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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Unsre überseeische Politik und ihre Gegner,

gange Spaniens bei. Für den Einzelnen, wie für ein Volk, ist es eben oft wich¬
tiger, wie Reichtum erworben wird, als wieviel erworben wird.

Das ist es, was der Geldmann oft aus dem Auge verliert. Ist es ehrlich
gewonnen, so erscheint ihm meist ein Geld sogut wie das andre. Und das Unter¬
nehmen ist ihm das beste, welches das meiste Geld in der kürzesten Zeit ab¬
wirft; für schlecht begründet aber hält er dasjenige, bei welchem der Geldgewinn
zweifelhaft ist. Das ist der richtige Standpunkt der Börse, aber ein übles
Staatsprinzip. Wenn ein Staat diesem Prinzip auf wirtschaftlichem Gebiete
stets und allein folgen wollte, so würde die Thatkraft des Volkes ohne Zweifel
darunter leiden und das wesentliche, dauernde, nationale Vermögen des Volkes
gefährdet werden. Dieses Prinzip ist auch in dem sogenannten Mcmchestertum
enthalten. Der Freihandel insbesondre fördert den Gelderwerb desjenigen Volkes,
welches die überwiegende Produktionskraft besitzt, er ist gut für ein bestimmtes,
zur Zeit den andern hierin überlegenes Volk? er ist auch richtig von dem Ge¬
sichtspunkte der allgemeinen menschlichen Kultur aus, indem er die schwächeren
Völker zur Konkurrenz anreizt, freilich um sie, wenn sie die Konkurrenz nicht
aushalten, niederzutreten, und indem er die stärkeren Völker auf Kosten jener
schwächeren umso schneller und sicherer Werte erwerben, Werte schaffen läßt.
Aber national im Prinzip ist der Freihandel nicht. Er läßt schnell und sicher
Geld gewinnen, vorausgesetzt nur, daß man der Stärkere sei und unbekümmert
um Volk und Land. Die Mehrung der Werte, des Geldes ist ihm an sich Zweck,
nicht für dieses bestimmte Volkoder Land. Und das Mcmchestertum ruht völlig auf
diesem Prinzip der ungehinderten Herrschaft des Geldes, welches international ist.

Die Gegensätze der oben gekennzeichneten Berufsklassen finden sich nun
größtenteils wieder in den Anschauungsweisen, welche unsre politischen Par¬
teien beherrschen; die Gewohnheiten des Papierkapitalisten wirken mit in der Be¬
handlung, die der überseeischen Politik und der Dampfersubvention zuteil wird.

Der in der Junirede des Herrn Vamberger inhaltlich, wenn auch nicht
genau wörtlich enthaltene Satz: "Ist der überseeische PostVerkehr Deutschlands
stark, so bedarf er der Unterstützung nicht; ist er schwach, so verdient er sie
nicht" -- dieser Satz ist ganz korrekt manchesterlich. Ist der Verkehr stark,
heißt hier soviel als: wird von Deutschland aus nach Übersee viel geschrieben,
gehandelt, wird Übersee viel Geld verdient. Das ist, was auch Herr Bamberger
wünscht, und das ist alles, was er wünscht in Rücksicht auf unsern überseeischen
Handel; das Wie dieses Handels ist nebensächlich. Welche Erschwerungen dem
Deutschen daraus erwachsen, daß der Verkehr nach Übersee in fremden Händen
ist, welche Ermunterung und welcher Schwung dem deutschen Handel aus eignen
Dampferlinien zufließen würden -- das bedeutet wenig, wenn nur Geld drüben ge¬
wonnen wird; noch weniger hat es zu sagen, daß der Deutsche, der nach Übersee einen
Handel unternimmt, meist sofort auf fremden Boden tritt, sowie er den deut¬
schen Hafen verläßt. Die Heimat hört dem Deutschen an der Mündung von


Unsre überseeische Politik und ihre Gegner,

gange Spaniens bei. Für den Einzelnen, wie für ein Volk, ist es eben oft wich¬
tiger, wie Reichtum erworben wird, als wieviel erworben wird.

Das ist es, was der Geldmann oft aus dem Auge verliert. Ist es ehrlich
gewonnen, so erscheint ihm meist ein Geld sogut wie das andre. Und das Unter¬
nehmen ist ihm das beste, welches das meiste Geld in der kürzesten Zeit ab¬
wirft; für schlecht begründet aber hält er dasjenige, bei welchem der Geldgewinn
zweifelhaft ist. Das ist der richtige Standpunkt der Börse, aber ein übles
Staatsprinzip. Wenn ein Staat diesem Prinzip auf wirtschaftlichem Gebiete
stets und allein folgen wollte, so würde die Thatkraft des Volkes ohne Zweifel
darunter leiden und das wesentliche, dauernde, nationale Vermögen des Volkes
gefährdet werden. Dieses Prinzip ist auch in dem sogenannten Mcmchestertum
enthalten. Der Freihandel insbesondre fördert den Gelderwerb desjenigen Volkes,
welches die überwiegende Produktionskraft besitzt, er ist gut für ein bestimmtes,
zur Zeit den andern hierin überlegenes Volk? er ist auch richtig von dem Ge¬
sichtspunkte der allgemeinen menschlichen Kultur aus, indem er die schwächeren
Völker zur Konkurrenz anreizt, freilich um sie, wenn sie die Konkurrenz nicht
aushalten, niederzutreten, und indem er die stärkeren Völker auf Kosten jener
schwächeren umso schneller und sicherer Werte erwerben, Werte schaffen läßt.
Aber national im Prinzip ist der Freihandel nicht. Er läßt schnell und sicher
Geld gewinnen, vorausgesetzt nur, daß man der Stärkere sei und unbekümmert
um Volk und Land. Die Mehrung der Werte, des Geldes ist ihm an sich Zweck,
nicht für dieses bestimmte Volkoder Land. Und das Mcmchestertum ruht völlig auf
diesem Prinzip der ungehinderten Herrschaft des Geldes, welches international ist.

Die Gegensätze der oben gekennzeichneten Berufsklassen finden sich nun
größtenteils wieder in den Anschauungsweisen, welche unsre politischen Par¬
teien beherrschen; die Gewohnheiten des Papierkapitalisten wirken mit in der Be¬
handlung, die der überseeischen Politik und der Dampfersubvention zuteil wird.

Der in der Junirede des Herrn Vamberger inhaltlich, wenn auch nicht
genau wörtlich enthaltene Satz: „Ist der überseeische PostVerkehr Deutschlands
stark, so bedarf er der Unterstützung nicht; ist er schwach, so verdient er sie
nicht" — dieser Satz ist ganz korrekt manchesterlich. Ist der Verkehr stark,
heißt hier soviel als: wird von Deutschland aus nach Übersee viel geschrieben,
gehandelt, wird Übersee viel Geld verdient. Das ist, was auch Herr Bamberger
wünscht, und das ist alles, was er wünscht in Rücksicht auf unsern überseeischen
Handel; das Wie dieses Handels ist nebensächlich. Welche Erschwerungen dem
Deutschen daraus erwachsen, daß der Verkehr nach Übersee in fremden Händen
ist, welche Ermunterung und welcher Schwung dem deutschen Handel aus eignen
Dampferlinien zufließen würden — das bedeutet wenig, wenn nur Geld drüben ge¬
wonnen wird; noch weniger hat es zu sagen, daß der Deutsche, der nach Übersee einen
Handel unternimmt, meist sofort auf fremden Boden tritt, sowie er den deut¬
schen Hafen verläßt. Die Heimat hört dem Deutschen an der Mündung von


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[0563] Unsre überseeische Politik und ihre Gegner, gange Spaniens bei. Für den Einzelnen, wie für ein Volk, ist es eben oft wich¬ tiger, wie Reichtum erworben wird, als wieviel erworben wird. Das ist es, was der Geldmann oft aus dem Auge verliert. Ist es ehrlich gewonnen, so erscheint ihm meist ein Geld sogut wie das andre. Und das Unter¬ nehmen ist ihm das beste, welches das meiste Geld in der kürzesten Zeit ab¬ wirft; für schlecht begründet aber hält er dasjenige, bei welchem der Geldgewinn zweifelhaft ist. Das ist der richtige Standpunkt der Börse, aber ein übles Staatsprinzip. Wenn ein Staat diesem Prinzip auf wirtschaftlichem Gebiete stets und allein folgen wollte, so würde die Thatkraft des Volkes ohne Zweifel darunter leiden und das wesentliche, dauernde, nationale Vermögen des Volkes gefährdet werden. Dieses Prinzip ist auch in dem sogenannten Mcmchestertum enthalten. Der Freihandel insbesondre fördert den Gelderwerb desjenigen Volkes, welches die überwiegende Produktionskraft besitzt, er ist gut für ein bestimmtes, zur Zeit den andern hierin überlegenes Volk? er ist auch richtig von dem Ge¬ sichtspunkte der allgemeinen menschlichen Kultur aus, indem er die schwächeren Völker zur Konkurrenz anreizt, freilich um sie, wenn sie die Konkurrenz nicht aushalten, niederzutreten, und indem er die stärkeren Völker auf Kosten jener schwächeren umso schneller und sicherer Werte erwerben, Werte schaffen läßt. Aber national im Prinzip ist der Freihandel nicht. Er läßt schnell und sicher Geld gewinnen, vorausgesetzt nur, daß man der Stärkere sei und unbekümmert um Volk und Land. Die Mehrung der Werte, des Geldes ist ihm an sich Zweck, nicht für dieses bestimmte Volkoder Land. Und das Mcmchestertum ruht völlig auf diesem Prinzip der ungehinderten Herrschaft des Geldes, welches international ist. Die Gegensätze der oben gekennzeichneten Berufsklassen finden sich nun größtenteils wieder in den Anschauungsweisen, welche unsre politischen Par¬ teien beherrschen; die Gewohnheiten des Papierkapitalisten wirken mit in der Be¬ handlung, die der überseeischen Politik und der Dampfersubvention zuteil wird. Der in der Junirede des Herrn Vamberger inhaltlich, wenn auch nicht genau wörtlich enthaltene Satz: „Ist der überseeische PostVerkehr Deutschlands stark, so bedarf er der Unterstützung nicht; ist er schwach, so verdient er sie nicht" — dieser Satz ist ganz korrekt manchesterlich. Ist der Verkehr stark, heißt hier soviel als: wird von Deutschland aus nach Übersee viel geschrieben, gehandelt, wird Übersee viel Geld verdient. Das ist, was auch Herr Bamberger wünscht, und das ist alles, was er wünscht in Rücksicht auf unsern überseeischen Handel; das Wie dieses Handels ist nebensächlich. Welche Erschwerungen dem Deutschen daraus erwachsen, daß der Verkehr nach Übersee in fremden Händen ist, welche Ermunterung und welcher Schwung dem deutschen Handel aus eignen Dampferlinien zufließen würden — das bedeutet wenig, wenn nur Geld drüben ge¬ wonnen wird; noch weniger hat es zu sagen, daß der Deutsche, der nach Übersee einen Handel unternimmt, meist sofort auf fremden Boden tritt, sowie er den deut¬ schen Hafen verläßt. Die Heimat hört dem Deutschen an der Mündung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/563>, abgerufen am 08.01.2025.