sich mir nun in eine sehr beklagenswerte Thatsache. Ich hätte vielmehr gewünscht, daß er kein Geld verdient hätte, oder daß er es, wenn auch mit staatlicher Hilfe, in andrer Weise verdient hätte. Denn die Opfer, die diese Auswanderer brachten, um das Geld zu ver¬ dienen, sind zu groß. Sie opferten ihr Volkstum — das könnte ich ver¬ schmerzen, weil bloß ein paar Menschen unserm Volk verloren gingen. Sie opferten aber auch die nationalen Interessen, indem sie ihr Geld und ihre Arbeits¬ kraft einem andern Volke dienstbar machten, welches vielfach als wirtschaftlich- nationaler Gegner uns gegenübersteht. Ich hätte gewünscht, daß diese Leute drüben weder eine Farm noch eine Million erworben hätten. Und ich hätte noch stärker gewünscht, daß diese Leute mit geringeren oder mit keinen solchen Opfern wie persönliches Volkstum und nationale Interessen ihre Farm und ihre Million erworben hätten. Ich hätte gewünscht, daß sie durch den Staat wären in die Lage gesetzt worden, in enger Verbindung mit Volkstum und nationalen Interessen zu bleiben, und dadurch in ihnen der Mangel an natio¬ nalem Halt, der ihnen nun einmal eigen war, ausreichend wäre ergänzt worden. Nach den Äußerungen mancher unsrer Freihändler zu schließen, wäre es indessen ziemlich gleichgiltig, was aus jenen Leuten sonst würde, es wäre alles in Ord¬ nung und gutem Gange, da sie ja Farm und Million in der Tasche hätten. Das wird wohl Herr Bamberger nicht meinen; aber seine weithin tönenden Worte verführen durch die äußere Glätte und geldgeschäftsmäßige Folgerichtig¬ keit nur allzuleicht manche Menschen zu dem Glauben, er habe es gemeint, oder verleiten andre zu der Meinung, mit diesen Worten sei alles abgethan

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/565>, abgerufen am 06.01.2025.