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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Hochzeit des Mönchs.

sich mit der jungfräulichen Witwe des Bruders zu verloben. Mit Gewalt
ringt er dem Widerstrebenden, der nur die Seele des Vaters retten will, das
Versprechen ab, dem Kloster zu entsagen, und stirbt, nachdem die Hände Astorres
und Dianas ineinandergefügt sind. Diana zieht sich in den Palast ihres Vaters
zurück, Astorre, der sich plötzlich als Herr des Hauses Vicedomini sieht, läßt
sich weltliches Gewand reichen und versucht, sich in der neuen, nie zuvor ge-
träumten Situation zurechtzufinden. Nur wenige Tage vergehen, da beginnt
die Lust am Leben in ihm zu erwachen, und zu gleicher Zeit überkommt ihn
der Zweifel, ob er in Diana Pizzaguerra die rechte Gattin gefunden habe.
Und zu unglücklicher Stunde, während er mit seinem Freunde Ascanio die
Äußerlichkeiten seiner Vermählung ordnet oder vielmehr dieselben von Ascanio
ordnen läßt, wird in Astorres Seele eine Erinnerung wachgerufen. Er hat
einige Jahre zuvor als geistlicher Tröster die letzte Stunde des Grafen Ca-
nossa geteilt, den Ezzelins Argwohn und Tyrannei zum Richtblock verdammte,
und hat bei dieser Gelegenheit die junge Tochter des Unglücklichen erblickt,
welche umsonst ihr Haupt für den Vater darbot. Der entkuttete Mönch geht
aus, auf der Brentabrücke bei einem Florentiner Goldschmied den Ring zu
kaufen, dessen er zur Vermählung bedarf, hält zwei Ringe in seiner Hand und
läßt, während die germanische Leibwache Ezzelins über die Brücke reitet, einen der
Ringe fallen, der von einer Zofe aufgerafft und im kindlichen Spiel ihrer jugend¬
lichen Herrin an den vierten Finger der linken Hand gesteckt wird. Da tritt Astorre
hinzu und erkennt in dem jungen Mädchen das Kind wieder, dessen zartes Haupt
er auf dem Blocke gesehen hatte. Es ist Antiope Canossa, deren thörichte Mutter
sofort an den denkwürdigen Zufall die ausschweifendsten Hoffnungen knüpft. Und
als nun vom Haushofmeister der Vicedomini die Gräfinnen Canossa für den
gleichen Abend zu den Sposalizien Astorres geladen werden, da hält sich die Mutter
vollends überzeugt, daß der seitherige Mönch ihr Kind wählen müsse. Sobald
daher Astorre in die Mitte seiner Gäste tritt und in wohlgesctzter Rede den
ernsten Entschluß verkündet, der Hinterlassenen seines Bruders die Hand zu
reichen, bricht die Halbwahnsinnige erbittert gegen ihn los und führt eine Szene
herbei, in der die gereizte Diana die jugendliche Antiope ins Angesicht schlägt
und in deren Folge die ganze Gesellschaft bestürzt auseinandergeht. In der
Erregung dieses Augenblicks kommt es dem Vicedomini vollends zum Bewußt¬
sein, daß ihn eine heiße Leidenschaft für Antiope ergriffen hat. Noch hat er
Selbstbeherrschung, Erkenntnis seiner Lage und der ehernen Gesetze der Welt
genug, daß er sich den Forderungen seiner Freunde beugt. Ascanio, der Neffe
des Tyrannen, schreckt ihn aus seinem Liebestraum unsanft empor, sein Schwager
Germano aber erklärt, durch seine eigne rasche Werbung um die Hand Antiopes
der durch seine Schwester Diana schwer verletzten Genugthuung geben zu
wollen. Willenlos begleitet Astorre den zuversichtlichen Germano zum Palast
Canossa, wo der Kriegsmann Ezzelins seinen Spruch ungeschickt genug aussagt


Die Hochzeit des Mönchs.

sich mit der jungfräulichen Witwe des Bruders zu verloben. Mit Gewalt
ringt er dem Widerstrebenden, der nur die Seele des Vaters retten will, das
Versprechen ab, dem Kloster zu entsagen, und stirbt, nachdem die Hände Astorres
und Dianas ineinandergefügt sind. Diana zieht sich in den Palast ihres Vaters
zurück, Astorre, der sich plötzlich als Herr des Hauses Vicedomini sieht, läßt
sich weltliches Gewand reichen und versucht, sich in der neuen, nie zuvor ge-
träumten Situation zurechtzufinden. Nur wenige Tage vergehen, da beginnt
die Lust am Leben in ihm zu erwachen, und zu gleicher Zeit überkommt ihn
der Zweifel, ob er in Diana Pizzaguerra die rechte Gattin gefunden habe.
Und zu unglücklicher Stunde, während er mit seinem Freunde Ascanio die
Äußerlichkeiten seiner Vermählung ordnet oder vielmehr dieselben von Ascanio
ordnen läßt, wird in Astorres Seele eine Erinnerung wachgerufen. Er hat
einige Jahre zuvor als geistlicher Tröster die letzte Stunde des Grafen Ca-
nossa geteilt, den Ezzelins Argwohn und Tyrannei zum Richtblock verdammte,
und hat bei dieser Gelegenheit die junge Tochter des Unglücklichen erblickt,
welche umsonst ihr Haupt für den Vater darbot. Der entkuttete Mönch geht
aus, auf der Brentabrücke bei einem Florentiner Goldschmied den Ring zu
kaufen, dessen er zur Vermählung bedarf, hält zwei Ringe in seiner Hand und
läßt, während die germanische Leibwache Ezzelins über die Brücke reitet, einen der
Ringe fallen, der von einer Zofe aufgerafft und im kindlichen Spiel ihrer jugend¬
lichen Herrin an den vierten Finger der linken Hand gesteckt wird. Da tritt Astorre
hinzu und erkennt in dem jungen Mädchen das Kind wieder, dessen zartes Haupt
er auf dem Blocke gesehen hatte. Es ist Antiope Canossa, deren thörichte Mutter
sofort an den denkwürdigen Zufall die ausschweifendsten Hoffnungen knüpft. Und
als nun vom Haushofmeister der Vicedomini die Gräfinnen Canossa für den
gleichen Abend zu den Sposalizien Astorres geladen werden, da hält sich die Mutter
vollends überzeugt, daß der seitherige Mönch ihr Kind wählen müsse. Sobald
daher Astorre in die Mitte seiner Gäste tritt und in wohlgesctzter Rede den
ernsten Entschluß verkündet, der Hinterlassenen seines Bruders die Hand zu
reichen, bricht die Halbwahnsinnige erbittert gegen ihn los und führt eine Szene
herbei, in der die gereizte Diana die jugendliche Antiope ins Angesicht schlägt
und in deren Folge die ganze Gesellschaft bestürzt auseinandergeht. In der
Erregung dieses Augenblicks kommt es dem Vicedomini vollends zum Bewußt¬
sein, daß ihn eine heiße Leidenschaft für Antiope ergriffen hat. Noch hat er
Selbstbeherrschung, Erkenntnis seiner Lage und der ehernen Gesetze der Welt
genug, daß er sich den Forderungen seiner Freunde beugt. Ascanio, der Neffe
des Tyrannen, schreckt ihn aus seinem Liebestraum unsanft empor, sein Schwager
Germano aber erklärt, durch seine eigne rasche Werbung um die Hand Antiopes
der durch seine Schwester Diana schwer verletzten Genugthuung geben zu
wollen. Willenlos begleitet Astorre den zuversichtlichen Germano zum Palast
Canossa, wo der Kriegsmann Ezzelins seinen Spruch ungeschickt genug aussagt


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[0430] Die Hochzeit des Mönchs. sich mit der jungfräulichen Witwe des Bruders zu verloben. Mit Gewalt ringt er dem Widerstrebenden, der nur die Seele des Vaters retten will, das Versprechen ab, dem Kloster zu entsagen, und stirbt, nachdem die Hände Astorres und Dianas ineinandergefügt sind. Diana zieht sich in den Palast ihres Vaters zurück, Astorre, der sich plötzlich als Herr des Hauses Vicedomini sieht, läßt sich weltliches Gewand reichen und versucht, sich in der neuen, nie zuvor ge- träumten Situation zurechtzufinden. Nur wenige Tage vergehen, da beginnt die Lust am Leben in ihm zu erwachen, und zu gleicher Zeit überkommt ihn der Zweifel, ob er in Diana Pizzaguerra die rechte Gattin gefunden habe. Und zu unglücklicher Stunde, während er mit seinem Freunde Ascanio die Äußerlichkeiten seiner Vermählung ordnet oder vielmehr dieselben von Ascanio ordnen läßt, wird in Astorres Seele eine Erinnerung wachgerufen. Er hat einige Jahre zuvor als geistlicher Tröster die letzte Stunde des Grafen Ca- nossa geteilt, den Ezzelins Argwohn und Tyrannei zum Richtblock verdammte, und hat bei dieser Gelegenheit die junge Tochter des Unglücklichen erblickt, welche umsonst ihr Haupt für den Vater darbot. Der entkuttete Mönch geht aus, auf der Brentabrücke bei einem Florentiner Goldschmied den Ring zu kaufen, dessen er zur Vermählung bedarf, hält zwei Ringe in seiner Hand und läßt, während die germanische Leibwache Ezzelins über die Brücke reitet, einen der Ringe fallen, der von einer Zofe aufgerafft und im kindlichen Spiel ihrer jugend¬ lichen Herrin an den vierten Finger der linken Hand gesteckt wird. Da tritt Astorre hinzu und erkennt in dem jungen Mädchen das Kind wieder, dessen zartes Haupt er auf dem Blocke gesehen hatte. Es ist Antiope Canossa, deren thörichte Mutter sofort an den denkwürdigen Zufall die ausschweifendsten Hoffnungen knüpft. Und als nun vom Haushofmeister der Vicedomini die Gräfinnen Canossa für den gleichen Abend zu den Sposalizien Astorres geladen werden, da hält sich die Mutter vollends überzeugt, daß der seitherige Mönch ihr Kind wählen müsse. Sobald daher Astorre in die Mitte seiner Gäste tritt und in wohlgesctzter Rede den ernsten Entschluß verkündet, der Hinterlassenen seines Bruders die Hand zu reichen, bricht die Halbwahnsinnige erbittert gegen ihn los und führt eine Szene herbei, in der die gereizte Diana die jugendliche Antiope ins Angesicht schlägt und in deren Folge die ganze Gesellschaft bestürzt auseinandergeht. In der Erregung dieses Augenblicks kommt es dem Vicedomini vollends zum Bewußt¬ sein, daß ihn eine heiße Leidenschaft für Antiope ergriffen hat. Noch hat er Selbstbeherrschung, Erkenntnis seiner Lage und der ehernen Gesetze der Welt genug, daß er sich den Forderungen seiner Freunde beugt. Ascanio, der Neffe des Tyrannen, schreckt ihn aus seinem Liebestraum unsanft empor, sein Schwager Germano aber erklärt, durch seine eigne rasche Werbung um die Hand Antiopes der durch seine Schwester Diana schwer verletzten Genugthuung geben zu wollen. Willenlos begleitet Astorre den zuversichtlichen Germano zum Palast Canossa, wo der Kriegsmann Ezzelins seinen Spruch ungeschickt genug aussagt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/430>, abgerufen am 29.12.2024.