Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. weniger auf das Bedürfnis des Einzelnen als der Menge geachtet wird. Je Das Geld, sagt man, ist nicht mehr Wert, sondern nur Wertzeichen. Und Dem Banker ist der Einzelne nichts, die öffentliche Meinung alles. Auch Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. weniger auf das Bedürfnis des Einzelnen als der Menge geachtet wird. Je Das Geld, sagt man, ist nicht mehr Wert, sondern nur Wertzeichen. Und Dem Banker ist der Einzelne nichts, die öffentliche Meinung alles. Auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157485"/> <fw type="header" place="top"> Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1961" prev="#ID_1960"> weniger auf das Bedürfnis des Einzelnen als der Menge geachtet wird. Je<lb/> bedeutender der Handel ist, umso bedeutungsloser werden für den Kaufmann<lb/> der einzelne Produzent und Konsument, desto unwichtiger auch der Ort des<lb/> Geschäfts, die Stadt, das Land, auch das Volk, mit dem man handelt. Es<lb/> verschwinden mehr und mehr die realen Faktoren, und an ihre Stelle treten<lb/> Preisnotirungcu, ideale Spekulation, Werte. An der Börse steigt und fällt für<lb/> den Großhändler der Ertrag seiner Arbeit, ohne daß er in irgendeiner Be¬<lb/> ziehung stünde zu den Personen, von denen Angebot und Nachfrage ausgehen.<lb/> Aber noch besteht seine Beziehung zu der realen Waare, zu seinen Lagereicn,<lb/> seinen Kommis, seinen Agenten. Diese fesseln ihn in gewissem Maße doch an<lb/> den Boden, an seine natürlichen Kräfte, an das Volk, den Staat. Auch das<lb/> verschwindet für den Papier-Kapitalisten und den Banker.</p><lb/> <p xml:id="ID_1962"> Das Geld, sagt man, ist nicht mehr Wert, sondern nur Wertzeichen. Und<lb/> allerdings.ist seine Bedeutung eine vorwiegend ideale. Es stellt dar seine von<lb/> einer großen Menge von Menschen ausgehende Anerkennung als eines Wert¬<lb/> maßes für ihren realen Besitz und ihre reale Arbeit. Dem entsprechend enthält<lb/> das mobile Kapital nur die Möglichkeit, die Fähigkeit des Erwerbes von realem<lb/> Besitz, ist aber selbst nicht realer Besitz. Denn das Wertpnpier ist selbst wieder<lb/> nur Wertzeichen für ein andres Wertzeichen, das Geld. Der Papierkapitalist<lb/> besitzt nichts als die Möglichkeit, wirklichen Wertbesitz zu kaufen. Da er keinen<lb/> realen Besitz hat, so produzirt er much nicht reale Werte. Das Papierkapital<lb/> steigt oder fällt seiner Natur nach mit dem Wechsel der Anerkennung, die man<lb/> seiner Kaufkraft, dem Wertzeichen, zuwendet. Die Arbeit des Geldbesitzers be¬<lb/> steht hauptsächlich in dem Umsetzen von Wertzeichen, die des Geldspeknlanten<lb/> in demi Abwägen und Benutzen der dem Gelde von der Menge der Menschen<lb/> gewährten Anerkennung als Wertzeichen. Die öffentliche Meinung wird also<lb/> hauptsächlich zur bestimmenden Macht für den Geldspekulante».</p><lb/> <p xml:id="ID_1963" next="#ID_1964"> Dem Banker ist der Einzelne nichts, die öffentliche Meinung alles. Auch<lb/> ein Rothschild hat für ihn nur soweit Bedeutung, als er die öffentliche Meinung<lb/> zu lenken vermag. Er hat es mit keinem Individuum zu thun, mit keinem<lb/> einzelnen Arbeitsgebiet; die Welt der realen Dinge und Menschen liegt ihm<lb/> fern in Absicht auf ihre tägliche Mühe und Sorge. Er ist keinem Prinzipal,<lb/> keinem Gutsherrn verpflichtet, noch trägt er die Verantwortung für diesen<lb/> Tagelöhner, jenen Arbeiter. Er sieht die Menschen nicht an der Arbeit, sieht<lb/> ihnen nicht Auge in Auge, sieht nicht die Entwicklung der Werte noch der<lb/> schaffenden Menschen; er übt sein Urteil, seine sittlichen Kräfte nicht inmitten<lb/> des persönlichen Ringens, sondern über ihm stehend. Sein Blick wird sozusagen<lb/> leicht übersichtig, wie derjenige des Landmannes leicht kurzsichtig. Er bemerkt<lb/> bald überall den Geldwert und wird unempfänglich für die realen Bedingungen<lb/> des Lebens, für die Wechselbeziehungen von Mensch zu Mensch, von dem Be¬<lb/> wohner zum Lande, zum Volke. Er berechnet alles mit dem Verstände und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.
weniger auf das Bedürfnis des Einzelnen als der Menge geachtet wird. Je
bedeutender der Handel ist, umso bedeutungsloser werden für den Kaufmann
der einzelne Produzent und Konsument, desto unwichtiger auch der Ort des
Geschäfts, die Stadt, das Land, auch das Volk, mit dem man handelt. Es
verschwinden mehr und mehr die realen Faktoren, und an ihre Stelle treten
Preisnotirungcu, ideale Spekulation, Werte. An der Börse steigt und fällt für
den Großhändler der Ertrag seiner Arbeit, ohne daß er in irgendeiner Be¬
ziehung stünde zu den Personen, von denen Angebot und Nachfrage ausgehen.
Aber noch besteht seine Beziehung zu der realen Waare, zu seinen Lagereicn,
seinen Kommis, seinen Agenten. Diese fesseln ihn in gewissem Maße doch an
den Boden, an seine natürlichen Kräfte, an das Volk, den Staat. Auch das
verschwindet für den Papier-Kapitalisten und den Banker.
Das Geld, sagt man, ist nicht mehr Wert, sondern nur Wertzeichen. Und
allerdings.ist seine Bedeutung eine vorwiegend ideale. Es stellt dar seine von
einer großen Menge von Menschen ausgehende Anerkennung als eines Wert¬
maßes für ihren realen Besitz und ihre reale Arbeit. Dem entsprechend enthält
das mobile Kapital nur die Möglichkeit, die Fähigkeit des Erwerbes von realem
Besitz, ist aber selbst nicht realer Besitz. Denn das Wertpnpier ist selbst wieder
nur Wertzeichen für ein andres Wertzeichen, das Geld. Der Papierkapitalist
besitzt nichts als die Möglichkeit, wirklichen Wertbesitz zu kaufen. Da er keinen
realen Besitz hat, so produzirt er much nicht reale Werte. Das Papierkapital
steigt oder fällt seiner Natur nach mit dem Wechsel der Anerkennung, die man
seiner Kaufkraft, dem Wertzeichen, zuwendet. Die Arbeit des Geldbesitzers be¬
steht hauptsächlich in dem Umsetzen von Wertzeichen, die des Geldspeknlanten
in demi Abwägen und Benutzen der dem Gelde von der Menge der Menschen
gewährten Anerkennung als Wertzeichen. Die öffentliche Meinung wird also
hauptsächlich zur bestimmenden Macht für den Geldspekulante».
Dem Banker ist der Einzelne nichts, die öffentliche Meinung alles. Auch
ein Rothschild hat für ihn nur soweit Bedeutung, als er die öffentliche Meinung
zu lenken vermag. Er hat es mit keinem Individuum zu thun, mit keinem
einzelnen Arbeitsgebiet; die Welt der realen Dinge und Menschen liegt ihm
fern in Absicht auf ihre tägliche Mühe und Sorge. Er ist keinem Prinzipal,
keinem Gutsherrn verpflichtet, noch trägt er die Verantwortung für diesen
Tagelöhner, jenen Arbeiter. Er sieht die Menschen nicht an der Arbeit, sieht
ihnen nicht Auge in Auge, sieht nicht die Entwicklung der Werte noch der
schaffenden Menschen; er übt sein Urteil, seine sittlichen Kräfte nicht inmitten
des persönlichen Ringens, sondern über ihm stehend. Sein Blick wird sozusagen
leicht übersichtig, wie derjenige des Landmannes leicht kurzsichtig. Er bemerkt
bald überall den Geldwert und wird unempfänglich für die realen Bedingungen
des Lebens, für die Wechselbeziehungen von Mensch zu Mensch, von dem Be¬
wohner zum Lande, zum Volke. Er berechnet alles mit dem Verstände und
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