Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. alles im Staate vom Gesichtspunkte des Geldwertes und des Geldgewinnes an. Der Gutsbesitzer muß freilich rechnen können. Aber er muß außerdem Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. alles im Staate vom Gesichtspunkte des Geldwertes und des Geldgewinnes an. Der Gutsbesitzer muß freilich rechnen können. Aber er muß außerdem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157483"/> <fw type="header" place="top"> Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1956" prev="#ID_1955"> alles im Staate vom Gesichtspunkte des Geldwertes und des Geldgewinnes an.<lb/> Er mag der gescheiteste Mann, der beste Patriot sein: seine Anschauungsweise<lb/> wird durch seine Arbeit, sein Geschäft bestimmt werden, sogut wie die des Acker¬<lb/> bauers durch das seine. Er kommt leichter als andre dazu, alle Dinge nach<lb/> Mark und Pfennig zu schätzen. Ich rede nicht vom Jobber. Aber wessen<lb/> Hauptkraft vermöge seiner Anlage und seines Berufes das Rechnen, das richtige<lb/> Rechnen mit Mark geworden ist, der wird unwillkürlich etwas unter die<lb/> Herrschaft der Zahlen geraten. Er gewöhnt sich daran, die Dinge auf ihren<lb/> Nutze» in Geld, auf ihre Bedeutung auf dem Geldmärkte hin anzusehen. Er<lb/> sagt sich stets, daß er mit seiner Million an französischer Rente zu jeder Zeit<lb/> diese Fabrik, jenes Rittergut kaufen könne; Rente und Rittergut werden gegen¬<lb/> einander abgewogen, je nach dem Zins, den das eine und andre verspricht, und<lb/> Rente und Rittergut gewinnen allmählich für ihn einerlei Ansehen, es ist immer<lb/> nur derselbe Gegenstand mit der Eigenschaft, Zinsen zu tragen. Und zwar<lb/> Zinsen, die einfach durch richtiges Rechnen, genaue Buchführung, sichere Be¬<lb/> nutzung der Marktverhältnisse einfließen. So leicht Ackerbauer sich als Börsen¬<lb/> spekulanten zu gründe richten, so leicht werden Börsenmänner bankerott, weil<lb/> sie glauben, als Gutsbesitzer mit derselben Rechenkunst durchzukommen, die sie<lb/> an der Börse reich gemacht hatte. Börsenmann und Ackerbauer sind eben in<lb/> diesem Verstände Gegensätze.</p><lb/> <p xml:id="ID_1957" next="#ID_1958"> Der Gutsbesitzer muß freilich rechnen können. Aber er muß außerdem<lb/> überall Natur und Menschen praktisch behandeln können; er hat täglich Dinge<lb/> zu verrichten, anzuordnen, zu schlichten, die sich nicht addiren noch dividiren<lb/> lassen. Er kaun nicht im Zimmer sitzen und bloß Buch führen; er steht täglich<lb/> im Kampfe mit Natur und Menschen, steht täglich Aufgaben gegenüber, die weder<lb/> durch Rechnen noch Geistesspekulation gelöst werden können, sondern nur durch<lb/> praktische Erfahrung, durch Gefühl, praktischen Instinkt. Der Landwirt kann<lb/> völlig unfähig sein zu weitem, abstraktem Denken, und doch ein vortrefflicher<lb/> Ackerbauer; ihm mag die große Welt draußen, die allgemeinen Verhältnisse von<lb/> Staat, Volkswirtschaft, von internationalen Beziehungen, von Geldverkehr ein<lb/> verschlossenes Buch sein, und er mag dennoch sein Gut vortrefflich bewirtschaften,<lb/> seine Untergebenen vortrefflich leiten, seine Einkünfte mehren und verwalten.<lb/> Der Landwirt steht vor allem in engen persönlichen Verhältnissen, hat in erster<lb/> Reihe mit einzelnen Menschen und Dingen zu thun, mit diesem Manne, diesem<lb/> Arbeiter, Kaufmann, Fabrikanten, mit diesem Scheffel Korn, diesem Pfund<lb/> Butter, mit diesem bestimmten nahen Absatzort. Stets ist er auf seine persönliche<lb/> Kraft angewiesen, und nicht bloß im Geldrechnen, sondern auf seine körperliche<lb/> Kraft, seine Kenntnis in Ackerbau, Viehwirtschaft, Forstwesen, auf seine sittliche<lb/> Kraft gegenüber Untergebenen und Nachbarn, gegenüber dem so mannichfaltigen<lb/> Kreise der ihn umgebenden Gesellschaft. Und dieser Kreis, zu dem seine Arbeit<lb/> ihn fortwährend in Beziehung setzt, besteht aus Leuten aller Berufsarten; der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0558]
Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.
alles im Staate vom Gesichtspunkte des Geldwertes und des Geldgewinnes an.
Er mag der gescheiteste Mann, der beste Patriot sein: seine Anschauungsweise
wird durch seine Arbeit, sein Geschäft bestimmt werden, sogut wie die des Acker¬
bauers durch das seine. Er kommt leichter als andre dazu, alle Dinge nach
Mark und Pfennig zu schätzen. Ich rede nicht vom Jobber. Aber wessen
Hauptkraft vermöge seiner Anlage und seines Berufes das Rechnen, das richtige
Rechnen mit Mark geworden ist, der wird unwillkürlich etwas unter die
Herrschaft der Zahlen geraten. Er gewöhnt sich daran, die Dinge auf ihren
Nutze» in Geld, auf ihre Bedeutung auf dem Geldmärkte hin anzusehen. Er
sagt sich stets, daß er mit seiner Million an französischer Rente zu jeder Zeit
diese Fabrik, jenes Rittergut kaufen könne; Rente und Rittergut werden gegen¬
einander abgewogen, je nach dem Zins, den das eine und andre verspricht, und
Rente und Rittergut gewinnen allmählich für ihn einerlei Ansehen, es ist immer
nur derselbe Gegenstand mit der Eigenschaft, Zinsen zu tragen. Und zwar
Zinsen, die einfach durch richtiges Rechnen, genaue Buchführung, sichere Be¬
nutzung der Marktverhältnisse einfließen. So leicht Ackerbauer sich als Börsen¬
spekulanten zu gründe richten, so leicht werden Börsenmänner bankerott, weil
sie glauben, als Gutsbesitzer mit derselben Rechenkunst durchzukommen, die sie
an der Börse reich gemacht hatte. Börsenmann und Ackerbauer sind eben in
diesem Verstände Gegensätze.
Der Gutsbesitzer muß freilich rechnen können. Aber er muß außerdem
überall Natur und Menschen praktisch behandeln können; er hat täglich Dinge
zu verrichten, anzuordnen, zu schlichten, die sich nicht addiren noch dividiren
lassen. Er kaun nicht im Zimmer sitzen und bloß Buch führen; er steht täglich
im Kampfe mit Natur und Menschen, steht täglich Aufgaben gegenüber, die weder
durch Rechnen noch Geistesspekulation gelöst werden können, sondern nur durch
praktische Erfahrung, durch Gefühl, praktischen Instinkt. Der Landwirt kann
völlig unfähig sein zu weitem, abstraktem Denken, und doch ein vortrefflicher
Ackerbauer; ihm mag die große Welt draußen, die allgemeinen Verhältnisse von
Staat, Volkswirtschaft, von internationalen Beziehungen, von Geldverkehr ein
verschlossenes Buch sein, und er mag dennoch sein Gut vortrefflich bewirtschaften,
seine Untergebenen vortrefflich leiten, seine Einkünfte mehren und verwalten.
Der Landwirt steht vor allem in engen persönlichen Verhältnissen, hat in erster
Reihe mit einzelnen Menschen und Dingen zu thun, mit diesem Manne, diesem
Arbeiter, Kaufmann, Fabrikanten, mit diesem Scheffel Korn, diesem Pfund
Butter, mit diesem bestimmten nahen Absatzort. Stets ist er auf seine persönliche
Kraft angewiesen, und nicht bloß im Geldrechnen, sondern auf seine körperliche
Kraft, seine Kenntnis in Ackerbau, Viehwirtschaft, Forstwesen, auf seine sittliche
Kraft gegenüber Untergebenen und Nachbarn, gegenüber dem so mannichfaltigen
Kreise der ihn umgebenden Gesellschaft. Und dieser Kreis, zu dem seine Arbeit
ihn fortwährend in Beziehung setzt, besteht aus Leuten aller Berufsarten; der
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