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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle.
Neunzehntes Blatt.
Felix Lippoldes' erste durchschlagende Tragödie.

Höre mal, Ebert, meinte Emmy, es ist ein wahres Glück, daß ich meinen
Freund, den Doktor Asche, so sehr genan kenne. Im Grunde hast du doch
während unsers hiesigen Aufenthaltes dein "Unmöglichstes gethan, ihn mir recht
zuwider zu machen mit seinen ewigen gräßlichen Redensarten und alledem,
was ihr Männer unter euch und auch nur viel zu viel gegen uns arme, weiche
Seelen eure Philosophieen zu nennen pflegt. Na, an einer guten Vorschule
hat es mir freilich gottlob ja auch nicht gefehlt: Papa in Berlin ist in dieser
Hinsicht das Seinige vollkommen wert. >

Kind, wir leben eben in einer Welt, in der ein jeglicher bei weitem mehr
auf die Schwächen, Untugenden und Laster des andern angewiesen ist als auf
seine Tugenden. Und bedenke, was konnte es für einen fahrigen, unerfahrenen
jungen Menschen, der demnächst aus innigstem Herzensgrunde die intimste Be¬
kanntschaft deines Papas zu machen wünschen sollte, außerdem wünschenswertes
geben, als einen Patron zur Seite zu haben, der ihn so eines andern lieben
Mädchens wegen (denn darauf lief es doch hinaus) zu der letzten Weihnachts¬
feier in Pfisters Mühle abholte?

Da magst du Recht haben, sagte Frau Emmy Pfister nach einem längern
Nachdenken, und ich -- fahre fort, wie ich angefangen habe, und wie mich
diese guten Sommertage, so zwischen Traum und Wachen, zwischen Gegenwart
und Vergangenheit gleich leise schaukelnden Wellen getragen haben bis an das
Ende meiner Schulferien und den Beschluß der Geschichte von Psisters Mühle
-- und so gehe ich noch einmal unsern kleinen Fluß aufwärts den Weg nach
Krickerode, und zwar mit meinem frühern Lehrmeister und jetzigen Freunde A. A.
Asche. --

Meinen Vater fanden wir kränkelnd, kümmerlich, apathisch trotz Niechci
und Riecheis vollständigem Siege in Sachen Vater Pfister ovQtrg. Krickerode.
Vielleicht auch gerade darum. Es ist schon recht viel auf der Erde, wenn
der Mensch für einen zu spät kommenden Triumph noch ein sauersüßes Lächeln
übrig behalten hat.

Jawohl, wie es beliebt, wenn es dir Vergnügen macht, ziehe wieder in
den Oberstock, Adam, sagte mein Vater, mit einemmale seinen Schützling wieder
mit dem vertraulichen Du aus den Kinderjahren desselben beehrend. Aber
mit der Weihnachtsfeier wird es wohl wenig werden. Wenn der Mensch seinen
Knick und Knax weg hat, soll er keine Vergnügenskvmödie spielen, wenn er's
nicht absolut nötig hat.

So wohnten wir, der angehende Kapitalist und der Student der Schul¬
weisheit dieser Erde, noch einmal beim ersten Schneefall in Pfisters Mühle;
jeder in seiner Weise an den Bildern dieser Welt weitermalend. Was Adam


Pfisters Mühle.
Neunzehntes Blatt.
Felix Lippoldes' erste durchschlagende Tragödie.

Höre mal, Ebert, meinte Emmy, es ist ein wahres Glück, daß ich meinen
Freund, den Doktor Asche, so sehr genan kenne. Im Grunde hast du doch
während unsers hiesigen Aufenthaltes dein «Unmöglichstes gethan, ihn mir recht
zuwider zu machen mit seinen ewigen gräßlichen Redensarten und alledem,
was ihr Männer unter euch und auch nur viel zu viel gegen uns arme, weiche
Seelen eure Philosophieen zu nennen pflegt. Na, an einer guten Vorschule
hat es mir freilich gottlob ja auch nicht gefehlt: Papa in Berlin ist in dieser
Hinsicht das Seinige vollkommen wert. >

Kind, wir leben eben in einer Welt, in der ein jeglicher bei weitem mehr
auf die Schwächen, Untugenden und Laster des andern angewiesen ist als auf
seine Tugenden. Und bedenke, was konnte es für einen fahrigen, unerfahrenen
jungen Menschen, der demnächst aus innigstem Herzensgrunde die intimste Be¬
kanntschaft deines Papas zu machen wünschen sollte, außerdem wünschenswertes
geben, als einen Patron zur Seite zu haben, der ihn so eines andern lieben
Mädchens wegen (denn darauf lief es doch hinaus) zu der letzten Weihnachts¬
feier in Pfisters Mühle abholte?

Da magst du Recht haben, sagte Frau Emmy Pfister nach einem längern
Nachdenken, und ich — fahre fort, wie ich angefangen habe, und wie mich
diese guten Sommertage, so zwischen Traum und Wachen, zwischen Gegenwart
und Vergangenheit gleich leise schaukelnden Wellen getragen haben bis an das
Ende meiner Schulferien und den Beschluß der Geschichte von Psisters Mühle
— und so gehe ich noch einmal unsern kleinen Fluß aufwärts den Weg nach
Krickerode, und zwar mit meinem frühern Lehrmeister und jetzigen Freunde A. A.
Asche. —

Meinen Vater fanden wir kränkelnd, kümmerlich, apathisch trotz Niechci
und Riecheis vollständigem Siege in Sachen Vater Pfister ovQtrg. Krickerode.
Vielleicht auch gerade darum. Es ist schon recht viel auf der Erde, wenn
der Mensch für einen zu spät kommenden Triumph noch ein sauersüßes Lächeln
übrig behalten hat.

Jawohl, wie es beliebt, wenn es dir Vergnügen macht, ziehe wieder in
den Oberstock, Adam, sagte mein Vater, mit einemmale seinen Schützling wieder
mit dem vertraulichen Du aus den Kinderjahren desselben beehrend. Aber
mit der Weihnachtsfeier wird es wohl wenig werden. Wenn der Mensch seinen
Knick und Knax weg hat, soll er keine Vergnügenskvmödie spielen, wenn er's
nicht absolut nötig hat.

So wohnten wir, der angehende Kapitalist und der Student der Schul¬
weisheit dieser Erde, noch einmal beim ersten Schneefall in Pfisters Mühle;
jeder in seiner Weise an den Bildern dieser Welt weitermalend. Was Adam


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[0548] Pfisters Mühle. Neunzehntes Blatt. Felix Lippoldes' erste durchschlagende Tragödie. Höre mal, Ebert, meinte Emmy, es ist ein wahres Glück, daß ich meinen Freund, den Doktor Asche, so sehr genan kenne. Im Grunde hast du doch während unsers hiesigen Aufenthaltes dein «Unmöglichstes gethan, ihn mir recht zuwider zu machen mit seinen ewigen gräßlichen Redensarten und alledem, was ihr Männer unter euch und auch nur viel zu viel gegen uns arme, weiche Seelen eure Philosophieen zu nennen pflegt. Na, an einer guten Vorschule hat es mir freilich gottlob ja auch nicht gefehlt: Papa in Berlin ist in dieser Hinsicht das Seinige vollkommen wert. > Kind, wir leben eben in einer Welt, in der ein jeglicher bei weitem mehr auf die Schwächen, Untugenden und Laster des andern angewiesen ist als auf seine Tugenden. Und bedenke, was konnte es für einen fahrigen, unerfahrenen jungen Menschen, der demnächst aus innigstem Herzensgrunde die intimste Be¬ kanntschaft deines Papas zu machen wünschen sollte, außerdem wünschenswertes geben, als einen Patron zur Seite zu haben, der ihn so eines andern lieben Mädchens wegen (denn darauf lief es doch hinaus) zu der letzten Weihnachts¬ feier in Pfisters Mühle abholte? Da magst du Recht haben, sagte Frau Emmy Pfister nach einem längern Nachdenken, und ich — fahre fort, wie ich angefangen habe, und wie mich diese guten Sommertage, so zwischen Traum und Wachen, zwischen Gegenwart und Vergangenheit gleich leise schaukelnden Wellen getragen haben bis an das Ende meiner Schulferien und den Beschluß der Geschichte von Psisters Mühle — und so gehe ich noch einmal unsern kleinen Fluß aufwärts den Weg nach Krickerode, und zwar mit meinem frühern Lehrmeister und jetzigen Freunde A. A. Asche. — Meinen Vater fanden wir kränkelnd, kümmerlich, apathisch trotz Niechci und Riecheis vollständigem Siege in Sachen Vater Pfister ovQtrg. Krickerode. Vielleicht auch gerade darum. Es ist schon recht viel auf der Erde, wenn der Mensch für einen zu spät kommenden Triumph noch ein sauersüßes Lächeln übrig behalten hat. Jawohl, wie es beliebt, wenn es dir Vergnügen macht, ziehe wieder in den Oberstock, Adam, sagte mein Vater, mit einemmale seinen Schützling wieder mit dem vertraulichen Du aus den Kinderjahren desselben beehrend. Aber mit der Weihnachtsfeier wird es wohl wenig werden. Wenn der Mensch seinen Knick und Knax weg hat, soll er keine Vergnügenskvmödie spielen, wenn er's nicht absolut nötig hat. So wohnten wir, der angehende Kapitalist und der Student der Schul¬ weisheit dieser Erde, noch einmal beim ersten Schneefall in Pfisters Mühle; jeder in seiner Weise an den Bildern dieser Welt weitermalend. Was Adam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/548>, abgerufen am 29.12.2024.