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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Unsre Übersee'^che Politik und ihre Gegner.

Elbe oder Weser auf; von da an geht er meist auf englische"! Boden hinüber,
erst auf dem Schiff, dann in der Kolonie. Umgekehrt bleibt der Engländer
stets in England, ob er auf dem Ozean schaukelt oder in einem fremden Erd¬
teil sein Geschäft unternimmt. Der Deutsche findet drüben englischen Boden,
englische Sprache, englisches Recht und Gesetz, englische Beamte und englische
Sitten; was er aus der Heimat hört oder erhält, was er dorthin sendet oder
berichtet, geht meist durch englische Dampferlinien; wenn er um sich uoch Deutsch¬
tum sieht, so ist es seltener und privater Art>; den Staat, die öffentliche Macht
seines Volkes sieht er nicht, fühlt er nicht, der Zusammenhang mit Deutschland
als Staat ist unterbrochen. Und bei solcher Lage macht man ihm, wenn man
national denkt, zum Vorwurf, daß er bald sich aus einem Deutschen in einen
Engländer umwandelt; und wenn man international ist, bemerkt man das gar¬
nicht oder hält es für nicht der Rede wert, denn: er verdient ja drüben viel
Geld. Das war ja der Zweck, um dessenwillen er hinausging, und was will
man denu noch mehr, als daß er seinen Zweck erreicht? Sehen- wir nicht, sagt
man, in allen Weltteilen den deutschen Kaufmann, meist hochangesehen, oft im
Besitz des größten Einflusses, oft den Handel des Landes beherrschend? Ein
klarer Beweis doch Wohl, daß es ihm drüben gut geht! Was also bedarf es
uoch mehr der Unterstützung? Ja freilich, es geht ihm meist gut, d. h. er ge¬
winnt Geld. Wem kommt das zu gute? Diesem Kaufmann doch wohl, diesem
einzelnen Menschen, also vorläufig ein ganz privater, persönlicher Gewinn, wie
er einen menschenfreundlichen deutschen Mann auch bei einem portugiesischen
Kaufmann freuen müßte.

Es ist dieselbe Sache wie mit den Kolonien. Was bedürfen wir der Ko¬
lonien, sagt der Freihändler, da wir in englischen Kolonien eben jetzt unsre
Kaufleute soviel Geld verdienen sehen? England nimmt die Last auf sich, Ko¬
lonien zu schaffen, zu verwalten, zu schützen, und wir gehen hin und verdienen
auf diesem mit fremden Mitteln und Mühen vorbereiteten Boden unser gutes
Geld. Sollen wir Kolonien erwerben, mit staatlichen Mitteln erhalten, beschützen,
Ausgaben uns auferlegen an Marine und Konsulaten und Reibungen in der
auswärtigen Politik, während^wir Handel treiben können, wo es uns gut scheint,
in fremden Kolonien? Sollen wir Kolonien gründen, weil unser Kaufmann,
unser Auswanderer in den fremden Kolonien gut fortkommt? Dann brauchen
wir ja nicht selbst uns die Mühe zu machen. Sollen wir welche gründen, weil
unser Kaufmann oder Arbeiter in den fremden Kolonien schlecht fortkommt?
Dann ist das ein Beweis, daß er nicht für Kolonien taugt, und es wäre über¬
flüssig, welche zu haben.

Solcherlei Erörterungen liegt immer und überall nur der eine Gesichts¬
punkt zu gründe: Gelderwerb. Wenn nur Mark sich zu Mark fügt, so ist der
Zweck des Handels erreicht. Ja, für den Einzelnen, für diesen Kaufmann wohl,
und auch für den Politiker, dessen Staat sich auf Mark und Papier aufbaut.


Unsre Übersee'^che Politik und ihre Gegner.

Elbe oder Weser auf; von da an geht er meist auf englische»! Boden hinüber,
erst auf dem Schiff, dann in der Kolonie. Umgekehrt bleibt der Engländer
stets in England, ob er auf dem Ozean schaukelt oder in einem fremden Erd¬
teil sein Geschäft unternimmt. Der Deutsche findet drüben englischen Boden,
englische Sprache, englisches Recht und Gesetz, englische Beamte und englische
Sitten; was er aus der Heimat hört oder erhält, was er dorthin sendet oder
berichtet, geht meist durch englische Dampferlinien; wenn er um sich uoch Deutsch¬
tum sieht, so ist es seltener und privater Art>; den Staat, die öffentliche Macht
seines Volkes sieht er nicht, fühlt er nicht, der Zusammenhang mit Deutschland
als Staat ist unterbrochen. Und bei solcher Lage macht man ihm, wenn man
national denkt, zum Vorwurf, daß er bald sich aus einem Deutschen in einen
Engländer umwandelt; und wenn man international ist, bemerkt man das gar¬
nicht oder hält es für nicht der Rede wert, denn: er verdient ja drüben viel
Geld. Das war ja der Zweck, um dessenwillen er hinausging, und was will
man denu noch mehr, als daß er seinen Zweck erreicht? Sehen- wir nicht, sagt
man, in allen Weltteilen den deutschen Kaufmann, meist hochangesehen, oft im
Besitz des größten Einflusses, oft den Handel des Landes beherrschend? Ein
klarer Beweis doch Wohl, daß es ihm drüben gut geht! Was also bedarf es
uoch mehr der Unterstützung? Ja freilich, es geht ihm meist gut, d. h. er ge¬
winnt Geld. Wem kommt das zu gute? Diesem Kaufmann doch wohl, diesem
einzelnen Menschen, also vorläufig ein ganz privater, persönlicher Gewinn, wie
er einen menschenfreundlichen deutschen Mann auch bei einem portugiesischen
Kaufmann freuen müßte.

Es ist dieselbe Sache wie mit den Kolonien. Was bedürfen wir der Ko¬
lonien, sagt der Freihändler, da wir in englischen Kolonien eben jetzt unsre
Kaufleute soviel Geld verdienen sehen? England nimmt die Last auf sich, Ko¬
lonien zu schaffen, zu verwalten, zu schützen, und wir gehen hin und verdienen
auf diesem mit fremden Mitteln und Mühen vorbereiteten Boden unser gutes
Geld. Sollen wir Kolonien erwerben, mit staatlichen Mitteln erhalten, beschützen,
Ausgaben uns auferlegen an Marine und Konsulaten und Reibungen in der
auswärtigen Politik, während^wir Handel treiben können, wo es uns gut scheint,
in fremden Kolonien? Sollen wir Kolonien gründen, weil unser Kaufmann,
unser Auswanderer in den fremden Kolonien gut fortkommt? Dann brauchen
wir ja nicht selbst uns die Mühe zu machen. Sollen wir welche gründen, weil
unser Kaufmann oder Arbeiter in den fremden Kolonien schlecht fortkommt?
Dann ist das ein Beweis, daß er nicht für Kolonien taugt, und es wäre über¬
flüssig, welche zu haben.

Solcherlei Erörterungen liegt immer und überall nur der eine Gesichts¬
punkt zu gründe: Gelderwerb. Wenn nur Mark sich zu Mark fügt, so ist der
Zweck des Handels erreicht. Ja, für den Einzelnen, für diesen Kaufmann wohl,
und auch für den Politiker, dessen Staat sich auf Mark und Papier aufbaut.


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[0564] Unsre Übersee'^che Politik und ihre Gegner. Elbe oder Weser auf; von da an geht er meist auf englische»! Boden hinüber, erst auf dem Schiff, dann in der Kolonie. Umgekehrt bleibt der Engländer stets in England, ob er auf dem Ozean schaukelt oder in einem fremden Erd¬ teil sein Geschäft unternimmt. Der Deutsche findet drüben englischen Boden, englische Sprache, englisches Recht und Gesetz, englische Beamte und englische Sitten; was er aus der Heimat hört oder erhält, was er dorthin sendet oder berichtet, geht meist durch englische Dampferlinien; wenn er um sich uoch Deutsch¬ tum sieht, so ist es seltener und privater Art>; den Staat, die öffentliche Macht seines Volkes sieht er nicht, fühlt er nicht, der Zusammenhang mit Deutschland als Staat ist unterbrochen. Und bei solcher Lage macht man ihm, wenn man national denkt, zum Vorwurf, daß er bald sich aus einem Deutschen in einen Engländer umwandelt; und wenn man international ist, bemerkt man das gar¬ nicht oder hält es für nicht der Rede wert, denn: er verdient ja drüben viel Geld. Das war ja der Zweck, um dessenwillen er hinausging, und was will man denu noch mehr, als daß er seinen Zweck erreicht? Sehen- wir nicht, sagt man, in allen Weltteilen den deutschen Kaufmann, meist hochangesehen, oft im Besitz des größten Einflusses, oft den Handel des Landes beherrschend? Ein klarer Beweis doch Wohl, daß es ihm drüben gut geht! Was also bedarf es uoch mehr der Unterstützung? Ja freilich, es geht ihm meist gut, d. h. er ge¬ winnt Geld. Wem kommt das zu gute? Diesem Kaufmann doch wohl, diesem einzelnen Menschen, also vorläufig ein ganz privater, persönlicher Gewinn, wie er einen menschenfreundlichen deutschen Mann auch bei einem portugiesischen Kaufmann freuen müßte. Es ist dieselbe Sache wie mit den Kolonien. Was bedürfen wir der Ko¬ lonien, sagt der Freihändler, da wir in englischen Kolonien eben jetzt unsre Kaufleute soviel Geld verdienen sehen? England nimmt die Last auf sich, Ko¬ lonien zu schaffen, zu verwalten, zu schützen, und wir gehen hin und verdienen auf diesem mit fremden Mitteln und Mühen vorbereiteten Boden unser gutes Geld. Sollen wir Kolonien erwerben, mit staatlichen Mitteln erhalten, beschützen, Ausgaben uns auferlegen an Marine und Konsulaten und Reibungen in der auswärtigen Politik, während^wir Handel treiben können, wo es uns gut scheint, in fremden Kolonien? Sollen wir Kolonien gründen, weil unser Kaufmann, unser Auswanderer in den fremden Kolonien gut fortkommt? Dann brauchen wir ja nicht selbst uns die Mühe zu machen. Sollen wir welche gründen, weil unser Kaufmann oder Arbeiter in den fremden Kolonien schlecht fortkommt? Dann ist das ein Beweis, daß er nicht für Kolonien taugt, und es wäre über¬ flüssig, welche zu haben. Solcherlei Erörterungen liegt immer und überall nur der eine Gesichts¬ punkt zu gründe: Gelderwerb. Wenn nur Mark sich zu Mark fügt, so ist der Zweck des Handels erreicht. Ja, für den Einzelnen, für diesen Kaufmann wohl, und auch für den Politiker, dessen Staat sich auf Mark und Papier aufbaut.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/564>, abgerufen am 07.01.2025.