Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die Hochzeit des Mönchs, wie wir ihn träumen: ernst, feierlich, herb und gebieterisch; die Diener haben Die Hochzeit des Mönchs, wie wir ihn träumen: ernst, feierlich, herb und gebieterisch; die Diener haben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157354"/> <fw type="header" place="top"> Die Hochzeit des Mönchs,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1475" prev="#ID_1474" next="#ID_1476"> wie wir ihn träumen: ernst, feierlich, herb und gebieterisch; die Diener haben<lb/> vergessen, in seinem Zimmer Feuer anzuzünden, lind er kommt, sich am Herde<lb/> des Cangrande zu wärme». Von allen Seiten bestürmt, an der geselligen<lb/> Unterhaltung teilzunehmen, erzählt er die Geschichte eines entkutteten Mönchs,<lb/> der „nicht aus eignem Triebe, uicht aus erwachter Weltlust oder Weltkraft,<lb/> nicht weil er sein Wesen verkannt hätte, sondern einem andern zuliebe, unter<lb/> dem Drucke eines fremden Willens, wenn auch vielleicht ans heiligen Gründen<lb/> der Pietät, untreu an sich wird, sich selbst mehr noch als der Kirche<lb/> gegebene Gelübde bricht und eine Kutte abwirft, die ihm auf dem Leibe saß<lb/> und nicht drückte." Aus einer Grabschrift, die er vor Jahren bei den<lb/> Franziskanern zu Padua gelesen: „Hier schlummert der Mönch Astorrc<lb/> neben seiner Gattin Antiope, Beide begrub Ezzelin" entwickelt Dante seine<lb/> Novelle, Er führt seine Hörer in die Tage des furchtbaren Ezzelino da<lb/> Romano, des Gewaltherrschers von Padua und Verona, welche für Can¬<lb/> grande und seinen Hof wie für den Erzähler selbst doch nicht viel über ein<lb/> Halbjahrhundert zurückliegen. Aber indem Dante seine Geschichte erzählt, vor<lb/> der Gesellschaft gleichsam erfindet, fügt er derselben dadurch einen neuen<lb/> Reiz hinzu, daß er die Namen und Gesichter der Anwesenden benntzt und<lb/> sie den Gestalten seiner Novelle leiht. Der Mönch, um den es sich handelt,<lb/> ist der Franziskaner Astorre Vicedomini, ans edelm Paduaner Hause, beim<lb/> Beginn der Geschichte im dreißigsten Lebensjahre stehend. Er hat vor und seit<lb/> einem Jahrzehnt seine Gelübde geleistet und mit Hilfe des heiligen Antonius<lb/> auch gehalten. Jetzt entreißt ihn ein verhängnisvolles Unglück seiner Familie<lb/> den stillen Klostermauern. Sein alterer Bruder Umberto Vicedomini, der aus<lb/> erster Ehe drei blühende Söhne besitzt, führt auf Andrängen seines Vaters eine<lb/> zweite Gemahlin, Diana Pizzaguerra, heim. Die hochzeitliche Barke führt auf<lb/> der Brenta dahin, Ezzelin, der gefttrchtete Stadttyrann, grüßt vom Ufer aus<lb/> die Neuvermählten. Im Übereifer, den Gruß zu erwiedern, bringen sie die<lb/> Barke aus dem Gleichgewicht, alle in ihr Sitzenden versinken im Strom. Ob-<lb/> schon rasche Hilfe zur Hand ist, gelingt es doch nur, Diana, die Braut Um¬<lb/> bertos, zu retten, der Vicedomini und seine Knaben ertrinken. Da eilt denn der<lb/> Mönch Astorre mit der Unglücklichen zum Palast seines Geschlechts, den greisen<lb/> Vater zu trösten. Ezzelin, der Tyrann, ist ihnen schon zuvorgekommen, und<lb/> der alte Vicedomini rast unbekümmert vor dem Gewaltigen seinen Schmerz und<lb/> seine Verzweiflung aus und bringt zugleich ein päpstliches Breve zum Vorschein,<lb/> nach welchem für den Fall, daß der Stamm der Vicedomini bis auf Astorre<lb/> erlöschen sollte, der Mönch von seinen Gelübden los und ledig gesprochen wird.<lb/> Nur auf ihn selbst soll es ankommen, ob er im Kloster verbleiben oder an die<lb/> Welt zurücktreten und sich vermählen will. Der alte Vicedomini klammert sich<lb/> in seiner Verzweiflung natürlich an diese Aussicht und beschwört, als in Gegen¬<lb/> wart Ezzelins Astorre und die unglückliche Diana vor ihn treten, den Sohn,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
Die Hochzeit des Mönchs,
wie wir ihn träumen: ernst, feierlich, herb und gebieterisch; die Diener haben
vergessen, in seinem Zimmer Feuer anzuzünden, lind er kommt, sich am Herde
des Cangrande zu wärme». Von allen Seiten bestürmt, an der geselligen
Unterhaltung teilzunehmen, erzählt er die Geschichte eines entkutteten Mönchs,
der „nicht aus eignem Triebe, uicht aus erwachter Weltlust oder Weltkraft,
nicht weil er sein Wesen verkannt hätte, sondern einem andern zuliebe, unter
dem Drucke eines fremden Willens, wenn auch vielleicht ans heiligen Gründen
der Pietät, untreu an sich wird, sich selbst mehr noch als der Kirche
gegebene Gelübde bricht und eine Kutte abwirft, die ihm auf dem Leibe saß
und nicht drückte." Aus einer Grabschrift, die er vor Jahren bei den
Franziskanern zu Padua gelesen: „Hier schlummert der Mönch Astorrc
neben seiner Gattin Antiope, Beide begrub Ezzelin" entwickelt Dante seine
Novelle, Er führt seine Hörer in die Tage des furchtbaren Ezzelino da
Romano, des Gewaltherrschers von Padua und Verona, welche für Can¬
grande und seinen Hof wie für den Erzähler selbst doch nicht viel über ein
Halbjahrhundert zurückliegen. Aber indem Dante seine Geschichte erzählt, vor
der Gesellschaft gleichsam erfindet, fügt er derselben dadurch einen neuen
Reiz hinzu, daß er die Namen und Gesichter der Anwesenden benntzt und
sie den Gestalten seiner Novelle leiht. Der Mönch, um den es sich handelt,
ist der Franziskaner Astorre Vicedomini, ans edelm Paduaner Hause, beim
Beginn der Geschichte im dreißigsten Lebensjahre stehend. Er hat vor und seit
einem Jahrzehnt seine Gelübde geleistet und mit Hilfe des heiligen Antonius
auch gehalten. Jetzt entreißt ihn ein verhängnisvolles Unglück seiner Familie
den stillen Klostermauern. Sein alterer Bruder Umberto Vicedomini, der aus
erster Ehe drei blühende Söhne besitzt, führt auf Andrängen seines Vaters eine
zweite Gemahlin, Diana Pizzaguerra, heim. Die hochzeitliche Barke führt auf
der Brenta dahin, Ezzelin, der gefttrchtete Stadttyrann, grüßt vom Ufer aus
die Neuvermählten. Im Übereifer, den Gruß zu erwiedern, bringen sie die
Barke aus dem Gleichgewicht, alle in ihr Sitzenden versinken im Strom. Ob-
schon rasche Hilfe zur Hand ist, gelingt es doch nur, Diana, die Braut Um¬
bertos, zu retten, der Vicedomini und seine Knaben ertrinken. Da eilt denn der
Mönch Astorre mit der Unglücklichen zum Palast seines Geschlechts, den greisen
Vater zu trösten. Ezzelin, der Tyrann, ist ihnen schon zuvorgekommen, und
der alte Vicedomini rast unbekümmert vor dem Gewaltigen seinen Schmerz und
seine Verzweiflung aus und bringt zugleich ein päpstliches Breve zum Vorschein,
nach welchem für den Fall, daß der Stamm der Vicedomini bis auf Astorre
erlöschen sollte, der Mönch von seinen Gelübden los und ledig gesprochen wird.
Nur auf ihn selbst soll es ankommen, ob er im Kloster verbleiben oder an die
Welt zurücktreten und sich vermählen will. Der alte Vicedomini klammert sich
in seiner Verzweiflung natürlich an diese Aussicht und beschwört, als in Gegen¬
wart Ezzelins Astorre und die unglückliche Diana vor ihn treten, den Sohn,
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