Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. gemeinen Dinge aus, soweit sie sich in Geld oder Geldeswert darstellen lassen. Ein Staat, der nur uach den Interessen des Geldmarktes regiert würde, Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. gemeinen Dinge aus, soweit sie sich in Geld oder Geldeswert darstellen lassen. Ein Staat, der nur uach den Interessen des Geldmarktes regiert würde, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157487"/> <fw type="header" place="top"> Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1967" prev="#ID_1966"> gemeinen Dinge aus, soweit sie sich in Geld oder Geldeswert darstellen lassen.<lb/> Das spekulative Arbeiten mit Zahlen und mit Gegenständen, die sich in Ziffern<lb/> auflösen lassen, entwickelt in ihm die spekulativen Fähigkeiten des Geistes über¬<lb/> haupt. Scharf zu denken, sicher und weit Schlußfolgerungen zu ziehen, wird<lb/> ihm eigen; er bewegt sich im Gebiete der Abstraktion leichter und sicherer als<lb/> derjenige, welcher gewohnt ist, mit einzelnen Menschen und Dingen sich zu be¬<lb/> schäftigen. Man kann täglich erfahren, wie sehr kluge, sehr geistvolle Leute<lb/> außer Stande sind, den Zusammenhängen des Gelderwerbes zu folgen, die der<lb/> Geldmann spielend entwirrt und verknüpft. Während der Geldmann bei Vor¬<lb/> gängen sittlicher Natur oft ins Leere blickt, bemerkt er sehr genau Beziehungen<lb/> allgemeinster Art, soweit sie materielle Wirkungen hervorbringen. Es ist kaum<lb/> zu bezweifeln, daß die lange Beschäftigung mit Zahlen in dem jüdischen Volke<lb/> nicht allein die wunderbare Rechenkunst entwickelt hat, sondern auch die auf¬<lb/> fallende Begabung für spekulative Geistesarbeit. Und wenn ich mir eine Ab¬<lb/> schweifung erlauben darf, so meine ich, daß dieser Einfluß der vorwiegenden<lb/> Beschäftigung mit Zahlen sich geschichtlich sogar bei diesem Volke gezeigt hat.<lb/> Es dürfte kaum zu gewagt sein, anzunehmen, daß die heutigen Juden schwerlich<lb/> wieder einen Mann erzeugen werden von so praktischer Thatkraft, wie der große<lb/> Gesetzgeber Moses war, und daß die jüdische Geschichte von jenem ersten Moses<lb/> bis zu dem dritten Moses, dessen die Juden sich rühmen, in dem Unterschiede<lb/> sich wiederspiegelt, den wir zwischen dem Geiste jenes Moses und dem von<lb/> Moses Mendelssohn oder Spinoza bemerken. Die unvergleichliche Schärfe und<lb/> Tiefe bei diesen spekulativen Philosophen ist bezeichnend für die spekulative<lb/> Geistesübung von Jahrtausenden. Was aber für die eine Thätigkeit eine ge¬<lb/> waltige Kraft ist, kann für die andre oft ein Hindernis sein. Spinoza und<lb/> Moses Mendelssohn hätten die Juden schwerlich ans Ägypten geführt uoch den<lb/> jüdischen Staat gegründet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968" next="#ID_1969"> Ein Staat, der nur uach den Interessen des Geldmarktes regiert würde,<lb/> konnte vielleicht große Reichtümer anhäufen, hätte aber geringen Wert für die<lb/> Kultur seines Volkes. Die eigentliche kulturliche Volkskraft, die sittliche, würde<lb/> von der intellektuellen so sehr zurückgesetzt werden, daß sie erschlaffte. Und der<lb/> Mann, der vorwiegend mit Zahlen arbeitet, läuft Gefahr, die instinktive That¬<lb/> kraft sowohl als die Urteilskraft für die realen Unterlagen seiner Abstraktion<lb/> zu schwächen. Die staatlichen Dinge sind zumeist verknüpft mit Fragen des<lb/> materiellen Wohles, die in gewisser Richtung in Geld und Zahlen auslaufen.<lb/> Mehrung des Reichtums ist einer der obersten Zwecke des Staates. Indem<lb/> aber dem Geldmaune die staatlichen Angelegenheiten schnell sich in Geldwerte<lb/> umsetzen, verliert er leicht die Fühlung mit andern Bedingungen des Volks¬<lb/> wohles. Als in Spanien die Silberflotten Westindiens den Reichtum mühelos<lb/> mehrten, schien alles erfüllt zu werden, was nötig war, um das Wohl des<lb/> Volkes zu sichern; und doch trugen diese Reichtümer wahrscheinlich zum Nieder-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.
gemeinen Dinge aus, soweit sie sich in Geld oder Geldeswert darstellen lassen.
Das spekulative Arbeiten mit Zahlen und mit Gegenständen, die sich in Ziffern
auflösen lassen, entwickelt in ihm die spekulativen Fähigkeiten des Geistes über¬
haupt. Scharf zu denken, sicher und weit Schlußfolgerungen zu ziehen, wird
ihm eigen; er bewegt sich im Gebiete der Abstraktion leichter und sicherer als
derjenige, welcher gewohnt ist, mit einzelnen Menschen und Dingen sich zu be¬
schäftigen. Man kann täglich erfahren, wie sehr kluge, sehr geistvolle Leute
außer Stande sind, den Zusammenhängen des Gelderwerbes zu folgen, die der
Geldmann spielend entwirrt und verknüpft. Während der Geldmann bei Vor¬
gängen sittlicher Natur oft ins Leere blickt, bemerkt er sehr genau Beziehungen
allgemeinster Art, soweit sie materielle Wirkungen hervorbringen. Es ist kaum
zu bezweifeln, daß die lange Beschäftigung mit Zahlen in dem jüdischen Volke
nicht allein die wunderbare Rechenkunst entwickelt hat, sondern auch die auf¬
fallende Begabung für spekulative Geistesarbeit. Und wenn ich mir eine Ab¬
schweifung erlauben darf, so meine ich, daß dieser Einfluß der vorwiegenden
Beschäftigung mit Zahlen sich geschichtlich sogar bei diesem Volke gezeigt hat.
Es dürfte kaum zu gewagt sein, anzunehmen, daß die heutigen Juden schwerlich
wieder einen Mann erzeugen werden von so praktischer Thatkraft, wie der große
Gesetzgeber Moses war, und daß die jüdische Geschichte von jenem ersten Moses
bis zu dem dritten Moses, dessen die Juden sich rühmen, in dem Unterschiede
sich wiederspiegelt, den wir zwischen dem Geiste jenes Moses und dem von
Moses Mendelssohn oder Spinoza bemerken. Die unvergleichliche Schärfe und
Tiefe bei diesen spekulativen Philosophen ist bezeichnend für die spekulative
Geistesübung von Jahrtausenden. Was aber für die eine Thätigkeit eine ge¬
waltige Kraft ist, kann für die andre oft ein Hindernis sein. Spinoza und
Moses Mendelssohn hätten die Juden schwerlich ans Ägypten geführt uoch den
jüdischen Staat gegründet.
Ein Staat, der nur uach den Interessen des Geldmarktes regiert würde,
konnte vielleicht große Reichtümer anhäufen, hätte aber geringen Wert für die
Kultur seines Volkes. Die eigentliche kulturliche Volkskraft, die sittliche, würde
von der intellektuellen so sehr zurückgesetzt werden, daß sie erschlaffte. Und der
Mann, der vorwiegend mit Zahlen arbeitet, läuft Gefahr, die instinktive That¬
kraft sowohl als die Urteilskraft für die realen Unterlagen seiner Abstraktion
zu schwächen. Die staatlichen Dinge sind zumeist verknüpft mit Fragen des
materiellen Wohles, die in gewisser Richtung in Geld und Zahlen auslaufen.
Mehrung des Reichtums ist einer der obersten Zwecke des Staates. Indem
aber dem Geldmaune die staatlichen Angelegenheiten schnell sich in Geldwerte
umsetzen, verliert er leicht die Fühlung mit andern Bedingungen des Volks¬
wohles. Als in Spanien die Silberflotten Westindiens den Reichtum mühelos
mehrten, schien alles erfüllt zu werden, was nötig war, um das Wohl des
Volkes zu sichern; und doch trugen diese Reichtümer wahrscheinlich zum Nieder-
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