Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Volk und Staat, Denn das Landstück gehört nicht nur diesem Besitzer, es ist Und doch war dieses Papier so schön in Zahlen zu fassen, so klar zu Hat sich in einem Lande das mobile Kapital, erst zu einer eignen, selbst¬ Volk und Staat, Denn das Landstück gehört nicht nur diesem Besitzer, es ist Und doch war dieses Papier so schön in Zahlen zu fassen, so klar zu Hat sich in einem Lande das mobile Kapital, erst zu einer eignen, selbst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157482"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1953" prev="#ID_1952"> Volk und Staat, Denn das Landstück gehört nicht nur diesem Besitzer, es ist<lb/> zugleich ein Teil der Erbschaft, die wir als Volk von unsern Voreltern über¬<lb/> kommen haben, es ist untrennbar mit uns verbunden, es gehört zu uns wie<lb/> wir, das Volk, zu ihm, zum heimatlichen Boden; es soll uns bleiben für alle<lb/> Zukunft, und auch die Krone Ertrages, die es abwirft, soll bleiben und ist ein<lb/> dauernder Quell unsrer Nahrung. Wer das Landstück urbar machte, arbeitete<lb/> zunächst wohl für sich, aber die Krone Ertrag, die er erarbeitete, kommt fortan<lb/> dem ganzen Volke mit zu Gute. Was aber nützt dem Volke der Koupon eines<lb/> französischen Papieres, der in Berlin abgeschnitten wird? Doch wohl nur gerade<lb/> soviel als dieser Koupon, heute geschnitten, heute in Gold wert ist, indem er<lb/> etwa ausgegeben wird für ein Erzeugnis deutscher Arbeit. Vielleicht aber geht<lb/> er drauf für eine Flasche französischen Weines, oder sür eine Rechnung, die<lb/> in London zu bezahlen war: dann kam die Krone von dort und ging<lb/> dorthin — für Deutschland mochte sie auch gleich draußen geblieben sein. Und<lb/> das Papier, von dem der Koupon geschnitten war, das Kapital? Nun, es<lb/> bildet heute vielleicht einen Teil des nationalen Reichtums, es trägt seine<lb/> Steuer, es kann unsre Produktionskraft fördern. Aber morgen kann es davon¬<lb/> fliegen, nach Paris, London oder sonst wohin, und hinterläßt keine Spur von<lb/> sich in Deutschland. Es hieß bis heute mobiles Kapital, galt als Teil des<lb/> Nationalvermögens, es stellte sich stolz neben jenes Landstück und forderte<lb/> gleiches Recht, ja es errang sich besseres Recht als das Landstück, entzog sich<lb/> wohl auch gelegentlich der Besteuerung: und plötzlich ist es fort, ohne daß<lb/> jemand es merkt, bis die Nation einmal empfindet, wie treulos dieses mobile<lb/> Kapital doch ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1954"> Und doch war dieses Papier so schön in Zahlen zu fassen, so klar zu<lb/> berechnen; doch konnte man so genau die Millionen herzählen, ans denen der<lb/> Wohlstand der Nation bestehe, von deren Fruchtbarkeit der Wohlstand derselben<lb/> in Zukunft abhängen werde. Kein andrer Besitz.hat diese Klarheit, Einfachheit,<lb/> diese Fähigkeit, sich rasch und unmittelbar geltend zu machen, wie das Papier.<lb/> Eben seine Beweglichkeit macht es so thatkräftig, verleiht ihm die Möglichkeit,<lb/> bald hierhin, bald dorthin sich zu wenden, überall auf dem Platze zu sein, zuerst<lb/> und in voller Kraft, während der Grundbesitz, an die Scholle gekettet, schwer¬<lb/> fällig der wirtschaftlichen Bewegung nachgeht. Das mobile Kapital konzentrirt<lb/> sich, verbindet sich leicht und handelt, wo es ihm vorteilhaft ist, mit geeinter<lb/> Kraft; es sammelt sich an den wirtschaftlichen oder politischen Vororten, es übt<lb/> von dort leicht Einfluß auf Politik und Wirtschaft aus; es erscheint durch seine<lb/> Geschmeidigkeit stärker, als es in Wirklichkeit ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1955" next="#ID_1956"> Hat sich in einem Lande das mobile Kapital, erst zu einer eignen, selbst¬<lb/> bewußten Bedeutung angesammelt, so verfolgt es natürlich gleich jeder andern<lb/> Macht die Politik seiner Interessen. Es will herrschen, will seine Bedeutung<lb/> über diejenige der übrigen Volkskräfte erheben. Der Banker sieht nur zu leicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Volk und Staat, Denn das Landstück gehört nicht nur diesem Besitzer, es ist
zugleich ein Teil der Erbschaft, die wir als Volk von unsern Voreltern über¬
kommen haben, es ist untrennbar mit uns verbunden, es gehört zu uns wie
wir, das Volk, zu ihm, zum heimatlichen Boden; es soll uns bleiben für alle
Zukunft, und auch die Krone Ertrages, die es abwirft, soll bleiben und ist ein
dauernder Quell unsrer Nahrung. Wer das Landstück urbar machte, arbeitete
zunächst wohl für sich, aber die Krone Ertrag, die er erarbeitete, kommt fortan
dem ganzen Volke mit zu Gute. Was aber nützt dem Volke der Koupon eines
französischen Papieres, der in Berlin abgeschnitten wird? Doch wohl nur gerade
soviel als dieser Koupon, heute geschnitten, heute in Gold wert ist, indem er
etwa ausgegeben wird für ein Erzeugnis deutscher Arbeit. Vielleicht aber geht
er drauf für eine Flasche französischen Weines, oder sür eine Rechnung, die
in London zu bezahlen war: dann kam die Krone von dort und ging
dorthin — für Deutschland mochte sie auch gleich draußen geblieben sein. Und
das Papier, von dem der Koupon geschnitten war, das Kapital? Nun, es
bildet heute vielleicht einen Teil des nationalen Reichtums, es trägt seine
Steuer, es kann unsre Produktionskraft fördern. Aber morgen kann es davon¬
fliegen, nach Paris, London oder sonst wohin, und hinterläßt keine Spur von
sich in Deutschland. Es hieß bis heute mobiles Kapital, galt als Teil des
Nationalvermögens, es stellte sich stolz neben jenes Landstück und forderte
gleiches Recht, ja es errang sich besseres Recht als das Landstück, entzog sich
wohl auch gelegentlich der Besteuerung: und plötzlich ist es fort, ohne daß
jemand es merkt, bis die Nation einmal empfindet, wie treulos dieses mobile
Kapital doch ist.
Und doch war dieses Papier so schön in Zahlen zu fassen, so klar zu
berechnen; doch konnte man so genau die Millionen herzählen, ans denen der
Wohlstand der Nation bestehe, von deren Fruchtbarkeit der Wohlstand derselben
in Zukunft abhängen werde. Kein andrer Besitz.hat diese Klarheit, Einfachheit,
diese Fähigkeit, sich rasch und unmittelbar geltend zu machen, wie das Papier.
Eben seine Beweglichkeit macht es so thatkräftig, verleiht ihm die Möglichkeit,
bald hierhin, bald dorthin sich zu wenden, überall auf dem Platze zu sein, zuerst
und in voller Kraft, während der Grundbesitz, an die Scholle gekettet, schwer¬
fällig der wirtschaftlichen Bewegung nachgeht. Das mobile Kapital konzentrirt
sich, verbindet sich leicht und handelt, wo es ihm vorteilhaft ist, mit geeinter
Kraft; es sammelt sich an den wirtschaftlichen oder politischen Vororten, es übt
von dort leicht Einfluß auf Politik und Wirtschaft aus; es erscheint durch seine
Geschmeidigkeit stärker, als es in Wirklichkeit ist.
Hat sich in einem Lande das mobile Kapital, erst zu einer eignen, selbst¬
bewußten Bedeutung angesammelt, so verfolgt es natürlich gleich jeder andern
Macht die Politik seiner Interessen. Es will herrschen, will seine Bedeutung
über diejenige der übrigen Volkskräfte erheben. Der Banker sieht nur zu leicht
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